Kreis Pinneberg. Zuschriften an die Redaktion belegen: Verspätete Zustellung durch die Post ist weit mehr als ein Einzelfall im Pinneberger Norden.

Sven Bartels (40) hat gerade zum ersten Mal in dieser Woche Post in seinem Briefkasten gefunden. An einem Freitag. Und das ist nichts Besonderes, berichtet er, seit Ende August sei das nun schon so. Dem Mathematiker aus dem Süden Pinnebergs geht es genauso wie vielen Menschen im Norden der Kreisstadt, die sich in dieser Woche im Abendblatt über eine unregelmäßige und verspätete Zustellung beschwert haben. Und es geht ihm wie vielen Menschen im gesamten Kreis Pinneberg, das belegen viele Zuschriften, die seitdem in der
Redaktion eingegangen sind.

Martin Grundler, Sprecher der Deutsche Post DHL Group, der die Probleme im Norden Pinnebergs zunächst mit der Erkrankung eines einzelnen Zustellers begründet hatte, spricht inzwischen von einem „sehr hohen Krankenstand der Briefträger im Kreis Pinneberg“.

Im Callcenter werden die Kunden nur vertröstet

Sven Bartels hat sich in der Vergangenheit bereits an die Beschwerdehotline der Deutschen Post gewandt. „Aber das ist aussichtslos“, sagt er, „im Callcenter teilt man mir lediglich mit, man werde sich kümmern.“ Sein Postbote habe ihm erzählt, dass die Zustände wohl noch schlimmer werden würden. So seien Zustellbezirke immer größer geschnitten, zudem herrsche großer Personalmangel bei der Post im Raum Pinneberg, und die Briefträger müssten zusätzlich noch Pakete austragen, wodurch die Zustellung noch länger dauere. Bartels seufzt: „Schöne neue Post-Welt.“

Sven Bartels schaut in seinen Briefkasten. Am Freitag war erstmals in dieser Woche Post drin
Sven Bartels schaut in seinen Briefkasten. Am Freitag war erstmals in dieser Woche Post drin © HA | Jürn-Jakob Oesterlin

Wenn Zusteller erkranken, werden Vertreter eingesetzt. Aber: „Die sind mit der Umgebung nicht vertraut, da dauert die Zustellung dann etwas länger“, sagt Postsprecher Grundler. Und es sei gar nicht so einfach, qualifizierten Ersatz zu finden. Als weiteren Grund für Verzögerungen nennt Grundler ein enorm großes Sendungsaufkommen seit Ende August. „Der Sommer ist eine traditionell sendungsschwache Zeit, aber zum Herbstbeginn gab es schlagartig ein sehr großes Sendungsaufkommen, größer als in den vergangenen Jahren.“ Zusammen mit dem hohen Krankenstand seien dies die Gründe für die Verzögerungen bei der Zustellung. Diese seien extrem ärgerlich, aber leider nicht zu vermeiden.

Mit diesen Antworten geben sich viele Menschen jedoch nicht zufrieden. Jutta Klinck aus Rellingen schreibt, dass bei ihr „seit Monaten die Post unregelmäßig zugestellt“ werde. Dies hätte für sie besonders schwere Konsequenzen, da sie von zu Hause aus arbeite und ihr Büro im Haus habe. Kunden riefen sie deshalb verärgert an und fragten, weshalb sie nicht auf deren Briefe reagiere. Ähnliche Probleme beklagt auch Frank Hertig aus Pinneberg. „Früher war bei uns nur am Montag der Briefkasten leer, nun erhalten wir aber oft nur einmal wöchentlich Post.“ Bei ihm sei zudem ein Verbundzusteller unterwegs, der sowohl Brief als auch Pakete verteilt. Informationen über die Umstellung des Zustellsystems habe er nicht bekommen, sondern rein zufällig davon erfahren. Das berichten auch andere Bürger. Vorwürfe an den Zusteller bleiben von seiner Seite jedoch aus. Er hilft eher mit: „Wir haben unseren Carport als Ablageort angegeben, das erspart den Briefträgern Zeit und Treppensteigen“, schreibt er.

