Kreis Pinneberg. Siedlungsdruck führt dazu, dass jedes Jahr 56 Hektar Land versiegelt werden. Regionalplaner mahnt achtsamen Umgang mit Boden an.
Jeden Tag verschwinden rein rechnerisch 1530 Quadratmeter Grünfläche im Kreis Pinneberg, weil sie zu Bauland oder Verkehrsflächen werden. Dies entspricht etwa zwei Fußballfeldern an neu versiegelter Fläche pro Woche. Der am dichtesten besiedelte und bevölkerungsreichste Kreis im Land ist mit 21,5 Prozent Verkehrs- und Siedlungsfläche bei einer Gesamtfläche von 66.425 Hektar auch der mit Abstand am stärksten bebaute Kreis im Hamburger Umland. „Ja, da ragt der Kreis Pinneberg heraus“, sagt Tobias Kuckuck, Geograf und Regionalplaner in der Kreisverwaltung. Zum Vergleich: Landesweit ist Schleswig-Holstein zu 12,9 Prozent bebaut und besiedelt, Hamburg zu fast 60 Prozent, ganz Deutschland zu 13,7 Prozent.
Kreis Pinneberg ist weit von Vorgaben des Bundes entfernt
Auch wenn sich die Entwicklung der Flächenversiegelung in den letzten Jahren im Kreis etwas entspannt hat – im Jahr 2007 wurden hier sogar mehr als 200 Hektar Land in Siedlungs- und Verkehrsflächen umgewandelt –, nimmt der Druck zu. „Die Bevölkerungszahlen sind rasant am Steigen“, sagt Kuckuck, und zwar auf mittlerweile mehr als 307.000 Menschen (siehe Infokasten).
Dieses Wachstum birgt die Gefahr, dass immer mehr Grünflächen im Kreisgebiet verschwinden. Und zwar für immer. „Was jetzt in einer Stadt an Grünflächen für Wohnungs- und Straßenbau überplant wird, ist ein für alle Mal weg“, warnte jüngst auf der Pinneberger Baumschulmesse Florum der Experte Professor Dirk Dujesiefken vom Hamburger Institut für Baumpflege. Da gelte es, für den Erhalt der Umwelt dieser „Salami-Taktik, jeden Tag geht ein Stück Grünfläche verloren“, endlich Einhalt zu gebieten. Dafür plädiert auch Uwe Langrock. „Irgendwie geht ja so unsere schöne Natur verloren“, warnt der Pinneberger Nabu-Beauftragte. „Wenn immer mehr Leute mit Autos hierher kommen, brauchen die Wohnraum und Straßen.“
Dabei seien es zumeist Menschen, die aus der Stadt Hamburg in die Natur umziehen wollten, so das Paradox. Um das umweltbewusster zu steuern, sollten die Auflagen für Baugebiete strenger ausgelegt werden, indem die Bauherren dazu verpflichtet werden, die Dächer zu begrünen, Photovoltaikanlagen für die grüne Stromerzeugung zu errichten und die Parkplätze nicht komplett zu versiegeln, fordert Langrock. Denn gerade die Asphaltflächen heizten sich im Sommer enorm auf und würden so zu einer Art „Schornstein-Effekt“ führen, die gesamte Umgebung erwärmen und bei schweren Unwetterlagen das Abfließen der Regenmengen vielerorts erheblich erschweren.
Der Nabu gehe da vorbildlich voran, indem er inzwischen 45 Hektar Land in Pinneberg und Appen, zumeist Ausgleichsflächen, landwirtschaftlich mit Robustrindern bewirtschaften lässt, so Uwe Langrock.
Trotz des gesunkenen Flächenverbrauchs in den vergangenen zehn Jahren ist der Kreis Pinneberg noch weit entfernt, die Vorgaben des Bundes zu erfüllen, mahnt Regionalplaner Kuckuck. So müsste der Kreis den Anstieg seiner Siedlungs- und Verkehrsflächen bis 2020 nochmals auf 30 Hektar Zuwachs halbieren. Eine Vorgabe, die angesichts des Bevölkerungswachstums schwer durchzusetzen sein dürfte, sind sich der Regionalplaner Kuckuck und der Nabu-Vorsitzende Langrock einig. „Alle Gemeinden weisen neue Baugebiete aus, und die Grundstücke sind immer schnell vergeben.“
Darum appelliert Regionalplaner Kuckuck an die Stadtväter und -mütter in den Kommunen, mit Bedacht und Vorsicht neue Flächen für Wohnungen und Gewerbebetriebe auszuweisen. „Unser Grund und Boden ist nur eine endliche Ressource.“ Der Kreis könne da zwar nicht direkt eingreifen. „Das kann nur die Landesplanung. Wir können nur auf die Problemlagen hinweisen. Aber unser aller Ziel sollte es sein, die Zersiedelung und den Flächenverbrauch so gering wie möglich zu halten.“
Allerdings erhofft sich Kuckuck von einem neuen Serviceangebot, das gerade in Kooperation mit dem Hamburger Verkehrsverbund in Arbeit ist, einen positiven Effekt. So soll der Bürger, der sich mit einem Umzug in den Kreis Pinneberg beschäftigt, ein einfaches Hilfsmittel an die Hand bekommen, mit dem er die dafür nötigen Kosten besser miteinander vergleichen könne. „Darin sind nicht nur die Ausgaben für Miete und Grundstücke enthalten, sondern auch die für die Fahrten zur Arbeit und Schule.“
307.471 Einwohner
Bundesweit hat sich nach Angaben des Statistischen Bundesamtes seit 1992 die Siedlungs- und Verkehrsfläche von 40.305 auf 49.066 Hektar ausgedehnt. Dies entspricht einem Anstieg von 8761 Quadratkilometern oder fast 22 Prozent. Rechnerisch entspricht das einem Zuwachs an versiegelter Fläche von etwas mehr als einem Quadratkilometer jeden Tag.