Wedel. Zwei Monate nach dem Großbrand in Wedel hängen Mieter und Hausverwalter in der Luft. Aber der Standort soll wieder belebt werden.

Das Bild wirkt mittlerweile schon beinahe vertraut, es ist das Bild von eingestürzten Mauern, verkokelten Dachbalken, zerborstenem Fensterglas, einem Bauzaun ringsherum. Wedel, Rissener Straße 127. Von Diskothek, AsiaRestaurant, Spielhalle und einer Handvoll anderer Firmen sind nach einem Großfeuer in der Nacht zum Himmelfahrtstag (wir berichteten) nur Schutt, Schrott und Asche geblieben. Und Sven Lange (36), der gleich dem letzten Mohikaner ausharrt und seine Autovermietung auf dem Hof vor der Ruine weiterbetreibt.

Es ist ein Ort, an dem knapp zwei Monate nach dem Brand eigentlich keine Veränderung zu beobachten ist. Das empfinden zumindest die vielen Wedeler und Pendler so, die täglich an den Trümmern der Gewerbeimmobilie vorbeifahren. Das sieht auch Autovermieter Lange so. Und selbst André Ewert möchte da nicht widersprechen. Der Geschäftsführer der Immobilienfirma Ewert & Partner in Hamburg-Bahrenfeld ist der Hausverwalter.

Ewert räumt ein, dass er zurzeit ein wenig in der Luft hänge. „Wir haben noch nichts Konkretes in der Hand“, sagt er. Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft hätten das Gebäude erst vor Kurzem freigegeben. Die Beweissicherung vor Ort ist offenbar abgeschlossen, die Ermittlungen gehen nichtsdestotrotz weiter. Ein Ergebnis liegt noch nicht vor, wie Polizeisprecherin Silke Westphal auf Anfrage sagt: „Wir können zurzeit weder einen technischen Defekt als Ursache noch Brandstiftung ausschließen.“

Feuerwehrleute bekämpfen den Großbrand in Wedel
Feuerwehrleute bekämpfen den Großbrand in Wedel © dpa | Bodo Marks

Auch die Gutachten über den Zustand des Gebäudes liegen noch nicht vor. „Wir erwarten sie Ende August oder Anfang September“, sagt Hausverwalter Ewert. Erst dann werde sich zeigen, ob die 28 Jahre alte Immobilie saniert werden kann oder ein Totalschaden ist. Und erst dann werde er sich auch ausführlich zur Zukunft des Standortes äußern können. „Zurzeit besteht seitens des Eigentümers die Tendenz, das Gebäude wieder nutzbar zu machen“, sagt Ewert, „wir wollen diesen Standort auf jeden Fall wiederbeleben.“ Wer dieser Eigentümer ist, möchte er nicht verraten. Nach Abendblatt-Informationen soll es sich um eine Einzelperson aus Hamburg handeln, die das Haus erst im ersten Quartal dieses Jahres gekauft hat.

Ein besonders großes Interesse an der Zukunft des Hauses haben die bisherigen Mieter: Können sie irgendwann wieder einziehen? Oder lohnt es sich, gleich dauerhaft einen neuen Standort zu suchen?

Auch Autovermieter Sven Lange stellt sich diese Frage. „Ich möchte gern bleiben“, sagt er. Und er darf es vorerst – bis sich abzeichnet, wie es weitergeht. Lange hat seinen Betrieb notgedrungen gedrittelt: Autos vermietet er aus einem Bus heraus, den ihm die Firma Hertz auf den Hof gestellt hat. Seine Autoglaserei hat in den Räumen der Autolackiererei Wilde & Peper am Kronskamp Unterschlupf gefunden; beide Firmen haben schon früher kooperiert. Und Langes drittes Standbein, ein Service für Autoaufbereitung, hat seinen Platz vorläufig beim Toyota-Autohaus Rosenbaum am Tinsdaler Weg gefunden.

Sven Lange konnte seine Geschäftsunterlagen retten

Zurzeit fährt der Chef ständig zwischen den drei Standorten hin und her. Sein Versuch, auf die andere Straßenseite auf das ehemalige Possehl-Gelände zu ziehen, sei an der ablehnenden Haltung des Eigentümers May und Co. gescheitert, der dort einen Obi-Baumarkt bauen möchte (wir berichteten).

Immerhin: Nachdem Polizei und Staatsanwaltschaft das Gebäude freigegeben hatten, durften die Mieter in ihre Geschäftsräume zurückkehren, um zu retten, was zu retten ist. „Unsere Räume sind durchnässt aber meiner Einschätzung nach durchaus reparabel“, beschreibt Sven Lange, was er gesehen hat. „Und alles riecht nach Rauch.“ Alle wichtigen Geschäftsunterlagen habe er retten können. Auch Teile seines Werkzeugs kann er weiterhin nutzen, für alle unbrauchbaren Gegenstände sei er von der Versicherung in vollem Umfang entschädigt worden.

180 Feuerwehrleute löschen

Passanten entdecken die Flammen in dem etwa 2000 Quadratmeter großen Gewerbekomplex an der Rissener Straße in Wedel am 25. Mai gegen 3 Uhr am Morgen.

Die Feuerwehr bekämpft den Brand mit in der Spitze bis zu 180 Löschkräften. Damit genug Wasser zur Verfügung steht, muss eine anderthalb Kilometer lange doppelte Leitung zu einem leistungsstarken Hydranten an der Ecke Industriestraße/Feldstraße gelegt werden.

Im Gebäude halte sich niemand auf, heißt es zunächst. Ein Trugschluss: Zwei vietnamesische Köche verstecken sich im Toilettenbereich und überleben. Einer gesteht danach, er halte sich in Deutschland illegal auf.

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Nun also harrt er der Dinge, die da kommen mögen. Sven Lange ist sich im Klaren darüber, dass er auch die mobile Mietstation und die Mietfahrzeuge vor der Ruine wird entfernen müssen, wenn eines Tages die Bagger in der Rissener Straße 127 anrollen. Wann das allerdings so weit sein wird, weiß auch Hausverwalter André Ewert noch nicht. Sicher ist für ihn nur: Weder eine aufwendige Sanierung noch ein eventueller Neubau würden von heute auf morgen zu realisieren sein. „Vor Mitte oder Ende des Jahres 2018 wird nichts Neues stehen. Vielleicht wird es auch bis Mitte 2019 dauern.“ Also bleibt der Anblick des Vertrauten erst mal.