Das ist das Verbundsystem

Beim Verbundsystem werden Briefe und Pakete hauptsächlich in wenig besiedelten Gebieten auf dem Land , aber auch am Stadtrand kleinerer Städte gemeinsam von ein und demselben Postboten in einem DHL-Fahrzeug und nicht mehr mit dem Fahrrad verteilt.

Auf dem Land verfährt die Post schon seit Jahrzehnten nach diesem Prinzip der Zustellung, da es kostensparend und deutlich effektiver sei als die Zustellung durch zwei verschiedene Boten.

Eine neuer Zuschnitt der bisher vorhandenen Zustellbezirke soll zu einer reibungsloseren Zustellung führen.

Einige Wochen könne es dauern, bis sich alles eingependelt habe, nachdem das Zustellsystem irgendwo neu eingeführt wird, sagt Postsprecher Martin Grundler.

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Auch Franz Günther, ebenfalls aus Pinneberg, sieht die Schuld nicht bei den Briefträgern. Sein Zusteller bestätigte ihm, dass er beim Erreichen der Höchstarbeitszeit von zehn Stunden die Tour abbrechen müsse, „ob er wolle oder nicht“. Martin Grundler bestätigt das grundsätzlich. „Es kann durch das hohe Sendungsaufkommen durchaus vorkommen, dass ein Zusteller seine Tour abbrechen muss, obwohl noch nicht alle Sendungen zugestellt worden sind.“ In diesem Fall müsse er jedoch am Folgetag dort mit der Tour ansetzen, wo er aufgehört habe. Franz Günther sieht in der Umstellung auf das Verbundsystem allerdings eher eine „Verschlimmerung“ der Zustände.

Zeitschrift kommt manchmal fünf Tage zu spät

Ähnlich sieht es Irmhild Biegus aus Bönningstedt. „Die Postboten sind teilweise so unter Druck, dass sie keine Zeit mehr haben zu klingeln, wenn sie Päckchen zustellen sollen“, schreibt sie. Sie glaube nicht, dass es nur an krankheitsbedingten Ausfällen der Briefträger liege, sondern dass es „zu wenige Zusteller gibt und die wenigen ein viel zu großes Zustellgebiet bearbeiten müssen.“ Auch seien ständig wechselnde Postboten kontraproduktiv, da sie sich ständig erst an neue Routen gewöhnen müssten.

Lothar Baumgarten aus Rellingen bekommt zwar zwei- bis dreimal in der Woche Post, für ihn steht allerdings fest, dass seine Post „gesammelt“ werde. „Wenn am Donnerstag die Zeitschrift ,Stern‘ ausgeliefert wird, wandert das Gesammelte mit in den Kasten.“ Aber auch die Zeitschriftenzustellung erfolge seit Wochen nicht mehr pünktlich. „Das Heft kann auch mal bis zu fünf Tage später im Briefkasten liegen“, schreibt Baumgarten. Das hatte schon Siegmar Pache aus dem Pinneberger Norden beklagt, der seine abonnierte Fernsehzeitschrift regelmäßig erst dann zugestellt bekomme, wenn sie nicht mehr aktuell ist.

Auch Baumgarten beklagt sich über fehlende Informationen seitens der Deutschen Post. Er habe sich sogar schon – ebenso Leser Peter Heinitz aus Pinneberg – bei der Bundesnetzagentur in Bonn beschwert, die die Möglichkeit habe, „Einfluss auf die Durchführung von Postdienstleistungen“ zu nehmen, wie es auf deren Website heißt. Allerdings wurde er auch dort nur an die Deutsche Post DHL Group weitergeleitet mit dem Hinweis, dass man der Sache nachgehen werde. Für ihn stehe fest, dass die Post zu wenige Mitarbeiter habe. Sein größtes Problem ist, dass „durch die Nichtzustellung wichtiger Postsendungen Fristprobleme und zusätzliche Kosten entstehen können“. Seine Frage: „Wer steht dafür gerade?“ Irmhild Biegus hat noch eine Botschaft an die Post: „Sie hat einen Auftrag, sechsmal die Woche zuzustellen, da sie ja auch das Monopol innehat.“