Kreis Pinneberg. Schwarzbuch widmet dem missglückten Ausflug des Abwasserzweckverbandes ins Breitbandgeschäft einen ausführlichen Beitrag.
Nach 2014 und 2015 hat es erneut ein Ort im Kreis Pinneberg ins Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes geschafft. Der prangert jedes Jahr die größten Steuerverschwendungen an. Diesmal geht es um das letztlich missglückte Vorhaben des Abwasserzweckverbands (AZV) Südholstein, ins Breitbandgeschäft einzusteigen. Was davon geblieben ist? Mindestens 6,3 Millionen Euro Verlust (das Abendblatt berichtete exklusiv).
Sogar die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen wegen des Verdachts der Untreue gegen den Verwaltungsratsvorsitzenden Roland Krügel und den damaligen AZV-Geschäftsführer Lutz Altenwerth. „Die Ermittlungen dauern an“, sagte am Donnerstag Oberstaatsanwalt Carsten Ohlrogge von der Staatsanwaltschaft Itzehoe. Und auch das RTL-Fernsehen ist auf das Thema aufmerksam geworden und will in seiner Sendung „Mario Barth deckt auf“ berichten.
Unter den 13 Beispielen aus Schleswig-Holstein, die der Steuerzahlerbund in sein neues Schwarzbuch aufgenommen hat, das am Donnerstag in Kiel vorgestellt wurde, nimmt das Thema „Millionen Gebührengelder versenkt“ Rang sechs ein, was die Höhe des verschwendeten Steuergeldes angeht. Der Bund der Steuerzahler kommentiert dazu: „Schuster bleib bei deinen Leisten. Der Zweckverband hat sich ohne Not auf ein hochriskantes Geschäftsfeld begeben, ohne die notwendige Kompetenz zu besitzen. Leidtragende sind die Gebührenzahler.“
Geschäftsfeld nicht von AZV-Satzung gedeckt
Es ging um die Breitbandsparte, die der AZV Ende 2009 gründete, um insbesondere die kleineren der 44 Verbandsgemeinden mit Glasfaserkabeln für das schnelle Internet auszurüsten, bei denen „eine Unterversorgung mit Breitbandanschlüssen“ herrschte. „Der AZV Südholstein versteht sein damaliges gesellschaftliches Engagement für den Ausbau eines leistungsfähigen Glasfasernetzes stets im Kontext seiner Verantwortung in der öffentlichen Daseinsvorsorge“, heißt es dazu in einer Stellungnahme von Donnerstag.
Zwölf Millionen Euro investierte der AZV in das Breitbandnetz von Holm, Hasloh, Heist und Lentföhrden, bis das Innenministerium 2014 die Geschäftserweiterung für ungültig erklärte, weil sie nicht durch die Satzung abgedeckt war. Nur wenn alle Kommunen des Zweckverbandes einmütig zustimmten, wären auch andere Dienstleistungen außerhalb des öffentlichen Auftrages, Abwasser zu entsorgen, möglich, urteilte die Kommunalaufsicht. Doch insbesondere Elmshorn und Quickborn sprachen sich dagegen aus. Elmshorns damalige Bürgermeisterin Brigitte Fronzek war „von Anfang an dagegen“. Ihr Nachfolger Volker Hatje sagte: „Das bestätigt unsere Auffassung, dass wir uns viel früher von der Breitbandsparte hätten trennen müssen.“ Und Amtskollege Thomas Köppl aus Quickborn sagte, die Millionenverluste zeigten, „wie wenig Substanz das Unternehmen hatte.“
Der AZV
Das Breitbandnetz mit etwa 3000 Kunden musste dann 2015 mit erheblichen Verlusten verkauft werden. Übernommen hat es der Zweckverband Breitband Marsch und Geest, dem die vier genannten Gemeinden angehören. Zu welchem Kaufpreis, möchte keiner der Beteiligten sagen – weder dem Abendblatt noch dem Steuerzahlerbund. Ein Mitglied des Verwaltungsrates sprach gegenüber dem Abendblatt von 7,5 Millionen Euro Verlusten, die nun in den nächsten fünf Jahren aus der Rücklage entnommen und über die Eigenkapitalverzinsung wieder hereingeholt werden sollten.
Der Bund der Steuerzahler kommt in seiner Berechnung auf rund acht Millionen Euro Verlust für den Steuerzahler: 7,5 Millionen Euro nennt der neue Betreiber Zweckverband Marsch und Geest 2016 als Investition im Wirtschaftsplan, was dem Kaufpreis entsprechen könnte. Somit wäre der AZV bei zwölf Millionen Euro Investitionen auf 4,5 Millionen Euro sitzengeblieben. Hinzu kämen 3,3 Millionen Euro, die, wie das Abendblatt seinerzeit herausfand, der AZV für 2015 als Verlustvortrag in seiner Jahresbilanz aufführte.
Das Schwarzbuch
Der AZV gibt jetzt den Verlust mit 6,3 Millionen Euro an. In der Stellungnahme heißt es jetzt: „Eine gutachterliche Stellungnahme hat bestätigt, dass diese Verluste durch die ungebundene, allgemeine Rücklage des AZV Südholstein bzw. aus der Eigenkapitalverzinsung ausgeglichen werden können. Die Abwassergebühren werden vom Verkauf des Breitbandnetzes nicht beeinträchtigt.“ Diese seien seit 2010 konstant bei 1,17 Euro je Kubikmeter verbrauchtes Frischwasser geblieben.
Aber damit nicht genug. „Auch der Ausstieg aus dem Breitbandgeschäft wurde noch einmal richtig teuer“, heißt es im Schwarzbuch. So hat der AZV für Rechtsberatung 1,25 Millionen Euro ausgegeben. Das prangerten schon die Rechnungsprüfungsämter der AZV-Mitgliedskommunen Pinneberg und Kaltenkirchen in ihren Prüfberichten vor einem Jahr an, wie das Abendblatt aufdeckte, und mahnten ein besseres Controlling an. Die AZV Breitband GmbH befindet sich nach AZV-Angaben in der Liquidation: „Die Auflösung wird zum 31. Juli 2018 wirksam.“