Kreis Pinneberg. Sehr vieles klappt sehr gut. Doch an einigen Einzelfällen verzweifeln Ehrenamtler. Landrat: Schwerpunkt auf Problemfälle legen.

Vieles läuft reibungslos, manchmal aber stellt die Betreuung der vielen Flüchtlinge Helfer vor große Probleme. Das hat sich jetzt beispielsweise in einer Asylunterkunft in Heede gezeigt, wo das Amt Rantzau in einem alten Bauernhaus vier Familien aus Syrien, dem Irak und Afghanistan untergebracht hat. Der Vater einer fünfköpfigen Familie habe dort wochenlang seine Familie, Mitbewohner und ehrenamtliche Helfer terrorisiert, klagt Heedes Bürgermeister Reimer Offermann. Die Polizei wurde mehrfach gerufen, weil der Iraker alle „in Angst und Schrecken“ versetzte, sagt Offermann, der sich mehr Unterstützung vom psychologischen Dienst und der Ausländerbehörde des Kreises gewünscht hätte.

Auch in Elmshorn fühlen sich die Helfer des Kinderschutzbundes alleingelassen. Sie betreuten bis vor Kurzem eine syrische Familie mit zehn Kindern. Der Vater behindere vor allem die Integration der Töchter, sagt Elke Lutz, Vorsitzende des Kinderschutzbundes. Ihr Hilfegesuch beim Amt für Jugend und Soziale Dienste des Kreises blieb ungehört, so die ehemalige Jugendrichterin.

„Durch das Nichthandeln der staatlichen Stellen werden Vorurteile und Ängste in der Bevölkerung befeuert“, warnt Heedes Bürgermeister Offermann. Doch dieser Vorwurf wird von Landrat Oliver Stolz und der für Integration zuständigen Stabsmitarbeiterin Birgit Köhnke entschieden zurückgewiesen. „Natürlich dürfen wir die vielen ehrenamtlichen Helfer nicht mit Problemen alleinlassen“, sagt Landrat Stolz. Aber die Rechte in einem Rechtsstaat gälten auch für traumatisierte Geflüchtete, selbst wenn die aggressiv seien und keine Bleibeperspektive hätten.

Mann in Heede zertrümmerte seine Wohnungseinrichtung

So habe der Kreis im Fall Heede den sozialpsychiatrischen Dienst mit seinen 15 Mitarbeitern frühzeitig eingeschaltet. Die Ehefrau, die von ihrem Mann verprügelt wurde, sei sofort nach den Vorfällen in ein Frauenhaus vermittelt, die vier Kinder seien in Obhut genommen worden. Doch die Ehefrau, die psychisch krank sei, sei auf eigenen Wunsch wieder zu ihrem Mann zurückgekehrt, sodass es erneut zu Konflikten kommen konnte, so Birgit Köhnke.

Dem Mann konnte keine psychische Erkrankung nachgewiesen werden, auch wenn er seine Wohnung zertrümmerte, erklärt Martin Keck, Leiter des psychiatrischen Dienstes. Darum konnte er nicht gegen seinen Willen stationär in eine Klinik eingewiesen werden. Die Polizei habe den Mann zwar kurzfristig in Haft genommen und eine Wegweisung ausgesprochen. Aber ein längerfristiges Wegsperren sei ohne staatsanwaltliche Anordnung nicht möglich.

© Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

„Der Kreis hat mit seinen Möglichkeiten schnell eingegriffen und versucht, die Situation zu beruhigen“, sagt Landrat Stolz. Aber diese Hilfsangebote stießen dort an ihre Grenzen, wo die rechtsstaatlichen Prinzipien griffen, die für alle Menschen hier gelten. Bei 6500 Geflüchteten, die inzwischen im Kreis Pinneberg leben, handele es sich hier zum Glück um Einzelfälle. So habe der sozialpsychiatrische Dienst des Kreises bisher lediglich bei einer Handvoll solcher oder ähnlicher Fälle mit Asylsuchenden eingreifen müssen, sagt Stolz. „Solche Fälle von häuslicher Gewalt treten auch in der deutschen Bevölkerung auf.“

Derweil haben Schutzeinrichtungen wie die Frauenhäuser ihre Grenzen erreicht. Es fehlen Betten für Notaufnahmen. Weil Frauen, die vor Gewalt flüchten, zu lange in der Schutzeinrichtung bleiben, und weil sie keine Wohnung finden. Aber auch, weil immer häufiger Flüchtlingsfrauen von der Polizei ins Frauenhaus gebracht werden, weil ihre Männer gewalttätig geworden sind.

In Elmshorn übernahm Anfang 2016 der Kinderschutzbund die Betreuung einer syrischen Großfamilie. „Wir haben sie erst mal mit Bettwäsche, Kleidung und Kinderschuhen ausgestattet“, sagt Elke Lutz. Die kleinen Kinder seien im Winter trotzdem oft ohne Strümpfe und Unterhosen in der Schutzeinrichtung an der Jürgenstraße erschienen.

