Pinneberg. Noch gibt es keinen Sichtschutz gegenüber der Pinneberger Moschee. Ab Juli sollen Freudenhäuser schärfer kontrolliert werden.

Es ist Mittag: Hunderte von Muslimen verlassen die Pinneberger Moschee an der Friedenstraße. Wenn sie aus dem Gebetsraum treten, fallen ihre Blicke zwangsläufig auf das gelbe Haus gegenüber. Auf ein Bordell, das im Sommer 2016 bundesweit Aufmerksamkeit erlangte, nachdem sich der Moscheevorstand Luft gemacht hatte, weil Frauen sich am Fenster allzu freizügig präsentiert hatten. Bürgermeisterin Urte Steinberg vermittelte in dem Streit. Ein Sichtschutz sollte her, eine Hecke eigne sich prima.

Von der fehlt vor dem Freudenhaus, in dem aktuell Anika, Alexandra und Marusja ihre Dienste anbieten, jedoch bis heute jede Spur. Eine Handhabe, den Sichtschutz anzuordnen, hat die Stadt nicht. „Wir können baurechtlich nichts tun“, bestätigt Petra Jelinek vom Ordnungsamt.

Im Sommer ändert sich die Gesetzeslage

Doch im Juli ändert sich die Lage grundlegend. Denn dann tritt bundesweit das neue Prostitutionsschutzgesetz in Kraft. Frauen, die Sex gegen Bezahlung anbieten, müssen sich von da an regelmäßig bei den Behörden melden. Zudem herrscht Kondompflicht. Das Betreiben eines Bordells soll nur noch mit Erlaubnis der Stadt zulässig sein, und die kann befristet sein. Inhaber müssen sich einer Prüfung unterziehen.

Wer die „Puff-Polizei“ auf Streife schickt, das ist noch immer nicht endgültig geklärt. Die Stadt Pinneberg etwa, in der aktuell von etwa 100 Prostituierten an mehr als zehn Standorten ausgegangen wird, hat im Stellenplan zusätzliches Personal vorgesehen. Das könnte überflüssig sein. Denn auch beim Kreis bereitet man sich vor.

„Wir gehen derzeit davon aus, dass wir Aufgaben übernehmen müssen“, sagt Kreis-Sprecher Oliver Carstens mit Blick auf den Juli. „Wie viele Stellen genau zur Wahrnehmung der neuen Aufgaben erforderlich sein werden, kann zurzeit noch nicht verlässlich gesagt werden. Ich gehe aber von mindestens zwei Vollzeitstellen aus, gegebenenfalls sogar noch mehr“, so Carstens.

Bordellbetreiber müssen Konzept vorlegen

Prostitutionsschutzgesetz – ein Wortungetüm. Beschlossen wurde es am 21. Oktober 2016 vom Bundestag. Wer sich in die 38 Paragrafen vertieft, der stößt auf Formulierungen, die dank Amtssprache zum Schmunzeln anregen.

Da ist etwa die Rede von „Mindestanforderungen an Prostitutionsfahrzeuge“, die es zu überprüfen gelte. Bordellbetreibern wird ein „Veranstaltungskonzept“ abverlangt. Neben der Meldepflicht für Prostituierte ist gesundheitliche Vorsorge ein zentraler Punkt.

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Laut Martin Keck, stellvertretender Leiter des Fachdiensts Gesundheit, gibt es schon jetzt Angebote, die sich auch an Frauen aus dem Rotlichtmilieu wenden: „Der Kreis Pinneberg bietet Beratungen zu sexuell übertragbaren Krankheiten an.“ Die Nachfrage sei allerdings überschaubar: „Dass Prostituierte sich schwerpunktmäßig beraten lassen, konnten wir nicht feststellen.“

Dass das neue Prostitutionsschutzgesetz den Staat Geld kosten wird, ist unstrittig. Fragwürdig bleibt derweil dessen Nutzen. Denn Kontrollen in Wohnungen und Etablissements dürften nicht mehr als Momentaufnahmen sein. „Es ist so, dass die Orte, an denen Prostitution stattfindet, oft über einen längeren Zeitraum gleich bleiben, die Frauen jedoch schnell wechseln“, bestätigt Jelinek eine Praxis, die es den Behörden auch in Zukunft schwer machen wird, die Meldepflicht zu überprüfen. Wie Verstöße gegen die Hygienepflicht belegt und Ordnungswidrigkeiten geahndet werden sollen, ist Jelinek schleierhaft: „Schlecht nachzuweisen, ob tatsächlich Kondome benutzt werden.“

Zurück zum Pinneberger Problem-Puff: Die Diskussion um das Haus in der Friedenstraße war kontrovers geführt worden. Vor allem in den sozialen Netzwerken ging es hoch her. Neben Verständnis für die Empfindungen der an der Friedenstraße betenden Menschen war auch Kritik geäußert worden. Schließlich gehe es um eines der ältesten Gewerbe der Welt. Andersgläubige hätten das zu akzeptieren, hieß es. Den Moscheeverein hatte das gewaltige Medienecho überrascht und verstört, die Verantwortlichen von der Gemeinde äußern sich seitdem nicht mehr öffentlich. Auch Jelinek wundert die Tragweite der Geschichte noch heute: „Das hätte ich nie erwartet“, sagt sie. Immerhin: Aktuell gebe es keine Beschwerden aus den Reihen der muslimischen Gemeinde. Obwohl die Idee von der Hecke, die der Bordellbetreiber pflanzen sollte, verpufft ist.