Wedel. Paket mit Strohheizwerk, Großwärmepumpe und Blockheizkraftwerk führt zu blankem Entsetzen bei der Anwohnerinitiative.
Für die einen klingen Hamburgs neue Pläne wie der Aufbruch in eine neue Zeit – zumindest in energiepolitischem Sinne. Für die Anwohner sind sie dagegen bloß ein Alptraum. Die Hamburger Umweltbehörde lässt derzeit gleich drei neue Kraftwerke für den Standort Wedel prüfen. Sie sollen das alte an der Landesgrenze ersetzen. Das geht aus einem aktuellen Statusbericht hervor, der für Empörung in dem Wohnviertel rund um das Kraftwerk sorgt.
In dem Bericht sind für den Standort am Tinsdaler Weg plötzlich drei mögliche Kraftwerke vorgesehen, und zwar ein Biomasse- beziehungsweise Strohheizwerk, eine Großwärmepumpe sowie ein dafür nötiges Blockheizkraftwerk zur Nacherhitzung des vor allem während des Winters an dieser Stelle zu kalten Elbwassers.
Ideen sind nicht neu, der Standort ist es schon
Der Bau einer Großwärmepumpe war bereits im Gespräch – allerdings immer am Hamburger Standort Dradenau. Diese sogenannte Südvariante wird weiter verfolgt, gleichzeitig wurde aber das Teilprojekt Großwärmepumpe in die Nordvariante eingebaut und in die Rolandstadt nach Wedel gesetzt. Auch die Idee eines Strohheizwerks ist nicht neu, der Standort aber wiederum schon. Bislang sollte diese Anlage in Stellingen entstehen. Davon ist nun nicht mehr die Rede. Egal, ob in Hamburg die Entscheidung für Nord- oder Südvariante fällt: Das Biomassewerk ist jeweils in Wedel vorgesehen.
Das Strohheizwerk, das in dieser Form Seltenheitswert in Deutschland hat, ist eine innovative Idee. Das begeistert Klimaschützer. Die Wedeler Anwohner sind dagegen entsetzt. Sie fürchten starke Belastungen durch Lärm und zusätzlichen Verkehr. Denn die Biomasse, also Stroh und Grünschnitt, würde entweder mit Schiffen oder mit Lastwagen antransportiert werden.
„Schon jetzt sind die Lärmbelastungen durch Schiffsentladungen hoch“, berichtet Kerstin Lueckow. Die Sprecherin der Anwohnerinitiative ist sauer. Sie kann nicht begreifen, warum in Hamburg nun erneut über die betroffenen Wedeler hinweg geplant werde – und das ohne Rücksicht auf das nur 150 Meter vom Kraftwerksgelände entfernte Wohngebiet und die damit verbundenen Lärmgrenzen.
Lueckow reicht es. „Wir haben ein Recht zu klagen, und wir haben schon beim in der Vergangenheit geplanten Gaskraftwerk mit 18 Klagenden bewiesen, dass wir von unserem Recht Gebrauch machen“, droht sie und macht unmissverständlich klar: „Wenn Hamburg mit dem Standort Wedel weiterhin plant, kann man sich dort auf einen langen und harten Kampf einstellen.“
Strohheizwerk – die große Unbekannte
In Hamburg bemüht man sich derweil um Beschwichtigung. „Derzeit werden die einzelnen Komponenten für das Wedel-Ersatzkonzept noch geprüft“, betont Jan Dube als Sprecher der Behörde für Umwelt und Energie. So müsse überhaupt erst einmal geklärt werden, inwieweit ein Strohheizwerk in dieser Form realisierbar sei, also ob genügend Biomasse in der Region verfügbar wäre. Auch in Sachen Großwärmepumpe drückt er auf die Bremse, verweist auf die alternative Variante. Denn die Anlage in Dradenau wäre deutlich effektiver. Dort liegt die Wassertemperatur aufgrund des angrenzenden Klärwerks bei ganzjährig mindestens 15 Grad Celsius, ein zusätzliches Blockheizkraftwerk wie in Wedel wäre nicht nötig.
Allerdings ist der Standort Dradenau nur Teil der Südvariante, gegen die sich viele in Hamburg wehren. Umweltverbände fürchten zum Beispiel, dass sie den Weg für die Anbindung des umstrittenen Kraftwerks in Moorburg bereitet. Lueckow fürchtet, dass Wedel bei Hamburgs Ringen um die Zukunft der eigenen Wärmeversorgung das Nachsehen hat. Sie fordert: „Wedel darf nicht wieder wie beim Gaskraftwerk das Planungsrecht aus der Hand geben, sondern muss die eigenen Interessen durchsetzen.“
Klar ist: Das alte Steinkohlekraftwerk in Wedel soll vom Netz. Da von hier aus 120.000 Hamburger Haushalte (Angabe des Betreiber Vattenfall) eingeheizt werden, braucht es einen Ersatz. Darum wird seit Jahren gerungen. Laut Pressesprecher Dube soll eine Entscheidung, auch über die Variantem, im vierten Quartal 2017 fallen.