Pinneberg. Weil Lehrstellen häufig unbesetzt bleiben, suchen Firmenchefs auf einer Berufsinformationsmesse den direkten Kontakt zu Schulabgängern.

Luca Berndt steht vor einer großen Leinwand. Darauf flimmert ein Film – die Auszubildenden der Pinneberger Bäckerei Dwenger stellen ihr Handwerk vor. Um den 16-Jährigen herum tummeln sich viele andere Jugendliche, es sind Hunderte. Pinneberger Rathaus, erster Stock. Es ist Berufsinformationstag. Die Stadt, die Agentur für Arbeit und die Wirtschaftsgemeinschaft Pinneberg haben ihn organisiert. Und Luca hat den Weg zum Stand der Bäckerei eingeschlagen. „Meine Cousine ist Bäckerin“, sagt er, „sie hat mir schon viel Positives von ihrem Beruf erzählt.“ Das macht ihn neugierig.

Marco Arndt, Auszubildender zum Fachangestellten für Bäderbetriebe, zeigt lebensrettende Maßnahmen
Marco Arndt, Auszubildender zum Fachangestellten für Bäderbetriebe, zeigt lebensrettende Maßnahmen © HA | Laura Geray

Bäckermeister Niklas Dwenger hat den Imagefilm mit seinen Auszubildenden produziert. Ziel sei es, Jugendlichen wieder Lust aufs Bäckerhandwerk zu machen. Bisher konnte sein Betrieb jedes Jahr drei bis vier Auszubildende für sich gewinnen. „Aber dieses Jahr haben wir erstmals niemanden gefunden, der bei uns in die Lehre gehen will.“ Deswegen ist die Bäckerei jetzt sogar auf Facebook und Instagram aktiv, um die jungen Leute zu erreichen und für eine Ausbildung zu begeistern. Gründe für das fehlende Interesse sieht Dwenger vor allem im schlechten Image, das der Beruf habe. Dazu gehört auch das frühe Aufstehen, das mancher Morgenmuffel scheue.

Auch wenn er auch auf Facebook setzt – Niklas Dwenger weiß um den Wert solch scheinbar altmodischer Messen. Er weiß, wie wichtig das persönliche Gespräch ist, wie entscheidend ein Eindruck vor Ort. Das sieht Jürgen Knauff, Mitarbeiter im Bereich Arbeitgeberservice der Arbeitsagentur in Elmshorn, genauso: „Oft ist es so, dass die Jugendlichen falsche oder veraltete Vorstellungen von den Berufen haben. Sie wissen gar nicht, wie sich manche Berufsfelder, beispielsweise in der Anlagenmechanik oder Elektronik, modernisiert haben.“ Und so kurios es klingt: Gerade das Internet mache die Sache nicht einfacher. Knauff: „Heute gibt es mehr Informationen denn je. Dieses Überangebot macht es für die Jugendlichen im Endeffekt schwieriger, Entscheidungen zu treffen.“ Mancher treffe dann lieber gar keine.

Charly Große, Auszubildender bei Elektrotechnik Schröder, zeigt das Modell einer Lichtanlage
Charly Große, Auszubildender bei Elektrotechnik Schröder, zeigt das Modell einer Lichtanlage © HA | Laura Geray

Ein paar Schritte weiter, am Stand von Tempelmann Feinwerktechnik, stehen zwei Auszubildende und eine Praktikantin bereit, um Fragen niegieriger Schüler zu beantworten. Pro Jahr bildet das Unternehmen zwei bis drei Auszubildende aus. Und obwohl diese Ausbildungsplätze immer besetzt worden sind, lässt sich auch hier ein Rückgang an Bewerbungen beobachten: Während einst jährlich 30 bis 40 Bewerbungen eingegangen seien, habe die Firma jetzt nur noch fünf bis sechs erhalten, sagt Geschäftsführer Hardy Tempelmann. „Da das Schulsystem dauernd geändert wird, hat es viel zu viel mit sich selbst zu tun.“ Das Schulsystem ist auch nach Einschätzung Jürgen Knauffs ein Grund für das mitunter starke Missverhältnis zwischen Ausbildungsstellen und Bewerbern. „Die Verschiebung hin zu höheren Schulabschlüssen bewirkt, dass viele Realschulabgänger weiter zur Schule gehen und nicht für eine Ausbildung zur Verfügung stehen“, sagt er.

Elektro-Innung hat noch genug Bewerber

Im Gegensatz zu Dwenger und Tempelmann mangelt es den Betrieben der Elektro-Innung im Kreis Pinneberg nicht an Nachwuchskräften. „Unsere Betriebe haben Nachfragen ohne Ende“, sagt Kai Schröder, stellvertretender Obermeister der Elektro-Innung und Inhaber eines Elektrotechnik-Unternehmens in Rellingen. Neben ihm verdrahtet Charly Große, der seit einem Jahr bei Schröder im Unternehmen lernt, eine Lichtanlage, die auf einem großen Brett montiert ist. „Das ist eine ganz schöne Friemelarbeit“, sagt Große. „Wir haben jedes Jahr 40 bis 50 Auszubildende, die in den Betrieben neu anfangen. Das ist schon seit Jahren konstant“, sagt Schröder.

Freie Stellen

Das stärkste Missverhältnis zwischen offenen Stellen und Bewerbern liegt laut Agentur für Arbeit aktuell in folgenden Berufen vor: Bäckerei-/Fleischereifachverkäufer, Koch, Restaurantfachleute

Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizung-, Klimatechnik, Dachdecker, Gärtner, Friseur, Bankkaufleute, Fachkraft für Lagerlogistik, Mechatroniker für Kältetechnik.

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Marco Arndt, der einen Stand weiter bei den Stadtwerken Pinneberg steht, hat sich bereits für eine Ausbildung entschieden. Seit zwei Monaten lernt er den Beruf des Fachangestellten für Bäderbetriebe. „Ich bin Schwimmer und war dadurch schon immer mit der Schwimmhalle verbunden. Deshalb fiel die Entscheidung nicht schwer“, sagt der 18-Jährige aus Anklam. Um den Schülern, die sich noch nicht festgelegt haben, einen Aspekt seiner Arbeit zu vermitteln, zeigt er an einer Puppe lebensrettende Maßnahmen.

Luca Berndt ist längst weitergezogen. Jetzt steht am Stand der Bäckerei die 13-jährige Sandra, die sich schon sehr sicher ist, dass sie bei Dwenger eine Ausbildung machen möchte. Dass dort jede Woche aufwendig verzierte Torten für Hochzeiten und andere Anlässe hergestellet werden, begeistert sie. Mit einer Ausbildung zur Bäcker- oder Konditormeisterin könne sie ihr Hobby - das Backen - zum Beruf machen.