Kreis Pinneberg. Die vom aussterben bedrohten Säugetiere wurden von Naturschützern an der Pinnau entdeckt. 200 Tiere landesweit vermutet.

Mitten in der Stadt, mitten in Pinneberg haben Naturschützer einen sonst eher seltenen Gesellen entdeckt: den Fischotter. Er gehört zu den am stärksten gefährdeten Säugetieren Europas. Viele Naturschutzprojekte beschäftigen sich mit dem Erhalt seiner Art. Während der Otter noch 1950 überall in Schleswig-Holstein verbreitet war, ist der Bestand bis Mitte der 1980er-Jahre fast auf Null zurückgegangen. In der Roten Liste Deutschlands und Schleswig-Holsteins wird der Fischotter heute in Kategorie 1 „vom Aussterben bedroht“ geführt.

Doch was Arne Drews vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein (LLUR) kürzlich unter den Brücken Pinnebergs vorfand, verblüffte ihn. „Die Art kommt hier und im weiteren Verlauf der Pinnau flächendeckend vor“, sagt der Experte, der landesweit seit 1996 Fischotter-Vorkommen kartiert. „An sechs verschiedenen Stellen konnte ich überraschend zahlreich Kot und Trittsiegel des Fischotters nachweisen.“

Er hatte die Brücken in der Kreisstadt auf ottergerechte Unterquerung geprüft – Routine vor geplanten Brückenneubauten. Und nicht nur das. Er konnte sogar einen Fischotter beobachten. „Das war erst das zweite Mal in meinem Leben, dass ich eines dieser seltenen Raubtiere zu Gesicht bekommen habe“, sagt er. Und das mitten in der Stadt.

Die nachtaktiven Tiere sind schwer zu entdecken. Selbst mit Nachtbildkameras lassen sie sich nur selten einfangen. „Ihr Fell ist so dicht, dass es kaum Körperwärme abgibt und der Sensor der Kamera sie nicht registriert“, sagt Drews. Umso mehr freute er sich über einen fotografischen Nachweis des Fischotters im Naturschutzgebiet Haseldorfer Binnenelbe (rundes Foto), der den Kollegen der Haseldorfer Außenstelle des LLUR gelang.

Abzäunung an der Pinnau bietet Ottern Schutz

Dabei sind die an das Wasserleben angepassten Marder keineswegs scheu. Gerade die Jungtiere sind sehr neugierig. Leute aus Ratzeburg hätten berichtet, dass ein Fischotter immer wieder von der Terrasse aus ihr Wohnzimmer beäugt hätte.

„Die meisten Bereiche des Pinnau-Durchflusses durch Pinneberg sind naturfern ausgebaut und subjektiv wenig attraktiv für den Fischotter“, sagt Arne Drews. Viele Bereiche des Ufers seien aber abgezäunt und würden die putzigen Tiere vor Menschen und Hunden schützen. Augenscheinlich findet der Fischotter hier einen Rückzugsraum und ausreichend Nahrung. Die meisten Brücken haben zumindest bei Ebbe teilweise Aufschüttungen oder Schlammbänke, auf denen die Tiere ruhen können. „Sie finden in der Pinnau Muscheln, Krebse und Fische“, sagt Drews. Fischotter gelten als Indikatoren für intakte und vernetzte Gewässerlandschaften.

Besonderer Pelz

Der Pelz des Fischotters isoliert außerordentlich gut gegen Kälte und Nässe: die Haare sind wie bei einem Reißverschluss miteinander verzahnt.

Das dichte Pelzgeflecht hält die Haut des Otters trocken und den Körper warm, obwohl dieser über keine dicke Fettschicht verfügt. Insgesamt schützen 80 bis 100 Millionen Haare den Fischotter vor einem Wärmeverlust.

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Die Abzäunung bietet noch einen weiteren Schutz: Der Weg über die vielbefahrenen Straßen ist den Ottern versperrt, und so werden die Tiere nicht überfahren. „Mir werden aus anderen Teilen Schleswig-Holsteins häufig Totfunde am Straßenrand gemeldet“, sagt der Verwaltungsmitarbeiter, der gemeinsam mit seinem Kollegen Rüdiger Albrecht alle fünf Jahre eine Kartierung über die Fischotterbestände erarbeitet. In Pinneberg ist der Bestand aber durch den Verkehr nicht gefährdet. Das Risiko ließe sich noch minimieren, indem kleinere Löcher in den Zäunen geflickt werden.

Seit Anfang der 1990er-Jahre steigt die Population in Schleswig-Holstein kontinuierlich an. So kamen laut Drews’ Aufzeichnungen 1996 lediglich in drei Prozent des Landes Fischotter vor, fünf Jahre später waren es zwölf Prozent und nach zehn Jahren schon 20 Prozent der schleswig-holsteinischen Flächen. „Bei der letzten Zählung im Winter 2016 wurde der Fischotter dann schon auf 43 Prozent der Flächen Schleswig-Holsteins nachgewiesen“, sagt Drews.

Otter kamen aus Mecklenburg und Dänemark

Ein sprunghafter Anstieg, der auf zahlreiche Bemühungen von Vereinen wie „Wasser Otter Mensch“, der „Aktion Fischotterschutz“ sowie der „Arbeitsgruppe Fischotter“, aber auch des Landesjagdverbands zurückzuführen ist. Arne Drews schätzt den Bestand in Schleswig-Holstein auf mittlerweile mehr als 200 Tiere. Von 195 Exemplaren berichtete im vergangenen Jahr der „Jahresbericht zur biologischen Vielfalt Jagd- und Artenschutz“.

Nachweis des Fischotters im Naturschutzgebiet Haseldorfer Binnenelbe
Nachweis des Fischotters im Naturschutzgebiet Haseldorfer Binnenelbe © HA | LLUR

Wie ein Vergleich genetischer Profile zeigte, wanderten die Fischotter vor allem aus Mecklenburg-Vorpommern sowie zu einem geringeren Teil aus Dänemark ein. Als Verbindungs- und Wanderkorridor dazwischen kommt Schleswig-Holstein eine besondere Bedeutung im Otterschutz zu. Ein Großteil der Gewässersysteme in Schleswig-Holstein wurde als potenzieller Ausbreitungsraum für Fischotter eingeschätzt und in zahlreichen Fällen als Korridor-Suchraum ausgewiesen, in dem der Fischotter bei zukünftigen Umweltplanungen besonders berücksichtigt werden soll.

Tiere aus Wildpark Eekholt haben Nachwuchs

„Mittlerweile ist es so, dass sie sich hier fortpflanzen“, sagt Drews. Das kann er anhand der Totfunde nachweisen. So waren es in den ersten Jahren hauptsächlich Männchen. „Sie müssen die Familie als Erste verlassen und gehen auf Wanderschaft“, sagt der Experte.

Unter den Totfunden seien inzwischen auch 40 Prozent Weibchen, was darauf schließen lässt, dass sie sich hier auch vermehren. So komme es vor, dass Weibchen überfahren werden, die noch Milch geben. „Dann suchen wir mit Hilfe der Jäger nach den Jungen – in der Hoffnung, sie noch retten zu können.“ Den Tierpflegern im Wildpark Eekholt gelang die Handaufzucht zweier verwaister Fischotter. Arne Drews: „Die wurden wieder freigelassen und haben jetzt selbst schon Nachwuchs.“