Schenefeld/Pinneberg. Kevin M. war zu schnell, als sein Wagen am 4. November 2016 an der Altonaer Chaussee einen Fußgänger erfasste, der die Straße querte.
Ist Kevin M. ein verantwortungsloser Raser, wie es Zeugen behaupteten? Oder ist der 25 Jahre alte Mercedes-Fahrer an jenem 4. November 2016 nur „im Verkehr mitgeschwommen“, wie er selbst es angab? Mit dieser Frage musste sich am Mittwoch das Amtsgericht Pinneberg befassen. Dort lautete die Anklage gegen den Hamburger auf fahrlässige Tötung. Der von Kevin M. gesteuerte Mercedes hatte um kurz vor 18 Uhr an der Altonaer Chaussee einen Fußgänger erfasst, der die vierspurige Straße auf Höhe der Tankstelle Kattner überquerte.
„Es war dunkel, er stand plötzlich in der Mitte der Straße“, verteidigte sich der Angeklagte. Er sei vom Schenefelder Platz in Richtung Stadtzentrum gefahren und überzeugt, dass der Fußgänger ihn zunächst nicht bemerkt habe. „Er machte große Augen, als er mich sah. Dann ging er einen Schritt zurück.“ Während der Fußgänger auf die Gegenfahrbahn zurückwich, leitete Kevin M. zeitgleich ein Ausweichmanöver ein – und wählte dafür unglücklicherweise auch die Gegenfahrbahn. „Ich habe ihn dann leider vorn rechts erwischt.“
Yüksel A. (48) wurde auf die Motorhaube geschleudert, prallte gegen die Frontscheibe des Mercedes und schlug hart auf dem Asphalt auf. Die dabei erlittenen Verletzungen, insbesondere am Kopf, waren so gravierend, dass der Schenefelder um 19.25 Uhr im UKE verstarb.
„Ich wusste, da ist 50, also bin ich 50 gefahren“, gab der Angeklagte an. Dass kurz vor der Unfallstelle aufgrund von Bauarbeiten eine Tempo 30-Zone eingerichtet worden war, habe er nicht bemerkt. Auch Thiemo P. (36) und seine Lebensgefährtin Susann B. (34), die zeitgleich mit dem Angeklagten die Altonaer Chaussee befuhren, übersahen die Geschwindigkeitsreduzierung. Wohl aber bemerkten sie „den silbernen Mercedes, der uns mit hoher Geschwindigkeit links überholte“, so Thiemo P. Er habe sofort auf den Tacho geschaut, sei zu diesem Zeitpunkt Tempo 55 gefahren.
„Der hatte bestimmt 70, 80 Klamotten drauf. Ich dachte, der spinnt wohl, hier ist doch keine Autobahn“, sagte Zeugin Susann B. Keine Minute später seien sie dann auf die Unfallstelle zugekommen. Sie habe dort den Angeklagten auf seine Fahrweise angesprochen. „Er sagte, so schnell war das nicht. Später kam er zu mir und fragte, ob ich nicht der Polizei sagen könne, dass er nicht zu schnell war. Ich sagte ihm, er habe wohl nicht mehr alle Latten am Zaun.“
Der Mercedes erfasste den Fußgänger mit Tempo 47
Laut der Berechnung des Unfallsachverständigen Julian Jorde erfasste der Mercedes des Angeklagten den Fußgänger mit mindestens Tempo 47. Der Unfall wäre vermeidbar gewesen, wenn Kevin M. wie vorgeschrieben 30 gefahren wäre. „Das Schild war gut sichtbar, er hätte es sehen müssen“, so Staatsanwalt Klaus Dwenger. Dass auch andere Zeugen die Geschwindigkeitsreduzierung übersehen hatten, rechtfertige nicht das Verhalten des Angeklagten. Dwenger forderte für Kevin M. wegen fahrlässiger Tötung eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu jeweils 40 Euro (3600 Euro Gesamtstrafe). Verteidiger Rainer Lübbers stellte keinen konkreten Antrag, regte jedoch ein geringeres Strafmaß an.
Dem kam Richter Jens Woywod, der von einem „tragischen Geschehen“ sprach, mit seinem Urteil von 70 Tagessätzen zu jeweils 35 Euro (2450 Euro Gesamtstrafe) auch nach. „Ich halte das für eine angemessene Rechtsfolge.“ Allerdings verhängte Woywod auch ein zweimonatiges Fahrverbot gegen den Angeklagten, was selbst der Staatsanwalt als nicht notwendig erachtet hatte. Woywod: „Angesichts der schwerwiegenden Folgen halte ich ein Fahrverbot für zwingend geboten.“