Kinderschutzbund versuchte, syrischer Familie zu helfen

Das Dilemma lasse sich am besten an zwei Töchtern beschreiben, so Lutz. Die vierjährige R. habe eine erbliche Hautkrankheit. Die Haut sei wie Pergament, reiße schnell und jucke. Ein Helfer des Kinderschutzbundes war deswegen mit dem Kind mehrere Male im Kinderkrankenhaus Wilhelmstift in Hamburg. Da die Mutter, sie ist erneut schwanger, mit der Pflege überfordert ist, ordneten die Ärzte an, dass einmal am Tag eine Pflegerin ins Haus kommt. Die traute sich bald nur noch mit Pfefferspray dorthin, weil der Familienvater sie bedrohte. Zudem weigerte er sich, den Antrag für die Krankenkassen zu unterschreiben. Der Pflegedienst bekam kein Geld und stellte die Besuche nach ein paar Tagen ein.

Elke-Maria Lutz vom Kinderschutzbund
Elke-Maria Lutz vom Kinderschutzbund © Anne Dewitz | Anne Dewitz

Am 5. Januar informierte Elke Lutz das Jugendamt Elmshorn darüber. Eine Antwort blieb aus. Lutz suchte auch das Gespräch mit dem Vater, fand deutliche Worte. Danach verbot der Vater den Kindern den Kontakt zum Kinderschutzbund. Lutz wendete sich erneut an das Jugendamt, hinterließ mehrere Rückrufbitten, die zuständige Sachbearbeiterin rief nie zurück. „Am 31. Januar habe ich dann zufällig auf der Straße von einer Mitarbeiterin der Familienbildungsstätte erfahren, dass sie die Großfamilie jetzt betreuen“, sagt Lutz. Eine Anhörung mit Jugendamt und Familie hatte bereits in Form eines Hausbesuches stattgefunden – ohne sie.

Neben der Vierjährigen habe es die älteste Tochter schwer. Die 15-jährige N. muss morgens vor der Schule die kleinen Geschwister versorgen und für die Eltern bei Behördengängen übersetzen. Innerhalb eines Jahres war N. dreimal im Gesicht verletzt. „N. sagt, sie sei vom Rad gefallen“, sagt Lutz. Ihre Vermutung ist eine andere. Auch die Ausbildung zur Schulsanitäterin verbietet der Vater ihr. Sie könnte ja bei Erste-Hilfe-Maßnahmen mit Männern in Kontakt kommen. Auch am Nachhilfeunterricht nimmt das Mädchen nicht mehr teil. „Die Kinder leben in zwei Welten“, sagt Lutz. Das erschwere die Integration. Die könne nur gelingen, wenn alle Stellen zusammenarbeiten. Die Kooperation mit Schule, Familienbildungsstätte, Ärzten und Stadt habe auch funktioniert. Ärgerlich sei sie über die mangelnde Kommunikation des Jugendamtes.

In Heede ist jetzt Ruhe eingekehrt

Landrat Stolz ist überzeugt, die Gesellschaft müsse sich darauf einstellen, dass die Integration der geflüchteten Menschen nicht reibungslos verlaufen werde. „Integration bedeutet ja nicht, nur die Integrationswilligen in unsere Gesellschaft aufzunehmen. Wir müssen unseren Schwerpunkt auf die setzen, bei denen es schwierig und problematisch ist.“ Wenn sich die Situation partout nicht beruhigen lasse, müssten Kommune oder Amt in Vorleistung treten und dem Betroffenen einen sozialen Betreuer an die Seite stellen oder notfalls einen Wachdienst für die Unterkunft beauftragen, sagt Stolz. Der Kreis könne nicht alles allein regeln.

Hilfe für Kinder

Der Kinderschutzbund Elmshorn hat seit 2006 den Schwerpunkt seiner Arbeit auf die Linderung der negativen Auswirkungen von Kinderarmut gelegt. Im Büro in der Jürgenstraße 11 werden u.a. kostenlose Kinderbetreuung, Mütterfrühstück, Nachhilfe, Deutsch- und Integrationskurse angeboten.

Der Verein ist Ansprechpartner bei Verdacht auf Gewalt gegen Kinder und Jugendliche und unter 04121/463 48 80 zu erreichen.

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Das Konfliktpotenzial in der Asylunterkunft in Heede hat sich inzwischen von allein beruhigt. Die Frau ist mit den Kindern zu Verwandten nach Kiel gezogen. Und ihr Mann wurde in eine andere Unterkunft des Amtes Rantzau verlegt. Heedes Bürgermeister Offermann, der von einem Einzelfall unter den 80 vom Amt betreuten Flüchtlingen spricht, ist zufrieden: „Wir wollen doch nur unsere Ruhe haben, dass die Menschen sich hier bei uns wohlfühlen, die Kinder zur Schule gehen und wir alle keinen Stress haben.“