Groß Offenseth-Aspern. In unserer Serie Steinalt stellen wir die ältesten Häuser der Kommunen vor. Heute ein Kate von 1750 in Groß Offenseth-Aspern.

Reinhard Kühl ist ein Mann der Tat. Still sitzen während seiner freien Tage ist nicht sein Ding, und sowieso liebt er es, handwerklich zu arbeiten und alte Dinge instand zu halten. So auch, als es darum ging, das Reetdach des ältesten noch original erhaltene Gebäude von Groß Offenseth-Aspern zu erneuern. Nur einfach zugucken, das kam für den Eigentümer des historischen Hauses nicht in Frage. Er wollte mit anpacken und den Jungs des beauftragten Unternehmens bei den Arbeiten helfen.

© Sarah Stolten | Sarah Stolten

„Als ich vier Wochen Urlaub hatte, habe ich mich als Reetdachdecker-Lehrling eingeschleust“, erzählt Kühl. Der 64-Jährige ließ sich die wichtigsten Handgriffen von den Fachmännern erklären und trug das Reet dann selbst mit auf das Dach. „Ich bin interessiert an alten Handwerkstechniken, und bei meinem eigenen Haus mache ich gern mit.“ Von morgens bis abends ackerte Kühl. „Das war mein tägliches Fitnessprogramm“, sagt er. Für die Erneuerung des Daches vor knapp fünf Jahren hat Reinhard Kühl jahrelang gespart, ist in all der Zeit nicht in Urlaub gefahren, hat nicht geraucht und keinen Alkohol getrunken. „Ich bin ja kein Millionär“, sagt der 64-Jährige. „Und ich wollte das alles selbst finanzieren.“

Das historische Fachwerkhaus wurde 1750 gebaut

Das alte Fachwerkhaus, das 1750 gebaut worden ist, hat für den Gärtner eine besondere Bedeutung. Sein Herz hängt daran. Als Schuljunge arbeitete er auf dem Hof seiner Eltern, als dort noch Landwirtschaft betrieben worden ist und verdiente sich damit sein erstes Geld. „Das Taschengeld habe ich gleich wieder meinem Vater gegeben und gesagt, damit soll er das Dach ausbessern“, so der Eigentümer. „Ich hatte schon als kleines Kind ein Faible für alte Sachen.“

Reinhard Kühl liebt es, alte Dinge zu sammeln. Diese bewahrt er in der Diele seines Hauses auf
Reinhard Kühl liebt es, alte Dinge zu sammeln. Diese bewahrt er in der Diele seines Hauses auf © Sarah Stolten | Sarah Stolten

Der Dachstuhl des Hauses sei Dank der Aufmerksamkeit und Arbeit seiner Vorfahren immer in Ordnung gewesen. Es habe nie in das Gebäude hereingeregnet, so Reinhard Kühl. Das zahlt sich heute aus. „Die Interessengemeinschaft Bauernhaus hat mir mitgeteilt, dass es im weiten Umkreis kein Haus gibt, dessen alte Bausubstanz in so einem guten Zustand ist.“

Eine Familie Sandkamp hat im
18. Jahrhundert das Haus gebaut. Das belegt die Inschrift eines alten Balkens über dem Dielentor. „Jede Generation hinterlässt in so einem alten Haus ihre Spuren“, sagt Reinhard Kühl. „Meine Spur ist es, dass ich das Reingeschnitzte mit weißer Farbe übermalt habe. Sonst hätte man die Schrift ja nicht lesen können.“

Die Bretter und Balken sind schon uralt. Sie sind original und laut Reinhard Kühl noch älter als das Haus
Die Bretter und Balken sind schon uralt. Sie sind original und laut Reinhard Kühl noch älter als das Haus © Sarah Stolten | Sarah Stolten

Kühl möchte, dass möglichst viel am Haus noch lange original erhalten bleibt. Zusammen mit seinem Onkel hat er deshalb in der Vergangenheit immer wieder kleinere und größere Reparaturen vorgenommen. Für diese Tätigkeit hätte er heute gern mehr Zeit. „Die Arbeit bringt mir unheimlich Spaß“, sagt er. „Es wird Zeit, dass ich in Rente gehen kann.“

Als Kühls Großmutter vor 40 Jahren verstarb, hat er das alte Fachwerkhaus geerbt. Zu seinem Erbe gehörten auch 32 Hektar großes Land und sein Elternhaus, das direkt neben dem historischen Gebäude steht. „Auf der Beerdigung meiner Oma haben die Verwandten gesagt, ich soll den alten Schuppen abreißen und etwas Modernes hinstellen“, sagt Reinhard Kühl. „Da habe ich gesagt, ne, das geht ja gar nicht. Dieses Gespräch werde ich nie vergessen.“

Die Serie

Bauernhäuser, Kirchen oder auch ein Schloss, das eigentlich keines ist. Unsere Serie „Steinalt“, in der wir das jeweils älteste Gebäude einer Kommune vorstellen, bringt immer wieder spannende Details aus der Geschichte der Region zutage.

Bereits erschienen sind 44 Folgen der Serie. So haben wir über Appen, Barmstedt, Bevern, Bilsen, Bönningstedt, Bokel, Bokholt-Hanredder, Borstel-Hohenraden, Brande-Hörnerkirchen, Bullenkuhlen, Ellerbek, Ellerhoop, Groß Nordende, Halstenbek, Haselau, Haseldorf, Hasloh, Heede, Heidgraben, Heist, Helgoland, Hemdingen, Holm , Klein Offenseth-Sparrieshoop, Kölln-Reisiek, Kummerfeld, Lutzhorn, Moorrege, Neuendeich, Osterhorn, Pinneberg, Prisdorf, Quickborn, Raa-Besenbek, Rellingen, Schenefeld, Seester, Seestermühe, Seeth-Ekholt, Tangstedt, Tornesch, Uetersen, Wedel und Westerhorn berichtet. Heute kommt Groß Offenseth-Aspern dazu.

Nächster Teil: Montag, 10. Juli, Elmshorn.

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Derzeit lebt Kühls Cousin in dem Haus. Er selbst wohnt in seinem Elternhaus. Der Eigentümer nutzt für sich die Diele. „Das ist mein Museum“, sagt er. Dort bewahrt er neben alten Radiogeräten, Stühlen und Tischen auch historische Unterlagen auf. So etwa die Geschichte über die Vorfahren des Erbauers des Hauses, die in einem alten Schuld- und Pfandprotokoll steht. Kühl nennt es die Geschichte der Wolfsjäger.

In dem Protokoll heißt es, dass um 1700 ein Herr Sandkamp in Trunkenheit seinen Onkel erschlagen hat und daraufhin floh. Von Heimweh getrieben bat er Statthalter Christian zu Rantzau um Gnade und bot als Gegenleistung an, in vier Jahren sechzehn Wölfe zu erlegen.