Wedel. 2,8 Millionen Euro steckt die Landesregierung in die Erneuerung der Anlage. Maroder Beton wird mit 1300 Bar entfernt.

Das Knattern am Deich kommt von weit unten, es ist ein ohrenbetäubendes. Aus der Tiefe steigt ein Wölkchen auf, feinste Wassertropfen, und geht sofort als Sprühnebel über der Umgebung nieder. Am Wedeler Sperrwerk, quasi die Tür zwischen Elbe und Wedeler Au, wird gearbeitet. Und das im Wortsinn mit Hochdruck.

„Wir strahlen die Wände mit Wasser ab“, erklärt Dirk Brandenburg, Ingenieur in Diensten des Landesbetriebs für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz (LKN), den Radau. Denn das Wasser hat einen Druck von 1300 Bar. Ein Roboter lenkt den Strahl, der eine zerstörerische Wirkung für alles Menschliche hat. Selbst Beton weicht ihm mitunter. Genau das ist hier, etwa einen Kilometer westlich des Wedeler Stadtrands, auch beabsichtigt.

Das Sperrwerk, 1970 bis 1972 erstellt, wird zurzeit saniert. Die Baustelle ist ob ihrer Dimension schon aus weiter Ferne zu sehen. „Das ist unser zurzeit größtes Ingenieurprojekt an der Westküste“, sagt LKN-Ingenieur Brandenburg und beziffert das Volumen auf etwa 2,8 Millionen Euro. Bei einer Begutachtung, berichtet er, sei festgestellt worden, dass der Beton der Kammerwände – das sind die Wände beiderseits des Durchlasses zwischen Elbe und Au – in den oberen Lagen ein „gestörtes Gefüge“ hatte. Das heißt sinngemäß, dass er rissig und in sich verschoben war, dass es ihm an der Beton an sich eigenen Festigkeit fehlte. „Er muss während der Trocknungsphase erschüttert worden sein“, mutmaßt Brandenburg.

An dieser Stelle kommt der Hochdruckstrahlroboter ins Spiel. Die Intention: Was 1300 Bar nicht standhält, kann, muss weg. „Anschließend kommt eine Spritzbetonschale auf die Kammerwände“, sagt Brandenburg. Anfang bis Mitte Oktober, so sein Ziel, soll alles fertig sein.

Verlassener Hafen an der Wedeler Au

An der Wedeler Au bei Kilometer 1,0 auf der linken Seite im Flussknie liegt ein verlassener Hafen. Vor noch nicht allzu langer Zeit brachen von diesem Ort die Mitglieder des Motor-Boot-Clubs Schulau (MBCS) zu ihren Touren auf, pflegten ihre Schiffe, hielten das Gelände sauber. Doch das ist mittlerweile Geschichte. Die Skipper sind weg.

Die Geschichte des MBCS hatte mit seiner Gründung 1969 begonnen. Während des großen Deichbaus in den 70er-Jahren entstand der Hafen an der Wedeler Au. Das geschah wohl irgendwie im Einvernehmen mit der Stadt, eine offizielle Baugenehmigung gab es aber anscheinend nie.

2007 schaltete sich die Naturschutzbehörde des Kreises ein und forderte den Rückbau des Hafens. Er liegt am Rande eines sogenannten Flora-Fauna-Habitat-Gebiets. Ein Mediationsverfahren mit Kreis, Stadt und Verein scheiterte. Der Kreis ordnete die Räumung an. Der Verein berief sich auf Bestandsschutz, erhob Widerspruch, zog vors Verwaltungsgericht – und verlor.

Das Gelände verkommt inzwischen, weil Skipper Müll und Schrott zurückgelassen haben, sogar einige Boote rotten vor sich hin. Der Kreis wird nach den Worten des Verwaltungssprechers Oliver Carstens wahrscheinlich noch in diesem Jahr die Räumung des Grundstücks betreiben. Beim insolventen Verein dürfte kein Geld mehr zu holen sein.

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15 bis 20 Menschen arbeiten täglich auf der Baustelle am Deich. Bis sie mit der Sanierung der Betonwände selbst beginnen konnten, mussten sie umfangreiche Vorbereitungen treffen. Denn ein Sperrwerk trockenzulegen, und das war hier nötig, ist eine schwierige Angelegenheit. Schon im vergangenen Jahr sind die Kammerwände mit etlichen jeweils 40 Meter langen, in den Deich gebohrten Ankern gesichert worden. Denn nach Ablassen des Wassers wirkt nur noch Druck von außen auf die Wände ein. Sie könnten ohne Sicherung schlimmstenfalls einstürzen.

Zweite Herausforderung: Der Tideeinfluss der Elbe auf die Wedeler Au muss erhalten bleiben, obwohl das Sperrwerk vom Wasser abgeschottet ist. „Das Sperrwerk hat einen sehr hohen Stellenwert für den Naturschutz in der Au“, sagt Ingenieur Brandenburg. „Deshalb haben wir am Grund des Sperrwerks zwei Rohre verlegt, durch die weiterhin ein Austausch des Wassers aus Elbe und Wedeler Au gewährleistet ist.“

Die Tide könne also weiterhin rein und raus, „wenngleich in gedämpfter Form“. Dirk Brandenburgs Mitarbeiter Tino Dreßler, der die Arbeiten vor Ort beaufsichtigt, kann mit Schiebern an den Enden der Rohre Einfluss auf den Wasserstand in der Au nehmen – genau so, wie es auch mit einem Sperrwerk möglich ist.

Aktuelles Baurecht schreibt „Schiffbarkeit“ vor

Möglicherweise würde an dieser Stelle inzwischen auch ein Siel den Zweck der Wasserregulierung in der Wedeler Au erfüllen. Ein Siel ist im Grunde genommen nur ein Durchlass im Deich mit je einem Schieber auf jeder Seite. Dass die Entscheidung dennoch für die Sanierung des technisch wesentlich aufwendigeren Sperrwerks gefallen ist, hat etwas mit dem Baurecht zu tun. „An dieser Stelle ist ein Sperrwerk planfestgestellt worden“, sagt Dirk Brandenburg, „und es ist auch die Schiffbarkeit dieses Bauwerks planfestgestellt worden. Insofern müssen wir auch dafür sorgen, dass es schiffbar bleibt.“

Das Kuriose daran: Die Wedeler Au wird eigentlich nicht mehr von Booten befahren, seitdem der einst kurz hinter dem Sperrwerk beheimatete Motor-Boot-Club Schulau seine Aktivitäten hat einstellen müssen (siehe Kasten). Ein neues Planfeststellungsverfahren anzustrengen, das dann ein anders geartetes Sperrbauwerk zuließe, erschien dem Landesbetrieb aber aufgrund der wahrscheinlich langen Dauer als nicht verhältnismäßig. Außerdem finden Naturschützer die Sperrwerklösung besser.

Also knattert es am Deich von weit unten, ohrenbetäubend laut, steigen Wölkchen aus feinsten Wassertropfen auf und gehen als Sprühnebel auf die Umgebung nieder. Abgeschlossen ist die Sanierung des Sperrwerks im Herbst dieses Jahres allerdings noch nicht. Ingenieur Dirk Brandenburg: „Wir haben auch die Tore des Sperrwerks untersucht. Die müssen in den kommenden Jahren gemacht werden.“