Pinneberg. Felix von der Laden drehte auf Schul-Dauerbaustellen. Mehr als 420.000 Menschen haben den Film des Internetstars gesehen.

Felix von der Laden hat viele Freunde. Drei Millionen. Es sind virtuelle Freunde. Der 22-Jährige, der sich im Internet auch Dner nennt, ist einer der großen Youtube-Stars im Land. 2016 gewann er gar den renommierten Bayerischen Fernsehpreis. Für das ZDF Grund genug, sich die Dienste des unter Jugendlichen so angesagten Web-Filmers zu sichern. Recherche führte von der Laden jetzt nach Pinneberg, wo der Jungfilmer das blamable Bauchaos an den Schulen unter die Lupe nahm. Das Video ist im Internet ein Renner, wurde bis gestern Abend mehr als 420.000-mal angesehen. In Pinneberg kommt es nicht bei jedem gut an.

Am Rande der Sitzung des Ältestenrats, in dem Pinnebergs Spitzenpolitiker sitzen, soll die mediale Breitseite des Youtubers für Befremden gesorgt haben. Vor allem deshalb, weil in dem Video mit Matthias Beimel der Direktor der Dauerbaustelle Theodor-Heuss-Gymnasium zu Wort kommt. Beimel lässt sich von dem Youtuber befragen. Er findet deutliche Antworten („Pinneberg ist ganz unten auf der Skala“) und beklagt das Bauchaos der vergangenen Jahre („In den Ferien wird nicht gearbeitet. Gearbeitet wird, wenn wir Abiprüfung haben). Es sei „eine Leistung der Schüler und Lehrer, dass sie alles so mitmachen“, so Beimel, der den Sanierungsstau mit dem Mangel an großen Steuerzahlern im Stadtgebiet erklärt.

Bittere Kampagne

Das Internet und Pinneberg – da war doch was. Richtig: Im Oktober 2016 sorgte eine Online-Kampagne des Schnapsherstellers Fernet-Branca für Wirbel.

Zum Bild einer Flasche des Magenbitters hatten die Macher die Sätze „Endlich wirst du befördert. Und versetzt nach Pinneberg“ gedruckt. Ergänzt um den Slogan „Life is bitter.“

City-Manager Dirk Matthiessen hatte das Spiel mit dem fragwürdigen Image Pinnebergs damals mit einem eigenen Plakatentwurf gekontert.

In den Medien ist es gang und gäbe, Pinneberg zu verballhornen, so etwa in der NDR-Satireshow Extra 3, in der allerdings auch Nachbar Elmshorn wegen seiner Imagekampagne „Supernormal“ kürzlich aufs Korn genommen wurde.

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Bürgervorsteherin Natalina di Racca-Boenigk ist angesichts der Aussagen Beimels auf Zinne: „Für mich ist das unmöglich und rufschädigend für Stadt und Schule“, sagt die Christdemokratin. Es müsse geprüft werden, ob überhaupt eine Drehgenehmigung für das Filmteam angefordert worden sei: „Das ist schließlich ein städtisches Gebäude.“ Zudem sei jetzt der Frage nachzugehen, ob Matthias Beimel mit dem Interview „seine Kompetenzen als Landesbeamter überschritten“ habe. Es sei unstrittig, dass an der Heuss-Schule viel schieflaufe. „Aber es wird doch nicht besser, wenn man es ständig wiederholt“, so di Racca-Boenigk. Ihr Urteil: „Der Ruf der Schule ist hin, und das kann man mittlerweile auch an den dort sinkenden Anmeldezahlen ablesen.“

Schulhof: Berge von Steinen pflastern den Weg des Filmteams
Schulhof: Berge von Steinen pflastern den Weg des Filmteams © HA | Youtube

Bei Bürgermeisterin Urte Steinberg soll das Video ebenfalls wenig Begeisterung hervorgerufen haben. Die Rathauschefin ist stets bedacht auf den Ruf ihrer Stadt. Auf Nachfrage, ob sie Beimel zur Rede jetzt stellen will, gab es aus dem Rathaus nur eine knappe Antwort: „Ich äußere mich grundsätzlich nicht zu persönlichen Angelegenheiten“, so Steinberg, die ohnehin wenig Handhabe hat. Denn die Personalverantwortung für den Direktor eines Gymnasiums liegt schließlich in Kiel.

