Wedel/Norderstedt. Produkte der Marke Santa Fu aus der Norderstedter Justizvollzugsanstalt Glasmoor sind auch im Internet zu bestellen.

Uwe Bühring hat das kakifarbene T-Shirt auf einem Bügelbrett ausgebreitet. Er streicht den Stoff glatt, seine Augen wandern nun prüfend über den Buchstaben hin und her, die auf die Brustseite gestempelt sind. „Noch unschuldig“, ist dort zu lesen. So etwas kann man getrost als „heiße Ware“ bezeichnen, sie kommt nämlich direkt aus dem Gefängnis, hergestellt von Strafgefangenen in einer 20 Quadratmeter kleinen Werkstatt in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Glasmoor am Rande Norderstedts. Vertrieben wird sie seit Neuestem im Internet: Das Gefängnis hat gerade einen Onlineshop eröffnet. Studenten der Fachhochschule Wedel haben ihn entwickelt und eingerichtet.

Per Klick im Knast einkaufen: Das Konzept scheint zu funktionieren. „Es gehen schon ordentlich Bestellungen ein“, sagt Angela Biermann, die Leiterin der JVA, „darauf müssen wir uns einstellen.“ In der kleinen Werkstatt, in der bis zu drei Menschen gleichzeitig arbeiten können, ist insofern neuerdings ein noch größeres Maß an Flexibilität gefordert. Online-Kunden wollen schnell bedient werden, das hat sich auch hinter Gefängnismauern herumgesprochen. „Dass die Qualität stimmen muss, ist ohnehin selbstverständlich“, sagt Uwe Bühring. Der 57-Jährige ist der Betriebsleiter. Nach einem letzten prüfenden Blick auf die gedruckten Buchstaben legt er das T-Shirt zufrieden zur Seite.

Angela Biermann (59) ist die Leiterin der JVA Glasmoor
Angela Biermann (59) ist die Leiterin der JVA Glasmoor © HA | Alexander Sulanke

Angela Biermann hat die Entwicklung der Produktserie aus dem Gefängnis von Beginn an verfolgt. Die Anfänge liegen gut zehn Jahre zurück. „Damals gab es in der JVA Fuhlsbüttel eine kreative Zelle“, sagt Biermann und schmunzelt über die Doppeldeutigkeit dieser Aussage – weil sie so gut zu den späteren Erzeugnissen passt, die auch alle einen Wortwitz mit Gefängnisbezug transportieren. Biermann: „Zu dieser kreativen Zelle gehörten damals Leute, die ihre Haftsituation widerspiegeln wollten, die zeigen wollten, dass im Gefängnis auch gearbeitet wird, die das mit einem ganz feinen Humor versehen wollten.“

Das war die Geburtsstunde der Marke Santa Fu. Logo: vier Striche längs und einer quer, ganz so, wie der Legende nach Strafgefangene die Tage zählen, die sie schon abgesessen haben. Mit fünf Strichen kommt allerdings keiner aus, der je an diesem Projekt mitgearbeitet hat.

In manch privatem Onlinehandel waren die Produkte aus Santa Fu, die inzwischen aus Glasmoor kommen, zu kaufen, auch Souvenirläden, etwa am Hamburger Flughafen, hatten sie im Sortiment. Verantwortlich für alles war ein Referent in der Hamburger Justizbehörde. „Im vergangenen Jahr bekamen wir das Projekt dann ganz übertragen“, sagt Angela Biermann.

Etwa zur selben Zeit machten sich Studenten des Wedeler Professors Holger Schneider auf die Suche nach einer Institution, für die sie einen Onlineshop bauen konnten. „Das gehört zum Stoff im fünften Semester“, sagt Schneider, der „E-Commerce“ lehrt, einen Studiengang mit Informatik- und Marketinganteilen und einem starken Bezug zur Wirtschaft. Besonders gut gefiel den Wedelern an Santa Fu, dass ein Teil der Einnahmen an die Opferhilfeorganisation Weißer Ring fließt, sodass Strafgefangene aus dem Gefängnis heraus Verbrechensopfern etwas Gutes tun.

1928 errichtet

Die JVA Glasmoor auf Norderstedter Gebiet ist eine Hamburger Einrichtung. Die Anlage in ihrer heutigen Erscheinung wurde 1928 nach Entwürfen Fritz Schumachers vollendet. Sie wurde von Anbeginn ohne Mauer und Stacheldraht gebaut, sollte als Vorbild für Resozialisierung dienen. Der Komplex steht unter Denkmalschutz.

209 Insassen leben in Glasmoor, 190 Männer und 19 Frauen. Etwa 60 Prozent von ihnen haben Freigang.

Der Onlineshop ist unter der Adresse www.santa-fu.de zu erreichen.

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Auch die Produkte aus Glasmoor und die Geschichte dahinter überzeugten die Wedeler – was nach Professor Schneiders Worten nicht ganz unerheblich ist: „Ob ein Onlineshop gut ist, hängt ja auch davon ab, ob es etwas Interessantes zu kaufen gibt.“ Seine Studenten haben im Folgenden die Texte geschrieben, die Ware fotografiert, alles arrangiert, Mitarbeiter in Glasmoor geschult und eine Anleitung geschrieben, wie der Auftritt aktualisiert werden kann.

Der Onlineshop fürs Gefängnis – im Grunde genommen unterscheide er sich kaum von jedem anderen, sagt Professor Schneider. Einzige Ausnahme: „Bezahlen ist auf www.santa-fu.de ausschließlich per Vorkasse möglich. PayPal und Kreditkarten funktionieren überhaupt nicht.“ Das liege daran, dass die Geldeingänge auf einem Behördenkonto verbucht werden.

JVA-Leiterin Angela Biermann meint unterdessen, dass es bald an der Zeit sein könnte, ein paar neue Produkte zu entwickeln. „Es gibt ja Leute, die von dieser Marke total überzeugt sind“, sagt sie. „Ich gehöre dazu.“