Kreis Pinneberg. Deutlich mehr Zulassungen von Selbstzündern in 2017. Autohändler sprechen von Verunsicherung, spüren jedoch keine Kaufzurückhaltung.

Diesel-Krise? Nicht im Kreis Pinneberg. Hier wurden im ersten Halbjahr 2017 insgesamt 13.892 Fahrzeuge zugelassen – davon 6256 mit Diesel-Antrieb, was einem Anteil von 45 Prozent entspricht. Zum Vergleich: in den ersten sechs Monaten 2016 verzeichnete das Straßenverkehrsamt 10.084 Neuzulassungen – davon 3972 Diesel-Pkw (39,4 Prozent).

„Wir steuern in diesem Jahr auf einen neuen Zulassungsrekord im Kreis Pinneberg zu. Von einer Diesel-Krise können wir nicht sprechen“, sagt Uwe Mohrdiek, Leiter des Fachdienstes Straßenverkehr. Das zeige auch der Monat Juli, in dem 889 Fahrzeuge mit Selbstzünder neue Besitzer fanden.

Diesel ist für Firmen offenbar weiterhin unverzichtbar

Gerade im gewerblichen Bereich seien dieselbetriebene Fahrzeuge offenbar unverzichtbar. Mohrdiek: „Dieselkraftstoff ist günstiger als Benzin und die Wagen mit Dieselmotoren verbrauchen deutlich weniger Sprit. Damit sind sie bei hohen Laufleistungen einfach viel wirtschaftlicher.“

Uwe Mohrdiek, Chef des Fachdienstes Straßenverkehr, und Ute Schröder, Produktverantwortliche Kfz-Zulassung, zeigen die neuen Plaketten
Uwe Mohrdiek, Chef des Fachdienstes Straßenverkehr, und Ute Schröder, Produktverantwortliche Kfz-Zulassung, zeigen die neuen Plaketten © Arne Kolarczyk

Eine Ablösung des Dieselantriebs durch Elektroautos ist laut dem Chef des Fachdienstes Straßenverkehr noch lange nicht in Sicht. „Der Anreiz, auf eine E-Mobilität zu setzen, ist aktuell einfach nicht gegeben“, sagt Mohrdiek. Das gelte sowohl im privaten als auch im gewerblichen Bereich, wo viele Kilometer gefahren werden. Laut Mohrdiek sind die Reichweiten häufig nicht ausreichend und die Laufleistung der Akkus sei ein Unsicherheitsfaktor.

Und so bleibt der Diesel trotz der Debatte über drohende Fahrverbote, der Negativschlagzeilen über eingesetzte Schummelsoftware und der Einführung von Abwrackprämien für alte Fahrzeuge der Euronormen 1 bis 4 weiterhin für Käufer attraktiv. Und auch die Händler, das zeigt eine Abendblatt-Umfrage, machen mit Selbstzünder-Autos immer noch sehr gute Geschäfte. Darüber reden wollen aber inzwischen längst nicht alle.

Beim Autohof Reimers in Rellingen, der die Marken VW, Audi und Skoda führt, wurde eine schriftliche Anfrage verlangt, die jedoch nicht beantwortet. Beim Autohaus Elmshorn, das ebenfalls die Marken des VW-Konzerns führt, war die Geschäftsführung telefonisch nie erreichbar, versprochene Rückrufe blieben aus. Und bei Opel Kröger mit Standorten in Schenefeld und Elmshorn hieß es lapidar, für eine solche Anfrage habe man „keine Zeit.“

Ben Pape, Henning fuchs, Ingo Worm
Ben Pape, Henning fuchs, Ingo Worm © HA | Arne Kolarczyk

Die Zeit genommen hat sich Oliver Landreh, Filialleiter des BMW-Autohauses May & Olde in Rellingen. „Wir bemerken schon eine gewisse Skepsis, was Diesel-Pkw angeht“, sagt er. Während im privaten Bereich eine Kaufzurückhaltung spürbar sei, habe sich im gewerblichen Bereich nichts geändert. „BMW hat keine Schummelsoftware eingesetzt. Und wir bieten seit längerer Zeit nur Neuwagen mit der Euro 6-Norm an, für die es keine Fahrverbote geben wird“, so Landreh weiter.

Bei den Gebrauchtwagen seien die Auswirkungen stärker spürbar. Der Filialleiter spricht von sinkenden Restwerten. Dennoch habe May & Olde bei Gebrauchtwagen nach wie vor eine Standzeit von nur 60 Tagen. Landreh: „Wir setzen hier auf ein konsequentes Preismanagement.“

Auch der Pinneberger Renault-Autohändler Ben Pape betont, dass „unsere Marke nichts mit der Schummelsoftware zu tun hat“. Einen Rückgang beim Verkauf von Diesel-Pkw habe er nicht feststellen können. „Im Gegenteil“, sagt Pape. Es würden zwar viele Kunden nachfragen, jedoch ließen sich diese nach wie vor vom Kauf überzeugen. Dazu trage bei, dass alle Renaults die Euro 6-Norm erfüllen.

Abwrackprämie

Abwrackprämien gibt es für ältere Diesel-Modelle der Euro-Normen 1 bis 4. Sie werden von den jeweiligen Herstellern angeboten und richten sich in der Regel nach der Kaufsumme des Neuwagens, der erworben werden soll.

Einige Hersteller koppeln eine derartige Prämie an die Bedingung, dass ein Elektroauto gekauft werden muss. Dafür gibt es weitere Zuschüsse durch den Staat. Andere Hersteller gewähren hohe Rabatte auf den Listenpreis, sodass sich eine derartige Prämie kaum lohnt.

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Laut Pape gibt es gar Modelle wie den erst im Juni eingeführten SUV Koleos, für die keine Benzinmotoren verfügbar sind. „Die Nachfrage nach diesem Fahrzeug ist sehr gut“, bilanziert der Händler. Renault biete Abwrackprämien für alte Diesel an, die bei 1750 Euro für den Twingo beginnen und bei 7000 Euro für den Espace enden. Pape: „Wir haben schon zwei Autos über dieses Instrument verkauft.“

Thomas Ständer, Verkaufsberater beim Nissan Autohaus C. Thomsen in Halstenbek, sagt: „Ich schreibe den Diesel für mindestens die nächsten 15 Jahre nicht ab.“ Gerade für Firmen oder Selbstständige, die viel unterwegs sind, sei ein dieselbetriebener Pkw einfach wirtschaftlicher. „Ab einer jährlichen Laufleistung von 25.000 Kilometern macht das einfach Sinn. Es ist aber schon so, dass die Kunden verunsichert sind. Wir erklären ihnen dann, dass es bei unseren Pkw keine Manipulationen gegeben hat.“ Laut Ständer werden die SUV-Verkaufsschlager von Nissan – die Modelle Qashqai und X-Trail – auch weiterhin fast ausschließlich in der Diesel-Variante verkauft.