Kreis Pinneberg. Landgemeinden bei der Breitbandversorgung vernachlässigt. Arbeitsplätze in Gefahr. Landrat sieht Handlungsbedarf
Dennis Ziesecke arbeitet öfter nachts. Nicht, weil er Spaß daran hat, sondern weil ihm keine Wahl bleibt. Denn einen vernünftigen Anschluss an das Breitbandnetz besitzt er nicht. Dabei muss der freiberufliche IT-Journalist für seine Arbeit etliche Gigabytes an Daten aus dem Internet herunterladen oder dort hochladen. Bilder, Softwarepakete, Videos, Betriebssysteme. „Wir haben hier nur LTE. Tagsüber bricht das Netz zusammen, wenn andere Familien mit ins Internet gehen“, berichtet er. Denn dann teilen sich mehrere Haushalte die LTE-Funkfrequenz. Ohne schnelles Internet kann Ziesecke seinen Job aber nicht ausüben – wie Hunderte andere Berufstätige auf dem Land auch. Eine alarmierende Entwicklung. Unterstützung bekommt er von der IHK, die auch den Kreis in die Pflicht nimmt.
Ziesecke (39) wohnt im äußersten Westen des Moorreger Gemeindegebietes (auf der Grafik unterhalb Uetersens), nahe der Klevendeicher Drehbrücke, die an Neuendeich grenzt. Dort liegt die Breitbandverfügbarkeit in den Haushalten bei lediglich 0 bis 10 Prozent (dunkelblau). Von den 50 bis 75 Prozent (gelb), mit denen Moorrege eingestuft ist, profitiert nur der dichtbesiedelte Ortsteil. Die Zahlen stammen vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI).
Ziesecke ärgert es, dass die Netzanbieter das Land in Sachen Internet außen vor lassen. „Dabei sind Berufstätige hier genauso wie die Menschen in den Städten auf schnelles Internet angewiesen. Seinen Kunden schickt er Daten meist nachts, sonst kommt nichts an. „Ich muss Deadlines verschieben, weil das Netz nicht geht. Das muss man Kunden erst einmal plausibel vermitteln. Die können das gar nicht glauben.“
Ziesecke ist nur einer von vielen Bürgern in der Region, die beruflich schnelles Internet bräuchten, es aber nicht bekommen. Denn große Anbieter investieren gerade im ländlichen Raum nur zögerlich in den Netzausbau: Unter betriebswirtschaftlichen Aspekten lohne es sich nicht, dort etliche Kilometer lange Leitungen zu installieren, um dann wenige Haushalte oder Betriebe als Kunden zu gewinnen.
Etliche Versuche von Landgemeinden, Netzanbieter für einen Ausbau zu gewinnen, sind ohne Erfolg geblieben. In der Marsch heißt es daher seit Jahren auf politischer Ebene: Die wichtigste Aufgabe ist der Ausbau des Breitbandnetzes. Ansonsten wandern Betriebe ab. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) in Elmshorn kennt das Problem zu gut. Sie mahnte wiederholt Verbesserungen an, um eine Zwei-Klassen-Gesellschaft beim Internet abzuwenden. Nicht ohne Grund: In der jüngsten Umfrage der IHK wurde der Breitbandausbau von Gewerbetreibenden als die wichtigste Baustelle im Kreis bezeichnet.
Laut Breitband-Informationssystem Schleswig-Holstein ist der Kreis Pinneberg im ländlichen Raum nicht nur bei sogenannten symmetrischen Hochgeschwindigkeitsnetzen, sondern generell hinsichtlich der für Gewerbetreibende relevanten Bandbreiten bis 100 Megabit pro Sekunde und mehr im Download nahezu völlig unterversorgt.
Die IHK bezeichnet diese Lage als „bedenklich“. Leistungsfähige Breitbandnetze seien Grundvoraussetzung für zahlreiche Anwendungen der Informations- und Kommunikationstechnologien und Basis einer Vielzahl von Geschäftsmodellen. Für viele derzeitige und vor allem künftige Anforderungen reiche die Breitbandinfrastruktur nicht aus. Ganze Branchen könnten abwandern, die Standorttreue von Betrieben zum Kreis sei im Landesvergleich nämlich gering. Vom Kreis erhofft sich IHK-Zweigstellenleiter Paul Raab, dass dieser für einen Breitbandausbau koordinierend wirkt und strategische Partner sucht, um auch dort den Ausbau zu fördern, wo große Netzanbieter nicht investieren wollen.
Für Landrat Oliver Stolz ist ein Breitbandnetz „ohne jede Frage eine notwendige Zukunftstechnologie“, um die Wirtschaft zu fördern, Arbeitsplätze zu generieren und erhalten. Auch im ländlichen Raum. Potente Stadtwerke könnten eventuell Partner für Breitbandinitiativen oder neue Zweckverbände gegründet werden. In der Vergangenheit, so Stolz, wollte der Kreis nicht eingreifen. Angesichts der aktuellen Entwicklung sei ein Kurswechsel nicht mehr auszuschließen.
„Jedes Mittel, das am Ende angewandt wird, ist zu begrüßen, wenn es hilft, den Missstand zu beseitigen“, sagt Ziesecke. Um seine Jobzukunft macht er sich wegen des schlechten Internets inzwischen Sorgen.