Kreis Pinneberg. Interview mit Ernst Dieter Rossmann (SPD) und Michael von Abercron (CDU), die um das Direktmandat für den Bundestag kämpfen.
Ernst Dieter Rossmann (SPD) hat zweimal, 1998 und 2002, den Wahlkreis Pinneberg direkt gewonnen. Michael von Abercron (CDU) will in die Fußstapfen von Ole Schröder treten, dem dies seit 2005 dreimal gelungen ist. Jetzt standen beide Kandidaten dem Abendblatt Rede und Antwort
Wie haben Sie das TV-Duell der Kanzlerkandidaten empfunden?
Michael von Abercron: Wie erwartet mit wenig neuen Erkenntnissen und bisweilen etwas langweilig.
Ernst Dieter Rossmann: Frau Merkel hat ihre Positionen, wie bei ihr üblich, mehrfach offengelassen. Martin Schulz hat ein klares Profil gezeigt. Die Diskussion hat darunter gelitten, dass die Themen von den Moderatoren sehr einseitig ausgewählt wurden. Über Bildung, Wirtschaft oder Umwelt erfuhr der Zuschauer nichts.
Abercron: Drei Viertel der Sendezeit machte die Migrationspolitik aus. Vieles ist nicht behandelt worden.
Warum sind Sie der bessere Kandidat für den Wahlkreis Pinneberg?
Rossmann: Die SPD hat mich als Angebot für die Wahl aufgestellt, weil sie mich als aktiv, kompetent und bürgernah ansieht. Alles andere ist eine Form der Selbstanpreisung, die ich nicht machen möchte.
Abercron: Für mich als Kandidat ist das eine neue Chance. Die Entscheidung muss letztlich der Wähler treffen.
Was können die Pinneberger von Ihnen die nächsten vier Jahre in Berlin erwarten?
Abercron: Dass sich die Verkehrsinfrastruktur im Kreis Pinneberg verbessert. Das betrifft insbesondere die A 20, die A 23 sowie weitere Straßenbauprojekte im Kreis. Beim dritten Schienengleis, das leider nicht mehr im Bundesverkehrswegeplan steht, müssen wir am Ball bleiben. Die Elbzuflüsse müssen schiffbar bleiben, die Pinnau ausgebaggert werden, damit die Schiffe in Uetersen die Papierfabrik erreichen können. Die Kommunen müssen wir beim Ausbau der Kindergärten und bei den Schulsanierungen finanziell unterstützen. Das läuft ja schon, muss aber fortgesetzt werden. Auch den Wohnungsbau und sozialen Wohnungsbau müssen wir forcieren, indem wir die Baugenehmigungen beschleunigen.
Rossmann: In puncto Mobilität stimme ich Herrn von Abercron zu, vor allen Dingen beim Ausbau von Schiene und ÖPNV im Kreis. Was die Menschen bei den vielen Gespräch aber vor allen Dingen bewegt, sind soziale Fragen wie Wohnraum und Miete, Löhne und Arbeitsbedingungen, Renten, Kita-Plätze und Schule. Konkret etwa beim Wohnen: Bei der Mietpreisbremse muss dem Mieter zwingend erklärt werden, wie hoch die Vormiete war. Und wir brauchen zusätzliche Mittel für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Konkret bei den Schulen: Es ist gut, dass der Bund jetzt 3,5 Milliarden Euro für die Sanierung der Schulen in finanzschwachen Kommunen zur Verfügung stellt. So können Elmshorn, Pinneberg und Uetersen Zuschüsse für Renovierungen und Erweiterungen an ihren vorhandenen Schulen erwarten, aber Elmshorn bekommt keine Förderung für eine unbedingt notwendige neue zusätzliche Schule. Das müssen wir dringend ändern.
Abercron: Da gebe ich Herrn Rossmann recht. Da ist noch Spielraum nach oben. Allerdings halten wir die Mietpreisbremse für ein Hindernis beim Wohnungsbau. Den müssen wir eher steuerlich fördern. Aber das ist eine große Aufgabe, für die es nicht so schnell Abhilfe geben wird.
Rossmann: Und es gibt natürlich auch noch ganz spezielle Kreis-Pinneberger Projekte, zum Beispiel die Erweiterung des Museums auf Helgoland oder den Bau von Radschnellwegen, für die es zu arbeiten gilt. Ein besonderes Anliegen von mir ist es, dass alle Flüchtlinge ein Anrecht auf einen Sprachkurs haben. Jeder Mensch mit besseren Deutschkenntnissen ist ein Gewinn. Für sich persönlich, für die Integration, für die Wirtschaft. Wenn dann Flüchtlinge wieder in ihre Heimatländer zurückgekehrt sind, haben sie zumindest Sprache und Kultur hier kennengelernt, was für das Ansehen und die Vernetzung Deutschlands in der Welt nur vorteilhaft sein kann.
Der Parlamentarier
Abercron: Bei den Flüchtlingen sind wir dafür, diejenigen gut auszustatten, die einen berechtigten Anspruch auf Asyl haben. Für die das nicht gilt, die müssen wir konsequent abschieben. Diejenigen, die nur aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen wollen, müssen wir von der gefährlichen Reise über das Mittelmeer abhalten. Mit den Staaten in Nordafrika hat es dabei erste Erfolge gegeben. Die CDU möchte auch eine geordnete Einwanderung und plant die Anwerbung von dringend benötigten Fachkräften in Mangelberufen aus dem Ausland gesetzlich zu regeln.
