Pinneberg. Opferorganisation unterstützte im vergangenen Jahr zahlreiche Menschen. Auch Angehörige des Familiendramas von Wedel wurden betreut.

Ein Mann stürzt von einem Hochhaus in Rissen. Selbstmord. Vorher hat er seine Frau und die beiden gemeinsamen Kinder in Wedel getötet. Es ist ein Kriminalfall, der im vorigen Oktober ganz Deutschland in Atem hält. Was bleibt, sind erschütterte Angehörige, die fassungs- und hilfslos vor einem großen Scherbenhaufen stehen.

Ein Fall für den Weißen Ring. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter unterstützen die Opfer von Verbrechen bei der Bewältigung der traumatischen Erlebnisse. Als Dirk Schröder, Mitarbeiter der Außenstelle Pinneberg, Mutter und Schwester der getöteten Frau aus Wedel zum ersten Mal traf, begann für ihn eine arbeitsintensive Zeit. „Die beiden Frauen stammen aus Bolivien, und mein Spanisch ist so schlecht wie ihre Englischkenntnisse“, sagt Schröder.

Nach Ankunft der Bolivianerinnen blieb für die Aufarbeitung der Ereignisse nur wenige Wochen Zeit, da der Rückflug bereits gebucht war. Schröder beschreibt die Betreuung der Familie als sehr emotional: „Die Mutter bestand auf einer Tatortbesichtigung und wollte sehen, wo ihre Angehörigen gestorben sind. Vor Ort wurde dann viel geweint. Das war schon sehr belastend.“

Der menschliche Beistand war in diesem Fall besonders wichtig. Schröder half bei Behördengängen, unterstützte bei den Vorbereitungen der Trauerfeier, die nach bolivianischer Tradition ausgerichtet werden sollte, und beseitigte Probleme bei der Überführung der sterblichen Überreste. „Die Mutter wollte sich nicht von den Urnen trennen, und ich regelte mit dem Zoll, dass sie als Handgepäck bei ihr bleiben konnten.“ Außer menschlichem Beistand half der Weiße Ring mit 3000 Euro Soforthilfe und mit weiteren 3000 Euro für Flugkosten und Trauerfeier.

Neben diesem Ausnahmefall betreute der Weiße Ring im vergangenen Jahr 156 weitere Fälle, die insgesamt einen Arbeitsaufwand von rund 3500 Stunden forderten. Außenstellenleiter Sönke-Peter Hansen erklärt: „Wir arbeiten komplett ehrenamtlich. Manchmal ist ein Fall nach wenigen Stunden erledigt, aber es gibt auch Fälle, die uns über mehrere Jahre beschäftigen. Wir nehmen uns Zeit, Opfern aktiv zuzuhören.“

Neben menschlicher Zuwendung unterstützt der Weiße Ring auch finanziell. Bis zu 300 Euro können die Helfer als Soforthilfe an Opfer aushändigen. Außerdem gibt es verschiedene Beratungsschecks, die für Gespräche, psychosomatische Behandlungen oder gerichtsmedizinische Untersuchungen eingelöst werden können. Insgesamt unterstützte der Weiße Ring die Hilfesuchenden im vorigen Jahr mit mehr als 25.000 Euro. „Wir sind gemeinnützig und finanzieren uns über Mitgliedsbeiträge, Spenden und aus Bußgeldern, die Richter unserer Organisation zusprechen“, betont Hansen.

Die bolivianische Familie wäre ohne Unterstützung des Weißen Rings kaum in der Lage gewesen, die Situation vor Ort zu meistern. Kontakt zu den Angehörigen des Familiendramas besteht bis heute. Die Mutter und Oma der drei Mordopfer war den Helfern von Herzen dankbar, schrieb aus Bolivien sogar eine Dankeskarte. „Die Wertschätzung unserer Arbeit ist für ehrenamtliche Mitarbeiter das größte Lob und bestärkt uns in unserer Sache“, sagt Außenstellenleiter Hansen.