Pinneberg/Wedel. Lara von Zedlitz (18) lernt den Beruf im dritten Jahr. Die Wedelerin ist auf ihrem Gebiet die einzige weibliche Auszubildende im Kreisgebiet

Wie kommt eine zierliche junge Frau auf die Idee, das Schornsteinfegerhandwerk zu erlernen? Bei der jetzt 18 Jahre alten Lara von Zedlitz gab es vor gut zwei Jahren, damals noch in Hamburg, keine andere Wahl: „Ich hatte gerade die Schule gewechselt und musste in der neuen Klasse an einem Berufspraktikum teilnehmen.“

Da alle anderen Plätze bereits vergeben waren, blieb der damals 16-Jährigen nichts anderes übrig, als bei einem Schornsteinfeger anzuheuern. Die Überraschung kam zum Schluss: Lara hatte der Beruf nach drei Wochen Praxis so gut gefallen, dass sie sich im Betrieb erfolgreich um eine Lehrstelle bewarb.

Mittlerweile hat Lara von Zedlitz das dritte Ausbildungsjahr erreicht und eine Zwischenprüfung absolviert. Sie wohnt inzwischen mit der Familie in Wedel und setzt seit vier Monaten beim Pinneberger Bezirksschornsteinfeger Thomas Treichel ihre Lehre fort – als einzige weibliche Auszubildende des Schornsteinfegerhandwerks im Kreis Pinneberg. Treichel ist sehr zufrieden mit seiner Kollegin, und Lara wiederum schwärmt von ihrer Arbeit: „Mir macht es einfach Spaß, praktisch jeden Tag neue Menschen und Situationen kennenzulernen.“

Lara von Zednitz mit ihrem Chef Thomas Treichel auf dem Dach eines Thesdorfer Hochauses
Lara von Zednitz mit ihrem Chef Thomas Treichel auf dem Dach eines Thesdorfer Hochauses © HA | Rainer Burmeister

Dazu gehört auch der Kontakt zu den Kunden, die meist überrascht und gleichermaßen erfreut reagieren, wenn die junge Frau gemeinsam mit ihrem Chef oder einem Gesellen anrückt, um die Heizungsanlage zu kontrollieren.

Bei den erforderlichen Prüf- und Messarbeiten, meistens im Keller der Gebäude, hantiert Lara mit den Geräten routiniert wie ein in Jahren gereifter Profi. Unter anderem werden die Kohlenmonoxidwerte im Abgas der Feuerstätten gemessen und wird der Sauerstoffgehalt ermittelt.

Noch mehr Vergnügen macht es ihr aber, den Leuten aufs Dach zu steigen. Entweder über den Spitzboden und eine Dachluke oder von außen mithilfe von Leitern.

Hochhäuser, wie die weißen Riesen am Pinneberger S-Bahnhof Thesdorf, sind zunächst noch relativ komfortabel mit dem Lift zu bewältigen. Doch vom 14. Stockwerk aus geht es dann per Leiter auf das Flachdach. Dort weht, vor allem bei Schlechtwetterlagen, ein strammer Wind.

Abends hat Lara von Zedlitz Rußpartikel auf der Haut

Je nach Heizungsart und Schornsteintyp kommt neben den Prüf- und Messarbeiten auch noch das klassische Schornsteinfeger-Geschirr zum Einsatz: Mit der Kehrleine, dem angehängten Besen und einem Metallgewicht wird dann von oben der Schornstein von Ruß, Laub und anderen Ablagerungen gesäubert. „Wenn wir auf Kehrtour unterwegs sind, gibt es trotz Schutzkleidung und Atemschutz nachher immer noch irgendwo Rußrückstände auf der Haut zu beseitigen“, hat die angehende Schornsteinfegerin festgestellt.

Dennoch macht ihr der Job viel mehr Spaß als beispielsweise eine Bürotätigkeit. Außer dem Interesse für Technik spielt bei Lara auch die Freude am körperlichen Einsatz eine Rolle. Dabei geht es nicht nur um Muskelkraft, sondern auch um eine stabile Gesamtkonstitution, wenn der Geräterucksack geschultert werden muss. Kein Problem ist es für die Schornsteinfegerin in spe, ihre Einsatzorte zu erklimmen.

Eine Amtszeit dauert sieben Jahre

27 Kehrbezirke gibt es im Kreis Pinneberg – und genauso viele bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger. Die sind mit ihren Mitarbeitern im Auftrag der Verwaltung des Kreises Pinneberg unterwegs, die die Fachaufsicht ausübt.

Die Bauabnahme neuer Anlagen gehört ebenso zu den Aufgaben wie die Feuerstättenschau. Jeder der hoheitlich tätigen Bezirksschornsteinfeger wird nach einer europaweiten Ausschreibung für eine siebenjährige Amtszeit beauftragt.

Eigentümer können sich den Schornsteinfegerbetrieb ihrer Wahl aussuchen. So betreut Thomas Treichel auch Kunden außerhalb seines Bezirks, der neben Pinneberg-Süd und dem Ortsteil Waldenau auch Teile Rellingens umfasst.

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„Ich habe keine Höhenangst, und mir wird auch nicht schwindelig“, sagt Lara, während sie in die Tiefe des Hochhausschornsteins blickt. Natürlich sind die Zugangswege und die Schornsteinfeger so weit wie möglich gesichert. Dass ein Kaminkehrer, wie es früher zu beobachten war, freihändig über den Dachfirst einer Reihenhauszeile balanciert, ist nicht mehr zulässig.

Angehende Schornsteinfeger müssen auch gut in Mathe sein

In der Ausbildung kommt neben der Praxis auch die Theorie nicht zu kurz. Vor allem in Mathematik und Chemie sind gute Kenntnisse erforderlich. Schornsteinfeger-Azubis sind viermal jährlich für zwei Wochen im Berufsbildungszentrum Meldorf zu Gast.

Während des Blockunterrichts kann dort auch übernachtet werden. Lara von Zedlitz profitiert aber auch von der zusätzlichen Unterstützung durch ihren Ausbildungsbetrieb. Dass Frauen in der schwarzen Zunft auf dem Vormarsch sind, zeigt sich in ihrer Berufsschulklasse mit 22 männlichen und drei weiblichen Schülern.

Schon jetzt steht fest, dass sich Lara nach der Gesellenprüfung neu orientieren wird. Denn im Betrieb von Thomas Treichel mit vier Mitarbeitern gibt es keinen zusätzlichem Bedarf an Arbeitskräften. Dennoch sind die Berufsaussichten für Schornsteinfeger gut, sodass sich die Wedelerin um ihre Zukunft keine Sorgen macht. Notfalls könnte Lara auch umsatteln: Denn in ihrer Freizeit ist sie beim Hamburger Jugendzirkus Zartinka0 als Artistin tätig – passend zum Lehrberuf als Luftakrobatin am Trapez und Jonglagekünstlerin.