Kreis Pinneberg. Organisierte Banden, aber auch Einzeltäter klauen auch in Geschäften im Kreis Pinneberg alles, was nicht niet- und nagelfest ist.
Sie schnappen sich Klamottenstapel am Eingang und rennen einfach los. Sie kleiden Papiertüten mit Alufolie aus, um den Rahmendetektor am Eingang auszutricksen. Oder sie packen die Ware ganz frech in ihren Kinderwagen. Jana Glindmeyer, Prokuristin im familiengeführten Modehaus Glindmeyer in Pinneberg, kennt die Tricks der Diebe. Mehr als zwei Milliarden Euro jährlich verliert der Einzelhandel in Deutschland durch Diebstahl. Immer mehr Diebe sind in professionellen Banden organisiert.
Der wirtschaftliche Schaden im Kreis Pinneberg ist statistisch nicht aufgeführt, aber Ladendiebe sind auch hier ein stetiges Problem. Jahr für Jahr werden mehr als 830 Ladendiebstähle von der Polizeistatistik erfasst.
„Der bandenmäßige Diebstahl hat in den letzten Jahren zugenommen“, sagt Glindmeyer. Hilflos steht sie dem aber nicht gegenüber. „Mithilfe unserer Videoüberwachung konnten wir den einen oder anderen Dieb schon überführen.“ Allerdings sind die Strafen so gering, dass die Diebe das Risiko ohne Bedenken eingehen. Oft werden Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt. „Da müsste der Staat nachbessern, um Diebe abzuschrecken“, sagt Glindmeyer.
Pinneberger Händler setzen auf Sicherheitsfirma
Ihre Waren seien sichtbar und unsichtbar gesichert. Bester Schutz sei aber die Vernetzung mit anderen Händlern in Pinneberg. „Sobald wieder Banden unterwegs sind, informieren wir uns gegenseitig.“ Das funktioniere sehr gut. Zudem arbeite der Handel mit einer Sicherheitsfirma zusammen.
Kommt den Verkäuferinnen jemand verdächtig vor, informieren sie vorsorglich die Firma Sicherheits-Concept in Pinneberg. Die wurde vor mittlerweile 18 Jahren aufgrund einer Händlerinitiative unter Vertrag genommen. „Damals gab es am Lindenplatz eine Trinker- und Drogenszene, die Kunden belästigte“, erinnert sich Geschäftsführer Thomas Benk.
Die hat sich längst aufgelöst, der Vertrag zwischen etwa 30 Pinneberger Händlern und der Security besteht aber fort. Insbesondere Banden aus Osteuropa klauen, was nicht niet- und nagelfest ist, und gehen dabei professionell vor. „In 90 Prozent der Fälle, in denen wir hinzugerufen werden, ziehen sie sich erfolglos wieder zurück“, sagt Benk, der auch Fachmann für Einbruchsschutz ist – das zweite Standbein seiner Firma. Seine Mitarbeiter verfolgen auch Diebe und halten sie fest, wenn sie gestellt werden.
„Besonders betroffen sind Drogeriemärkte und Parfümerien“, sagt Benk. Laut einem TV-Beitrag von „Markt“ (vom 12. Juli auf WDR) gehen georgische Banden dabei extrem dreist und aggressiv vor. Die Beute verkaufen sie danach unbehelligt auch auf deutschen Flohmärkten.
So trickreich gehen Diebe vor
Von derartigen Fällen ist die inhabergeführte Parfümerie Schuback in Pinneberg bislang verschont geblieben. „Aber es kommt vor, dass Diebe zu zweit kommen und einer versucht, uns dann abzulenken“, sagt Teamleiterin Jessica Nachwey. Das gelingt immer seltener, denn mittlerweile kennt sie die Masche und informiert den Security-Dienst zur Verstärkung.
In einigen Fällen rufen die Sicherheitsprofis auch die Polizei zur Hilfe. So wurden kürzlich zwei 13-jährige Jugendliche, die in der Vergangenheit bereits verhaltensauffällig waren, im Homann, einem familiengeführten Taschengeschäft in der Pinneberger City, beim Klauen von Gürteltaschen erwischt.
„Sie traten aggressiv auf und verweigerten die Angaben zu ihrer Person“, sagt Rosemarie Wulf, die seit 30 Jahren im Verkauf arbeitet. Das seien aber Ausnahmefälle, der Schwund durch Diebstahl belaufe sich auf lediglich ein Prozent. Dank des Sicherheitsdienstes habe sich das Problem mit dem „Klautourismus“ beruhigt. Zudem seien sie immer zu zweit im Laden, der sehr übersichtlich gestaltet ist.
Gestohlen werden Cent-Artikel bis hochpreisige Produkte
Auch das Futterhaus mit Firmensitz in Elmshorn ist von Ladendiebstählen betroffen, die sowohl von Kunden als auch von Mitarbeitern begangen werden. „Die Diebstähle werden in allen Gesellschaftsschichten und Altersklassen begangen, vermehrt auch von organisierten Banden“, sagt Unternehmenssprecherin Nadine Giese-Schulz. Ein Fall blieb ihr besonders in Erinnerung. „Bei dem wurden neben Waren auch Tiere aus unseren gesicherten Verkaufsanlagen entwendet.“ Diebstähle ziehen sich durch das gesamte Sortiment. „Das fängt bei Artikeln im Cent-Bereich an und endet bei hochpreisigen Produkten.“
Schulungen für Mitarbeiter würden unter anderem in der eigenen Akademie durchgeführt, aber auch vor Ort in den jeweiligen Märkten durch die Revision. Außerdem achtet das Unternehmen auf eine klare und für Mitarbeiter gut einsehbare Marktgestaltung.
Diebesbanden verkaufen teure Markenkleidung weiter
Detektive kämen zum Einsatz, genauso wie alle anderen im stationären Handel gängigen Präventivmaßnahmen. Wird ein Dieb überführt, wird grundsätzlich die Polizei hinzugezogen und Anzeige erstattet sowie ein Hausverbot verhängt. „Der finanzielle Schaden, der aufgrund von Diebstählen entsteht, ist nicht unerheblich“, sagt Giese-Schulz.
Auch im Modehaus Ramelow in Elmshorn registriert man eine Zunahme an bandenmäßigen Diebstahl. „Das ist ein riesen Problem für den Einzelhandel“, sagt Geschäftsleiter Stefan Rabe. Die Diebe hätten es hauptsächlich auf teure Markenkleidung abgesehen, die sich teuer weiterverkaufen lasse. „Relativ viele können geschnappt und angezeigt werden.“ Die Mitarbeiter seien für dieses Thema sensibilisiert, ihre Präsenz und Aufmerksamkeit sei noch der wirksamste Schutz gegen Langfinger. Zudem gebe es Videoüberwachung und Warensicherung, beides auf dem technisch neuesten Stand.