Elmshorn. Im Interview spricht Badbetriebsleiter Jürgen Gerweler über Schwimmunterricht und Regeln. Seinen Titel verdankt er dem Fernsehen.

Jürgen Gerweler leitet seit dem 1. März 2015 den Badepark Elmshorn mit jährlich etwa 80.000 Gästen. Der 48-Jährige aus Hamm (Nordrhein-Westfalen) ist ein Mann, der klare Regeln aufstellt und sagt: Man darf nur androhen, was man auch durchsetzen kann. Wie sieht er die Schwimmausbildung? Wie geht er mit Störern im Bad um? Was hält er von einem Kameraverbot? Darüber spricht der Mann, auf den auch das Fernsehen aufmerksam wurde („Deutschlands härtester Schwimmmeister“) im Abendblatt-Interview.

Die DLRG beklagt, dass es immer mehr Nichtschwimmer gibt. Worin sehen Sie die Ursachen?

Jürgen Gerweler: Viele Gemeinden wollen oder können sich Bäder nicht mehr leisten. Geld fließt woanders hin. Deswegen haben wir mittlerweile zu wenig Wasserflächen für Ausbildungs- und Trainingszwecke. Im Norddeutschen Raum sieht es aber entspannter aus als beispielsweise im Ruhrgebiet. Dort sind die Wasserflächen sehr hart umkämpft.

In Elmshorn wird das Schwimmbad gerade umfangreich saniert. Wie stellen Sie hier den Schwimmunterricht sicher?

Wir haben hier kein Ausbildungsproblem. Der Schwimmunterricht der Schulen, der DLRG oder ortsansässiger Vereine kann in der Traglufthalle mit 50-Meter-Becken und Lehrschwimmbecken durchgeführt werden. Das einzige Problem ist schlechtes Wetter im Sommer, wenn die Traglufthalle abgebaut ist. Dann kann die Wassergewöhnung der Vier- bis Sechsjährigen schon mal ausfallen, damit die Kinder nicht frieren.

Vier bis sechs Jahre – ist das ein Alter, in dem Kinder schwimmen lernen sollten?

Wenn das Kind Arme und Beine wechselseitig bewegen kann, sodass es ein Laufrad fahren kann, dann kann es auch Schwimmen lernen. Dann ist es Aufgabe des Trainers, ihm beizubringen, dass das Wasser Spaß macht und es keine Angst davor haben muss. Dann kann es auch schnell schwimmen lernen.

Reicht es nicht, wenn die Eltern dem Kind das Schwimmen am Badesee beibringen?

Grundsätzlich sind Eltern gefordert, die Wassergewöhnung durchzuführen. Den Unterricht würde ich definitiv nur in die Hände von Fachleuten legen, um eine sichere Technik zu erlernen.

Mittlerweile soll ein Viertel der Grundschulen keinen Zugang mehr zu einem Bad haben. Wie sieht es hier in der Region aus?

Soweit ich das beurteilen kann, haben alle Grundschüler in Elmshorn und Umgebung Zugang zum Schwimmunterricht. Das ist nicht überall in Deutschland so. Auf Bundesebene haben früher das Kultusministerium und heute das Innenministerium zu wenig dafür getan, Schwimmbäder flächendeckend zu erhalten. Am Ende ist es immer eine Geldfrage.

Das Hallenbad wird zurzeit saniert

Das Hallenbad im Badepark Elmshorn wird für mehr als 15 Millionen Euro saniert. Darum soll auch die Saunawelt bis voraussichtlich Ende 2018 geschlossen bleiben. Das marode Hallenbad musste im Mai 2015 geschlossen werden.

Eine Wiedereröffnung ist spätestens für Dezember 2018 geplant. Besucher müssen bis dahin aber nicht auf den Badespaß verzichten, in den kühleren Monaten wird die Traglufthalle aufgebaut.

