Kreis Pinneberg. Das liegt auch an steigenden Fahrzeugzahlen. Die Polizei hält mit einem neuartigen Verfahren der Spurensicherung dagegen.

Einen kurzen Moment nicht aufgepasst und ein anderes Auto angefahren: Das passiert mal. Aber immer mehr Fahrer verschwinden danach einfach – in der Hoffnung, dass niemand den Vorfall gesehen hat. 2023 Unfälle mit anschließender Flucht sind im vorigen Jahr bei der Polizei im Kreis Pinneberg aktenkundig geworden. 2015 waren es sogar 2030. Zum Vergleich: 2010 waren es dagegen nur 1761 Fälle gewesen.

„Was Fahrerflucht angeht, liegen wir auf einem sehr hohen Niveau“, sagt Joachim Lang, der bei der Polizeidirektion Bad Segeberg für die Statistik zuständig ist. Er sieht die Ursache auch in der steigenden Bereitschaft der Unfallopfer, Anzeige zu erstatten, weil sich die Höhe des Schadens etwa durch die Bauweise der Autos stark erhöht habe – beispielsweise durch lackierte Stoßstangen.

„Wir müssen auch berücksichtigen, dass sich die Zahl der zugelassenen Kraftfahrzeuge im Kreis Pinneberg stark erhöht hat“, sagt der Polizist. 2010 seien noch 182.923 Fahrzeuge mit einem PI-Kennzeichen unterwegs gewesen. Im vorigen Jahr meldete die Zulassungsstelle im Kreis einen Bestand von 205.891 Fahrzeugen.

Im Jahr 2016 ging in 1806 Fällen einer Fahrerflucht ein Bagatellunfall voraus – etwa ein abgefahrener Außenspiegel, ein Kratzer im Lack oder eine Delle im Blech. Macht fast fünf Unfälle pro Tag, bei denen ein eher geringer Schaden entstand, für den aber niemand die Verantwortung übernehmen wollte. In sieben Fällen (2015: acht Fälle) verletzte ein Verkehrsteilnehmer eine Person schwer und flüchtete vom Unfallort. Die Zahl der Unfälle mit leicht verletzten Personen und einem Entfernen vom Unfallort lag 2016 bei 102 Fällen (2015: 128). „Für Betroffene, die Opfer einer solchen Straftat werden, ist dies tragisch“, sagt Lang .

Eine Statistik, wie viele angezeigte Fälle aufgeklärt werden, führt die Polizei auf Kreisebene nicht. Lang schätzt, dass etwa in jedem zweiten Fall der Verursacher ermittelt werden könne. Dazu trage auch die zunehmende Wachsamkeit der Bürger bei, die immer häufiger Vorfälle per Handyfoto dokumentieren und so den Beamten den Täter quasi frei Haus liefern.

„Auch auf Landesebene liegen uns Zahlen zur Aufklärungsquote nicht vor“, sagt Torge Stelck vom Landespolizeiamt. Er bestätigt, dass auch landesweit die Zahl derer, die nach einem Unfall das Weite suchen, in den vergangenen Jahren stark angestiegen ist. „In den vergangenen zehn Jahren stieg die Anzahl der von der Polizei aufgenommenen Verkehrsunfallfluchten in Schleswig-Holstein um 22,9 Prozent.“

Die Landespolizei habe darauf reagiert und ein „neues, einfaches und effektives Verfahren zur Sicherung und Auswertung von Spuren an Fahrzeugen entwickelt“, so Stelck weiter. Das Verfahren namens „Spurfix“ ermögliche es, Unfallbeteiligte gezielter zu ermitteln und fingierte Verkehrsunfälle leichter aufzudecken.

Die Strafen

Je nach Schadenshöhe kann eine Fahrerflucht für den Verursacher ziemlich teuer werden, von Geldstrafen ab 500 Euro bis hin zum Führerscheinentzug liegt die Straferwartung.

Wiederholungstäter müssen sogar mit einer Haftstrafe rechnen. Die Strafe fällt noch höher aus, falls Alkohol oder Drogen im Spiel waren.

Polizist Joachim Lang: „Fahrerflucht ist kein Kavaliersdelikt.“

1/3

Dabei werden noch am Unfallort mikroskopische Spuren mit einer speziellen Klebefolie gesichert. Diese Spuren müssen anschließend durch einen geschulten Unfallsachbearbeiter am Mikroskop ausgewertet werden. „Ein wesentlicher Punkt ist der einer möglichen kriminaltechnischen Untersuchung vorgelagerte Schnellabgleich von Spuren an Unfallfahrzeugen“, so Stelck weiter. Diese mikroskopische Untersuchung ermögliche den Abgleich von Mikrospuren und damit eine Beschleunigung der Zuordnung von Unfallspuren, aber auch Trugspuren oder fingierten Spuren.

Stelck: „Die bisherige Erfolgsquote des Pilotverfahrens in Kiel ist aus unserer Sicht vielversprechend.“ Es seien 180 Verkehrsunfallfluchten ausgewertet worden. In 86 Fällen habe durch die mikroskopische Untersuchung der Verursacher ermittelt werden können. In 63 Fällen hätten mutmaßliche Verursacher ausgeschlossen und in elf Fällen eine vorgetäuschte Tat nachgewiesen werden können.

Das Verfahren solle jetzt in allen Polizeidirektionen des Landes und damit auch im Kreis Pinneberg eingeführt werden. Stelck: „Die Entscheidung ist gefallen.“ Jetzt müssten die Folien und Mikroskope in großer Zahl beschafft werden. Wann das so weit sein werde, sei aber noch unklar.