Haselau. Frost im April hat die Blüten von Kirschen und Erdbeeren geschädigt. Landwirte erwarten Ernteausfälle von bis zu 70 Prozent.

„Das war schon etwas Besonderes“, sagt Obstbauer Wilfried Plüschau mit Blick zurück auf die frostigen Nächte im April. Zuletzt 1981 hätten die Bauern in der Haseldorfer Marsch das so extreme Temperaturen im Frühjahr erleben müssen. „Der Frost hat große Schäden angerichtet“, sagt der Haselauer. Die werden sich auch auf die Ernteerträge auswirken, insbesondere bei Kirschen und Erdbeeren.

Auf minus zwei bis minus sieben Grad Celsius fielen die Temperaturen gleich in mehreren Nächten. Verschärfend kam hinzu, dass der starke Frost nicht nur am Boden gemessen wurde, sondern auch in den höheren Bereichen der Baumspitzen die Blüten bedrohte.

Zum Schutz gegen die Nachtfröste werden die Obstbäume beregnet. Das Wasser gefriert und legt sich wie ein Schutzmantel um die Blüten. Fast alle Bauern in der Haseldorfer Marsch verfügen über diese Anlagen, doch nicht sämtliche Teile der Plantagen können mit der Beregnung erreicht werden. Außerdem stand nicht immer genug Wasser in den Gräben der Marsch zur Verfügung. Zwar liegt die Haseldorfer Marsch unterhalb des Wasserspiegels. Sie würde also überflutet werden, wenn das Nass nicht über ein Schöpfwerk in Haselau-Altendeich in die Pinnau befördert werden würde. Doch für die Beregnung sämtlicher Obstanlagen in einer Nacht werden mehr als 45.000 Liter benötigt, rechnet Plüschau vor. Muss diese Prozedur in mehreren Nächten hintereinander wiederholt werden, steht nicht genügend Wasser zur Verfügung.

So ähnlich sahen die Kirschbäume auf dem Obsthof Plüschau nach der Beregnung aus
So ähnlich sahen die Kirschbäume auf dem Obsthof Plüschau nach der Beregnung aus © HA | privat

Insgesamt geht Plüschau davon aus, dass der Schaden bei Kirschen bei 20 bis 60 Prozent liegt, „dort, wo nicht beregnet wurde“, bei Äpfel könnten es 30 bis 40 Prozent sein. Seine schlechte Prognose kann er bei einem Gang durch die Reihe seiner Bäume untermauern. Plüschau reißt eine Blüte vom Zweig und zerteilt sie. Wo sonst der Blütenboden hell schimmert, ist jetzt ein schwarzer Fleck zu sehen. „Die ist erfroren“, erklärt er. Und dieses Schwarz ist an vielen Blüten zu finden.

Härter als die Obstbauern der Haseldorfer Marsch hat es die Kollegen im Süden Deutschlands erwischt. „Dort wird nicht beregnet, und die Temperaturen sind noch ein bisschen tiefer gefallen als bei uns“, sagt Plüschau. Nach Aussage von Kollegen vom Bodensee wird dort mit einem Ernteausfall von bis zu 80 Prozent gerechnet.

Eine Besonderheit sind die Erdbeeren, deren Blüte empfindlicher ist als die der Kirschen. „Wir haben die Stauden mit Folie abgedeckt und teilweise auch beregnet“, sagt Plüschau. Trotzdem haben die Pflanzen Schaden genommen, wie sich an zahlreichen Blüten zeigt, die nicht grün-gelblich schimmern, sondern tief schwarz eingefärbt sind. Bei den Erdbeeren rechnet Plüschau mit Ernteeinbußen von bis zu 70 Prozent, wo nicht beregnet wurde.

Gerade geht die Kirschblüte zu Ende, und die Apfelblüte soll beginnen. Das Kernobst war zwar weniger von dem Extremfrost betroffen, doch es droht zusätzliches Ungemach. „Es ist zu kalt für die Bestäubung“, sagt Plüschau. Bienen fliegen nicht bei den aktuellen Temperaturen, wohl aber Hummeln, auf die die Obstbauern verstärkt setzen. Er schätzt, dass 600 bis 700 Hummelvölker von den Landwirten in der Marsch angeschafft wurden, damit sie für neue Früchte sorgen. Die Hummeln haben pflichtgemäß die Pollen auf den Stempeln der Apfelblüte abgelegt. Der Pollen muss den Stempel jedoch bis zum Blütenboden durchdringen. Erst dann ist die Blüte bestäubt. Doch dafür ist es nach seiner Aussage derzeit zu kalt. „Bleibt das Wetter so, werden in ein paar Wochen die Blüten abgeworfen“, sagt Plüschau. Er setzt auf die Wetterprognosen, die für die kommenden Tage einen Temperaturanstieg vorhersagen.

Schutz bekommen die Obstbäume seit Kurzem durch Überdachungen. Zwischen den Baumreihen sind Gestelle gesetzt worden. Sie halten Planen, die über den Gewächsen gespannt sind. „Vor vier Jahren haben Kollegen angefangen“, sagt Plüschau. Er hat schnell nachgezogen, denn die Investition hat sich als sinnvoll erwiesen. Die Witterungsschäden sind zurückgegangen.

Hoffen auf Sonne

Große Hoffnungen verbinden die Obstbauern in der Haseldorfer Marsch mit dem kommenden Wochenende. Sonniges Wetter vorausgesetzt, könnte die Apfelblüte „explodieren“, sagt Wilfried Plüschau.

Auch Tagestouristen würde das wieder anlocken, die zumeist mit dem Fahrrad unterwegs sind. „Wir erwarten dann auch einen Ansturm auf unsere Hof-Cafés und Hofläden“, sagt er.

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Ein weiterer positiver Aspekt der Abdeckungen für die Obstbauern: Bleiben die Planen über einem Teil der Kirschbäumen geschlossen, verlangsamt sich dort das Wachstum der Kirschen. Es können dadurch länger Früchte verkauft werden, die Kirschsaison wird erweitert.

Gut ertragen kann Plüschau deswegen den Spott eines Bürgers, der ihn einmal gefragt hat, ob die Bauern die Marsch überdachen wollten. Der Experte hält dem entgegen, dass die Planen nur für einen begrenzten Zeitraum aufgezogen werden.

Bisher brauchen die Landwirte keine Baugenehmigung für diese Gestelle. Plüschau, der als Geschäftsführer der Marktgemeinschaft Altes Land auch die Interessen von Kollegen aus der Branche vertritt, sieht Bestrebungen in Teilen der Politik kritisch, die die Überdachungen genehmigungspflichtig machen wollen.

„Der Obstanbau ist von den Wetterkapriolen am stärksten betroffen“, sagt Peer Jensen-Nissen, Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes. Aber auch für die anderen Bereiche waren die frostigen Temperaturen „sicher nicht positiv“. Wie sie sich auf die Ernte auswirken werden, ist selbst für den Fachmann derzeit noch nicht ersichtlich. Dazu muss die Entwicklung der nächsten Wochen abgewartet werden. Vor den starken Nachtfrösten sahen die Ernteaussichten für Getreide und Raps nach Auskunft von Jensen-Nissen jedenfalls gut aus.