Während der Freiluftsaison ist die Außenanlage geöffnet, montags bis freitags von 6.30 bis 20 Uhr, am Wochenende von 8 bis 19 Uhr. Eintritt: 4 Euro, Kinder und Jugendliche zahlen 2 Euro.

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Auch einige Erwachsene können nicht schwimmen. Wie können Sie denen helfen?

Wir bieten Erwachsenenschwimmkurse an. Aber es kommen kaum Nachfragen, weil die Scham überwiegt. Die haben Angst, dass man sie in ihrem Alter mit Schwimmhilfen sehen könnte und auslacht. Abhilfe kann ein Lehrschwimmbecken in der Halle schaffen, wie es im Badepark der Stadtwerke Elmshorn auch geplant ist, wo die Gruppe unter sich bleiben kann.

Sie wurden im Frühstücksfernsehen schon als Deutschlands härtester Schwimmmeister bezeichnet. Warum?

Ich stelle klare Regeln auf. Bei mir muss zum Beispiel jeder Nichtschwimmer und unsichere Schwimmer Schwimmflügel tragen. Allerdings kann ich die Eltern nur sensibilisieren. Ich kann den Vater nicht zwingen, seinem Kind Schwimmflügel anzulegen, wenn er meint, es reicht, es auf dem Arm zu halten. Aber ich kann vom Hausrecht Gebrauch machen und diesen Menschen nach Hause schicken. So schütze ich auch meine Fachangestellten.

Und sind die Eltern einsichtig?

Kein Elternteil stellt infrage, dass sein Kind im Auto angeschnallt werden muss. Geht es um Schwimmhilfen, fangen sie oft an zu diskutieren – übrigens durch alle soziale Schichten hindurch. Das kann ich nicht verstehen. Die Eltern müssen im Gewimmel nur kurz ihr Kind aus den Augen verlieren. Finden Sie das mal zwischen 3000 Menschen. Da kann ich nur noch sofort alle Becken evakuieren. Haben die Kinder in dieser Situation Schwimmflügel an, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht leblos unter der Oberfläche treiben, sehr viel größer. Denken Sie nur an den Fall im letzten Jahr, wo in Hamburg ein Vierjähriger im Schwimmbad ertrunken ist. Der Opa hat den Jungen nur kurz aus den Augen verloren. Ich würde übrigens auch einem 16-Jährigen, der nicht schwimmen kann, sagen, dass er Schwimmhilfen zu tragen hat. Das finden wohl einige Menschen ziemlich hart.

Mussten Sie schon mal Becken evakuieren?

Schon mehrfach. Gerade in großen Thermen ist das gang und gäbe.

Haben Sie schon erlebt, dass jemand in Ihrem Bad ertrunken ist?

Ja, bevor ich nach Elmshorn gekommen bin. Der Fachangestellte hat den Erwachsenen sofort rausgezogen und reanimiert. Der ist auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben. Danach wird geprüft, ob die Rettungskette eingehalten wurde. Das beurteilt im Zweifel ein Staatsanwalt. Wenn der sieht, dass bei 3000 Badegästen ein Schwimmmeister eingeteilt war, bekomme ich als Betriebsleiter ein Problem. Das ist vielen Betreibern nicht bewusst.

Wie viele Schwimmmeister brauche ich pro Becken?

Das hat in Deutschland nie einer festgelegt. Das beurteilt der Betreiber. Im Zweifel muss der vor Gericht beweisen, dass zwei Leute ausgereicht haben, um zu beaufsichtigen.

Wie viele Schwimmmeister setzen Sie in Elmshorn ein?

Zwei bis drei in einer normalen Schicht. Im Sommer holen die Stadtwerke Elmshorn noch drei Rettungsschwimmer für die Saison dazu. Die werden ebenfalls umfassend geschult, auf Risiken und Gefahren im Bad hingewiesen. Auch bei mittlerem Betrieb ist zum Beispiel die Wasserrutsche nicht aus den Augen zu lassen.

