Kreis Pinneberg. In den Rathäusern der Region haben die Mitarbeiter allerhand damit zu tun, die per Post eingegangenen Stimmzettel zu sortieren.

Rosafarbene Briefumschläge stapeln sich auf dem hellbraunen Tisch in der Raummitte. Etwas abseits steht eine Wahlurne, an der Wand sind zwei Wahlkabinen angebracht. Im Pinneberger Rathaus scheint alles scheint perfekt vorbereitet zu sein für die Bundestagswahl am Sonntag. Aber den Stimmzettel, der hier als Muster an einer Pinnwand ausgehängt ist, den haben viele Wähler bereits ausgefüllt und wieder zurück an die Wahldienststellen gesendet. Und das wiederum hat mit den rosafarbenen Briefumschlägen zu tun.

Es sind viele. 5807 allein aus Pinneberg sind bis Mittwoch im Rathaus eingegangen. Ein neuer Rekord. Die Kreisstadt folgt damit dem Kreis-, Landes- und Bundestrend. Im Moment sind im Pinneberger Rathaus unter anderem die Auszubildende Stefanie Eidson und Kathrin Goldau, Mitarbeiterin im Fachbereich Innerer Service und Ordnung, dabei, die eingeschickten Briefwahlscheine zu sortieren und in gelben Postkästen zu verstauen. Die Umschläge werden zu je 20 Stück gebündelt, das macht die Sache übersichtlicher. Es ist trotzdem viel Arbeit.

Zahl der Wahlberechtigten ist nochmals gestiegen

Und es sind noch weitere Briefe zu erwarten. In Pinneberg seien 6360 Sätze Briefwahlunterlagen ausgegeben worden, sagt Fachbereichsleiter Klaus-Peter Günther. Allein das entspräche schon einer Wahlbeteiligung von 20,3 Prozent.

Auch kreisweit hat durchschnittlich jeder fünfte Wahlberechtigte bereits per Briefwahl abgestimmt. Das sind doppelt so viele wie vor vier Jahren. Die Zahl der Wahlberechtigten hat sich unterdessen seit 2003 von der damaligen Höchstzahl – 238.529 Männer und Frauen ab 18 Jahre mit deutscher Staatsangehörigkeit – nochmals um 2551 Wahlberechtigte erhöht.

Die Zahlen aus den einzelnen Städten weichen dabei nur marginal voneinander ab. In Quickborn haben bereits 3043 (18,5 Prozent) der Wahlberechtigten gewählt, sagt Thomas Glindemann. In den mitverwalteten Gemeinden Bönningstedt und Hasloh sind es sogar 22 und 21 Prozent. In Elmshorn liegt der Anteil der Briefwähler schon bei 17 und in Uetersen bei 16 Prozent. „Mit diesem Run haben wir nicht gerechnet“, sagt Victor Delva aus Uetersen. „Wir mussten schon die Wahlvordrucke nachbestellen.“ Elmshorns Sachgebietsleiterin Sybille Lamke sieht in diesem Briefwahl-Boom das Bedürfnis der Wähler, „die Wahl schon vor dem Sonntag erledigt zu haben“. Auf jeden Fall dürfte es die Wahlbeteiligung, die 2013 im Kreis Pinneberg bei 76 Prozent lag, wieder über die 80-Prozent-Marke treiben.

Die Direktkandidaten im Wahlkreis 7

Michael von Abercron (64), promovierter Agrarwirt aus Elmshorn, tritt in die Fußstapfen von Ole Schröder, der mit 46 Jahren nach 15 Jahren Bundestag für die CDU nicht wieder antreten wollte. Von Abercron setzte sich mit acht Stimmen Vorsprung nach einer langen parteiinternen Ausscheidungsrunde knapp gegen Dagmar Steiner aus Hasloh durch. Er will und muss den Wahlkreis direkt gewinnen. Platz 11 auf der CDU-Landeliste dürfte für von Abercron nicht ausreichen. 2013 gewann Schröder mit 80.483 Erststimmen (45,4 Prozent).