Rossmann: Die SPD möchte ein Einwanderungsgesetz nach kanadischem Vorbild mit einem Punktesystem, das sich nach Alter, Qualifikation und Sprachkenntnissen der Zuwanderer richtet. Das Asylrecht für politisch Verfolgte muss aber erhalten bleiben.
Was schätzen Sie an Ihrem Gegenkandidaten?
Rossmann: Herr von Abercron ist ein freundlicher Widerstreiter.
Abercron: Ich schätze die Kompetenz und Erfahrung von Herrn Rossmann. Der ist ja schon ein paar Wahlperioden länger im Bundestag. Wir begegnen uns mit Respekt und Toleranz.
Rossmann: Das habe ich auch mit allen bisherigen Konkurrenten von der CDU so erlebt, dass wir einen wechselseitig guten Umgang pflegten, ob es Gert Willner oder Ole Schröder war.
Bisher hat immer derjenige den Wahlkreis Pinneberg gewonnen, dessen Partei später auch den Kanzler stellte. Nach den Umfragen wäre es demnach für von Abercron schon gelaufen, oder?
Rossmann: Nein es kommt doch auf die wirklichen Wahlen an. Da kämpfe ich mit meiner Partei für das Direktmandat, und dann wird Martin Schulz der neue Kanzler.
Abercron: Ich vertraue da ganz auf meinen Wahlkampf und die überragende Erfahrung und Kompetenz unserer Kanzlerin. Sie genießt einen sehr guten Ruf in der Bevölkerung, und ihr Wort hat internationales Gewicht. Ich setze auf die Urteilskraft der Bürger des Kreises Pinneberg und glaube, dass die Chancen gut sind, dass ich es schaffe.
Hat Schulz noch eine Chance zu gewinnen?
Rossmann: Ja, diese Wahl ist offen bis zum Ende. Ein gemeinsames Ziel sollte es vor allen Dingen auch sein, dass die AfD nicht in den Bundestag kommt.
Sie gehören ja beide nicht mehr zu den Jungen Wilden. Wäre es für Sie die letzte Wahlperiode im Bundestag?
Abercron: Das müssen die Wähler und der liebe Gott entscheiden. Da will ich mich vorher noch nicht festlegen. Wir vertreten beide, in Bezug auf das Alter, auch eine große und wichtige Wählergruppe. Ob ich 2021 noch mal antrete, hängt vor allem davon ab, ob ich am 24. September gewinne. Darauf werde ich mich jetzt konzentrieren.
Rossmann: Wer Rossmann will, muss auch Rossmann wählen. Ich werde zur Mitte der Wahlperiode entscheiden, was weiter passiert.
Abercron: Ich bin ja erst am Anfang meiner neuen Aufgabe und will jetzt noch nicht über das Ende meiner politischen Arbeit nachdenken.
Was ist das Thema, das die Wähler am meisten berührt?
Abercron: Das sind die Zuwanderung, die Wohnungsknappheit und die Verkehrsbelastung.
Rossmann: Das ist die soziale Gerechtigkeit, die die Menschen bewegt, die Frage, wie hoch die Rente sein wird und ob sie sich die Wohnung leisten können. Auch die ungleiche Einkommensverteilung spielt eine Rolle. Und natürlich im Kreis Pinneberg die Infrastruktur in der Region und dass wir die Straßen nicht verstopfen, sondern das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs verbessern und aufpassen, dass es noch grün bleibt.
Erste Kandidatur
Welche Koalition wäre Ihnen am liebsten?
Rossmann: Eine Koalition des Fortschritts mit Martin Schulz als Kanzler. Wohlstand, Gerechtigkeit und Frieden sind da wichtiger als die Farbenlehre.
Abercron: Eine Koalition mit der FDP – unter Führung der CDU, versteht sich.
Ist Jamaika auf Bundesebene eine Option?
Abercron: Das kann ich mir schlecht vorstellen. Da ist die Zeit in Schleswig-Holstein bislang zu kurz, um zu zeigen, ob das funktioniert. Da sollten wir auf Bundesebene so eine Probe vermeiden.
Rossmann: Schwarz-Gelb ist nicht gut fürs Land, wie sich von 2009 bis 2013 gezeigt hat.
Was wird wahlentscheidend sein?
Rossmann: Wir müssen die junge Wählerschaft ansprechen und die Unentschlossenen für uns gewinnen, für die es darauf ankommt, Bildung und Forschung zu stärken, die Einkommen zu verbessern, die Pflege und die Renten zu sichern und für soziale Gerechtigkeit zu sorgen.
Abercron: Das wird eine Frage der Glaubwürdigkeit sein. Wem der Wähler am meisten glaubt, die Wertgemeinschaft zu sichern, für Wohlstand und Frieden zu sorgen und die Wirtschaft zu fördern. Wem man das am ehesten zugetraut wird, der wird die Kanzlerin oder den Kanzler stellen.