In einigen Schwimmbädern sollen Wachdienste für Sicherheit sorgen. Was halten Sie davon?

Ich bin kein Freund von Security in Schwimmbädern. Sie schüchtern die Gäste schon mit ihrem Auftreten ein und gefährden unser Berufsbild. Die Wachleute, die ich persönlich kennengelernt habe, haben Situationen nicht deeskalierend behandelt.

Auch die Gesellschaft verändert sich. Manche Menschen reagieren viel schneller aggressiv als in der Vergangenheit. Wie gehen Sie darauf ein?

Ich führe Gespräche und mache Trainings mit dem Personal. Kommt zum Beispiel eine Gruppe 16-Jähriger grölend ins Bad, weiß ich, dass ich ein Auge auf sie haben muss, und informiere schon mal die Kollegen. Dann suche ich das Gespräch mit dem Anführer der Gruppe, weise ihn freundlich, aber bestimmt in die Schranken. Das wirkt. Es wirkt dann nicht, wenn Menschen generell gewaltbereit sind. Das können wir in manchen Situationen nicht mehr einschätzen. Das liegt zum Teil an Verständigungsproblemen. Viele Badegäste verstehen die deutsche Sprache nicht.

Und dann?

Unsere Hausordnung am Eingang ist in unterschiedlichen Sprachen verfasst. Wichtig ist zu wissen, wie die Kultur des Einzelnen ist und was dazu führen könnte, die Situation eskalieren zu lassen. Bei jungen muslimischen Männern sollte man nicht direkt in die Augen starren, ruhig mal nach unten gucken, ohne die Situation aus den Augen zu verlieren. So fühlt er sich nicht noch mehr bedroht. Und ich sage meinem Team: Alles, was angedroht wird, muss durchsetzbar sein. Wenn ich achtmal mit Hausverbot drohe, werde ich auch beim neunten Mal nicht ernst genommen. Ich sage einmal, ihr sollt in der Rutsche nicht stehen. Passiert es wieder, müssen sie das Becken verlassen. Die Grenze ist erreicht, wenn andere Menschen gefährdet werden. Dann werden sie des Schwimmbades verwiesen. Geht der Gast nicht freiwillig, wird die Polizei gerufen. Und bei sexueller Belästigung wird die Polizei immer hinzugezogen. Meine Mitarbeiter sind instruiert, in der Situation ruhig zu bleiben. Klare Regeln geben Sicherheit.

Wie oft mussten Sie in Elmshorn die Polizei rufen?

Im vergangenen Jahr fünfmal. Daran sieht man, wie gut das Team aufgestellt ist und wie gut Zusammenarbeit zwischen Gast und Schwimmmeister funktioniert. 2016 hatten wir auch nur drei Unfälle, die gingen auf Kreislaufversagen zurück. Allerdings mussten die Rettungsschwimmer siebenmal junge Flüchtlinge aus dem Wasser ziehen.

In Hamburger Schwimmbädern darf nur noch im Eingangsbereich fotografiert werden. Es werden dort auch kleine Sticker ausgeteilt, die auf die Kameras von Smartphones geklebt werden sollen. Was halten Sie davon?

Das kann jeder Badbetreiber regeln, wie er es für richtig hält. Für mich ist das Erinnerungsfoto der Eltern wichtiger als ein generelles Kameraverbot, das kaum zu kontrollieren ist. Grundsätzlich erlauben wir Selfies und Fotografieren der Gruppe, der man angehört. Nimmt jemand Fremde ungewollt auf, ist der Gast aufgefordert, zum Schwimmmeister zu gehen. Filmt jemand im Kinderbereich, geht der Schwimmmeister auf denjenigen zu und bittet ihn, die Fotos zu zeigen und gegebenenfalls zu löschen. Tut er das nicht, wird die Polizei gerufen.