Wedel. Kritik der Woche: Stück am Wedeler Theater wurde aufgrund großer Nachfrage verlängert. Ausschnitte bei Wedeler Kulturnacht zu sehen.
Regisseur Günter Hagemann beweist immer wieder ein Händchen bei der Auswahl seiner Darsteller. Im aktuellen Stück des Wedeler Theaters „Völlig durchgeknallt“ zeigten vier Schauspieler am Freitagabend, wie hinreißend eine Bühnenperformance sein kann.
Schüler Mark (Anton Speer) wacht nach einer Party desorientiert in einem fremden Bett auf. Als wäre das nicht schon schlimm genug, kommt vom Balkon noch ein bewaffneter Mann in Tarnkleidung ins Zimmer gestürmt. Es ist Tank (Matthias Ziegann), Marks Begleiter seit Kindertagen – ein imaginärer, aber präsenter Superheld aus der Stereotypenschublade. Das quicklebendige Fantasieprodukt will Mark aus der Situation „retten“.
Als Moritz (Alexander Jakimcio), Marks schwuler Klassenkamerad, die Szenerie betritt, um „Hase“, also Mark, das Frühstück zu bringen, kann er Tank natürlich nicht sehen. Allem Anschein nach hatten die beiden Jungs also einen One-Night-Stand – ein Schock für Mark, der sich an nichts erinnern kann und Moritz in der Schule wegen seiner sexuellen Orientierung mobbt.
Damit beginnt eine durchgeklügelte und nie ins Flache oder Plakative abgleitende Handlung, die völlig ohne erhobenen Zeigefinger auskommt und ihren Figuren reichlich Platz zur Entwicklung lässt.
Für viele Lacher sorgen allein schon typische Tank-Sprüche wie „Mit den Wölfen pinkeln wollen, aber nicht das Bein heben können“ oder „In manchen Momenten darf auch ein echter Mann weinen – wenn er den Porsche zu Bruch fährt“. Sie treiben den Männlichkeitswahn auf die Spitze und führen ihn ad absurdum. Als sogar Mark die homophoben Anspielungen von Tank zu viel werden, trifft er eine folgenschwere Entscheidung.
Die drei jugendlichen Schauspieler legen eine im Wortsinn bühnenreife Darstellung hin, die völlig unbefangen und natürlich beim Zuschauer ankommt, ganz egal, wie absurd die Szene gerade sein mag. „Die letzte Spielszene war anfangs eine kleine Hürde, halb nackig über die Bühne zu laufen, weniger“, sagt Anton Speer freimütig, für den Theater vor allem „Leben und Leidenschaft“ bedeutet. Auch Matthias Zigann spielt seinen Tank mit viel Herzblut und unglaublich mitreißend. Schwierig, ihn zu übersehen. Das musste auch Alexander Jakimcio feststellen, dessen Figur Moritz das Hirngespinst eben nicht sehen kann. „Dabei stehe ich direkt vor ihm und sehe ihm in die Augen“, beschreibt er seine größte Herausforderung. Angélique Reese spielt Alina, die als letzte auf der Bildfläche erscheint. Selbst ein Mobbingopfer Marks, sinnt sie als selbstbewusster, planender Charakter auf Rache. Am Ende sind alle ein Stück erwachsener geworden. Sogar Tank wird bewusst, dass er „nur eine Phase“ ist wie alles im Leben. Besonders empfehlenswert.
„Völlig durchgeknallt“ Fr 19. und Mi 24.5., 20 Uhr, Theater Wedel, Rosengarten 9, Karte 14,50/9 Euro, Vvk. Theater Di/Do 15-18 Uhr