Sparrieshoop. Wildtierzentrum muss immer wieder einspringen, wenn die Giftschlange zu Hause nervt. Feuerwehrleute bekommen Weiterbildung.
Krallenäffchen aus Südamerika, Weichschildkröten aus Florida, Würgeschlangen aus Afrika, Kornnattern, Stinktiere und Waschbären aus Nordamerika, Marderhunde aus Russland – immer mehr exotische Tiere und Reptilien landen im Wildtier- und Artenschutzzentrum in Sparrieshoop. 50 von 200 aufgenommenen Tieren waren es im vergangenen Jahr, die meist ausgesetzt oder beschlagnahmt wurden, sagt Leiter Christian Erdmann. Tendenz steigend. „Wir laufen voll.“
Bartagame der liebste Exot
Die australische Echse Bartagame sei dabei zurzeit unter den „Tierliebhabern“ im Norden „der liebste Exot“, sagt Erdmann. Er fordert: „Das müsste verboten werden.“ Die meisten dieser exotischen Tiere würden nicht artgerecht gehalten, die Halter seien oft schnell überfordert wie jenes junge Pärchen aus Elmshorn, das sich am Morgen eine regenwurmgroße Kornnatter im Tierhandel kaufte, um sie am Nachmittag in Sparrieshoop wieder abgeben zu wollen – weil das Tier plötzlich „so aggressiv“ war und die junge Frau Angst davor bekam.
Es fehlten gesetzliche Auflagen, die so etwas verhindern könnten. Und auch Feuerwehren und Polizei wüssten oft nicht, was sie tun sollten, wenn sie solche Tiere im Sperrmüll finden. Wie vorige Woche in Quickborn, wo nach einer Wohnungsräumung der Mieter einfach sein Terrarium voll mit handtellergroßen Fauchschaben aus Madagaskar auf dem Bürgersteig stehen ließ. „Die haben wir dann mithilfe des Umweltschutztrupps des Kreises Pinneberg nach Sparrieshoop bringen lassen“, sagt Polizeichef Götz Nowobilski. „Die Tiere sind zwar nicht geschützt, dürfen aber auch nicht ausgesetzt werden.“ Gegen den Betroffenen sei ein Bußgeldverfahren eingeleitet worden.
Um die Feuerwehren besser auf solche Einsätze vorzubereiten, hat Erdmann einige Wehrkräfte aus Elmshorn darin ausgebildet, eine Schlange einzufangen. Demnächst wolle er die Kameraden aus Sparrieshoop dazu einladen, kündigt er an. „Wir arbeiten sehr gut mit der Tierauffangstation in Sparrieshoop zusammen“, sagt Elmshorns stellvertretender Wehrführer Sven Stade dazu. Es sei sicher gut, dass die Kollegen im Umgang mit wilden Tieren besser geschult werden. „Aber unser tägliches Geschäft ist das nicht. Wir sind keine Schlangenfänger.“
Das bestätigt auch Dennis Renk von der Kreisfeuerwehr. Wenn eine Giftschlange aus einem Terrarium ausgebüxt sein sollte, würden sich die Wehrkräfte als erstes Sachverständige wie Erdmann zu Rate holen. „Da gehen wir lieber auf Nummer sicher. Wir gehen da nur rein, wenn Menschenleben gefährdet ist. Ansonsten wird die Tür zugehalten und die Umgebung geschützt.“
Die Gesetzeslage lässt offenbar sehr viel Spielraum für das Halten exotischer Tiere. Das Washingtoner Artenschutzabkommen schützt vor allem bedrohte Tierarten wie Elefanten, Rhinos, Meeresschildkröten, Warane, Krokodile und bestimmte Affenarten. Insgesamt sollen es 29.910 Pflanzen- und 5.659 Tierarten sein. Doch für die Einfuhrgenehmigung ist das Bundesamt für Naturschutz zuständig, das 2014 genau 7619 und 2013 genau 7899 solcher Genehmigungen ausgestellt hat. „Das Umweltministerium und seine nachgeordneten Dienststellen werden bei der Einfuhrgenehmigung nicht beteiligt“, sagt die Kieler Ministeriumssprecherin Jana Ohlhoff. Und: „Weitere Exoten, die nicht besonders geschützt sind, benötigen überhaupt keine naturschutzrechtlichen Genehmigungen.“
Keine Zuschüsse
So können Reptilien, Spinnen und andere exotische Tiere oft einfach im nächsten Tierhandelsgeschäft oder im Internet bestellt und gekauft werden. Die würden dann per Post verschickt und als Tierfutter deklariert, erklärt Erdmann. „Weiß doch keiner, dass da eine Vogelspinne drin ist.“ Ganz schlimm seien auch die Reptilienbörsen, die regelmäßig in Elmshorns Nachbarort Horst abgehalten würden. „Da kriegt man dann eine Bartagame für zehn Euro“, sagt Erdmann. Doch wenn die Behandlung des oft kranken Tieres dann 170 Euro koste, werde es einfach draußen wieder ausgesetzt. „Diese Börsen müssten sofort verboten werden“, meint Erdmann.
Er hat schon die verrücktesten Tierhaltungen erlebt. Einer hatte einen 1,50 Meter großen Kaiman in seiner Badewanne gehalten. Ein 35 Kilogramm schwerer, riesiger Waran wurde in Niedersachsen von der Polizei beschlagnahmt. Hinterher nahm sich der offenbar psychisch kranke Mann das Leben. Die Menschen, die solche exotische Tiere in ihrem Wohnzimmer hielten, seien oft krank, labil, ungebildet und „asozial“, hat Erdmann festgestellt. „Sie finden die exotischen Tiere einfach cool und wissen oft gar nicht, was sie dem armen Lebewesen damit antun.“
Er versuche, die Tiere an Zoos zu vermitteln oder Schildkröten an Privatleute abzugeben. Doch viele Tiere wird er nicht wieder los und hält sie seit Monaten und Jahren. Und das, obwohl die Ordnungsämter nur für einen Monat den Unterhalt für aufgefundene Exoten bezahlen.