Ernst Dieter Rossmann aus Elmshorn, promovierter Psychologe, mit 66 Jahre auch der älteste der sechs, strebt seine sechste Wahlperiode seit 1998 an, die nicht unbedingt seine letzte sein soll, wie er sagt. „Ich werde zur Mitte der Wahlperiode entscheiden, was weiter passiert“, sagt Rossmann, der mit Landeslistenplatz 4 ohnehin Chancen auf den Wiedereinzug in den Bundestag hat, wo er zurzeit dem SPD-Fraktionsvorstand angehört und Sprecher der SPD-Landesgruppe ist. Sein Ergebnis 2013: 64.006 Stimmen (36,1 Prozent).

Bernd Möbius (58), erwerbsloser Diplommathematiker und Ratsherr aus Uetersen, ist bei den Grünen für Valerie Wilms (63) eingesprungen, die ihre Kandidatur zurückzog, nachdem sie keinen aussichtsreichen Listenplatz bekommen hatte. Ohne einen Listenplatz habe er „keine Chance, in den Bundestag zu kommen“, wie er selbst sagt. „Da bin ich realistisch.“ Aber er kämpfe dafür, dass die Grünen erneut drittstärkste Kraft im Bundestag würden, was aber auch Linke und FDP vorhaben. Wilms holte 2013 11.324 Stimmen (6,4 Prozent).

Cornelia Möhring (57) wohnt als einzige Kandidatin außerhalb des Kreises, nämlich in Lütjenmoor (Kreis Plön). Als Spitzenkandidatin der Linke in Schleswig-Holstein wird sie wohl nach 2009 zum dritten Mal in den Bundestag gewählt werden. Sie hofft auf ein zweites Mandat aus Schleswig-Holstein für die Linke, was nach dem aktuellen Mandatsrechner nach der jüngsten Forsa-Umfrage bei bundesweit 70 Überhang- und Ausgleichsmandaten realistisch ist. Ihr Ergebnis 2013: 6985 Erststimmen (3,9 Prozent).

Olaf Klampe (62), Privatier aus Pinneberg, gelernter Gas- und Wasserinstallateur, ist gefühlt immer mit von der Partie, wenn es irgendwas zu wählen gibt. Er gehört dem FDP-Ortsvorstand Pinneberg und dem Kreisvorstand an, ist Ratsherr in Pinneberg und kandidiert nun zum dritten Mal für den Bundestag. 3303 Stimmen (1,9 Prozent) holte Klampe zuletzt. Auf seiner Internetseite schreibt er, der Wahlkampf sei „vorbei“, und bedankt sich fürs Ergebnis. Denn Klampe war auch Direktkandidat bei der Landtagswahl.

Joachim Rudi Schneider (44), Angestellter aus Elmshorn, hat als AfD-Direktkandidat neben Ernst-Dieter Rossmann, Cornelia Möhring (beide über Landesliste) und Michael von Abercron (direkt) mit Listenplatz 4 die größten Chancen, in den Bundestag gewählt zu werden. Dafür müsste die AfD aber bundesweit mindestens 15 Prozent der Zweitstimmen erreichen. Nach der Mandatsrechner-Forsa-Umfrage wäre er der zweite Nachrücker seiner Partei. Die AfD holte 2013 6766 Erststimmen (3,8 Prozent)

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Wem auch immer all die Briefwähler ihre Stimme gegeben haben – sie haben ihr Kreuz in jedem Fall bei den mit 58,5 Jahren statistisch gesehen ältesten Direktkandidaten in ganz Schleswig-Holstein gemacht. Das geht aus einer Erhebung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft hervor. Die Pinneberger sind damit fast zwölf Jahre älter als der Durchschnitt aller 4828 Bundestagskandidaten, gut zehn Jahre älter als die damals acht Kandidaten vor vier Jahren und knapp 20 Jahre älter als die Kandidaten im Wahlkreis Kiel. Bundesweit „ältester“ Wahlkreis ist der in Offenburg, in dem auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) antritt: 60,8 Jahre.

Die realistischsten Chancen aufs Direktmandat haben im Kreis Pinneberg auch zwei Oldies: der Abgeordnete Ernst Dieter Rossmann (66, SPD) und sein Herausforderer Michael von Abercron (64, CDU). Wer das Rennen macht? Seit 1953 gewann immer derjenige CDU- oder SPD-Direktkandidat, dessen Partei dann auch den oder die Kanzlerin stellte.