Die sozialdemokratische Fraktionschefin Angela Traboldt empfiehlt Steinberg dennoch „ein klärendes Gespräch mit Beimel“, der über das Ziel hinausgeschossen sei. Die Aussagen des Schulleiters bezeichnet sie als „merkwürdig“. Es sei nicht dessen Sache, sich zur Finanzsituation der Stadt zu äußern. Für den Ruf der Stadt sei der Film, der voraussichtlich kurz vor der Bundestagswahl im September auch noch im ZDF ausgestrahlt wird, schädlich. „Wir strampeln uns ab, und immer wieder werden wir von negativen Nachrichten zurückgeworfen“, klagt Traboldt.

Millionen für die Schulen im Norden: Wer profitiert?

Das neue Investitionsprogramm des Bundes für das Bildungssystem, das 3,5 Milliarden Euro für Schulbauten und -sanierungen vorsieht, stößt im Kreis Pinneberg auf ein positives Echo. Vorrangig finanzschwache Kommunen sollen davon profitieren. Derzeit 35 Kommunen in Schleswig-Holstein gelten als besonders finanzschwach.

„Die Frage ist, was finanzschwach genau bedeutet. Es gibt da Parameter wie Steueraufkommen, Arbeitslosigkeit oder Kreditverpflichtungen. Faktisch wird im Dialog im Einvernehmen festgelegt werden müssen, welche Kommune als finanzschwach gilt und welche nicht“, sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Ernst Dieter Rossmann.

Im Kreis Pinneberg könnten auf alle Fälle Uetersen und Elmshorn von dem Programm profitieren; knapp 100 Millionen Euro fließen ins nördlichste Bundesland. „In Elmshorn ist die Anne-Frank-Schule ein Kandidat“, sagt Rossmann. In Uetersen fällt der Fokus auf das Ludwig-Meyn-Gymnasium, das die Stadt sanieren muss, obgleich sie unter dem Rettungsschirm des Landes steht.

„Ich glaube, dass auch Pinneberg von dem Programm deutlich profitieren könnte“, sagt Rossmann. In der Pinnau-Stadt sei in der Vergangenheit moniert worden, dass das Geld fehle, um die maroden Schulen zu sanieren. Dieses Argument gehöre mit dem neuen Investitionsprogramm der Vergangenheit an, urteilt der SPD-Abgeordnete.

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Dass er ein nörgelnder Nestbeschmutzer ist, will sich Beimel keinesfalls nachsagen lassen. Er beruft sich auf die Pressefreiheit. „Das Thema Schulbau ist gesellschaftlich relevant. Wenn Journalisten mich fragen, antworte ich“, so Beimel am Freitag. Und schiebt nach: „Wir sind hier schließlich nicht in Russland.“ Vor irgendwelchen Disziplinarmaßnahmen hat er keine Angst.

Im Video werden offene Decken in Klassenräumen gezeigt
Im Video werden offene Decken in Klassenräumen gezeigt © HA | Youtube

Es war übrigens keineswegs Matthias Beimel, der Felix von der Laden an seine Schule mit dem seit Jahren vor sich hingammelnden Innenhof bat. „Unsere Schülervertretung hat das initiiert und Kontakt hergestellt“, klärt der Direktor auf. Nicht anders lief es an der ebenfalls immer wieder von Bauchaos betroffenen Grund- und Gemeinschaftsschule im Quellental. Auch dort durfte Felix von der Laden für seine Doku drehen. Der dortige Schulleiter Thomas Gerdes: „Und ich bin stolz auf meine Schüler.“

Ist das Youtube-Video ein PR-Desaster für Pinneberg? City-Manager Dirk Matthiessen, der seit Jahren viel Geld in eine Imagekampagne für die Stadt steckt, sieht das entspannt. Klar, die stockende Schulsanierung sei ein negativer Imagefaktor für die Stadt. „Aber der Film ist professionell gedreht und sprachlich sauber“, so Matthiessen. Junge Menschen würden über ein von ihnen vermehrt genutztes Medium vor der Bundestagswahl aufgeklärt. „Das vor Ort etwas falsch läuft, ist ja ohnehin jedem bekannt“, so Matthiessen.

Das Video zur Geschichte