Borstel-Hohenraden. Eka von Kalben, Grünen-Fraktionsvorsitzende im Landtag, lebt im Kreis Pinneberg und erklärt, warum sie sich auch mal unbeliebt macht.

Sie gibt den Ton an bei den Grünen in Schleswig-Holstein. Im Abendblatt-Interview spricht Eka von Kalben aus Borstel-Hohenraden über die Bilanz der Landesregierung und erklärt, was grüne Politik heute ausmacht, was für die Region wichtig ist und wie ihre Position in der Flüchtlingspolitik aussieht.

Wie fällt aus Ihrer Sicht die Bilanz der Landesregierung aus SPD, Grünen und SSW aus?

Eka von Kalben: Hervorragend. Ich bin sehr zufrieden mit den fünf Jahren Küsten-Koalition. Vorher hieß es, mit einer Einstimmen-Mehrheit sei das nicht zu schaffen. Wir haben gut regiert und viel umgesetzt.

Zum Beispiel?

Wir haben, wie vorher versprochen, den Schulfrieden eingehalten und die Unterrichtssituation deutlich verbessert, indem wir die unglaublichen Abbaupläne von Lehrerstellen der Vorgänger-Regierung gestoppt haben. Das war unter anderem auch möglich aufgrund der hervorragenden Arbeit unserer Finanzministerin Monika Heinold, die jetzt auch unsere Spitzenkandidatin ist. Besonders positiv finde ich, wie wir gemeinsam mit den Kommunen und Willkommensteams mit den vielen Flüchtlingen umgegangen sind. Da blicken andere Bundesländer voller Neid auf uns, wie gut uns das gelungen ist. Bei den Kursen mit Deutsch als Zweitsprache ist sehr viel geleistet worden. Die Integration in den Arbeitsmarkt muss jetzt noch intensiviert werden.

Was lief aus grüner Sicht noch gut?

Wir haben mit unserem Energie- und Landwirtschaftsminister Robert Habeck die Energiewende verstetigt und für eine ökologischere Landwirtschaft gesorgt. Minister Habeck hat beim Netzausbau für einen neuen Politikstil gesorgt und an der Westküste viele Dialogveranstaltungen gestartet. Dabei zeigte sich, dass man Bürgerproteste im Vorfeld vermindern kann, wenn man die Bürgerinnen und Bürger in den Entscheidungsprozess einbezieht. Wir können Politik nur mit den Menschen und nicht gegen sie machen.

Was wurde für den Kreis Pinneberg erreicht?

Da möchte ich in erster Linie die Verlängerung des Gastschulabkommens mit Hamburg nennen. Das war nicht einfach. Noch besser wäre es, wenn wir in Zukunft mit Hamburg zu einer gemeinsamen Schulplanung kommen könnten. Da ist der gemeinsame Ausschuss mit Hamburg, der am 3. März zum ersten Mal tagt, ein guter Anfang. Erstmals beraten Parlamentarier beider Länder in einem gemeinsamen politischen Gremium. Mit Ines Strehlau und mir sind zwei Landtagsabgeordnete aus dem Kreis Pinneberg darin vertreten.

Werden die Grünen an der Koalition mit SPD und SSW festhalten?

Wenn wir wieder die Mehrheit haben, wollen wir gerne die Küsten-Koalition fortsetzen. Wie sich gezeigt hat, können wir sehr vertrauensvoll zusammenarbeiten. Was Ralf Stegner, Lars Harms und ich uns in die Hand versprochen haben, ist auch immer eingehalten worden. Das gibt es nicht so häufig in der Politik. Darum kämpfe ich für eine Fortsetzung dieses Dreier-Bündnisses. Es heißt ja oft. ,wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte.’ Bei uns ist es so, dass der dritte es gut moderieren kann, wenn sich zwei noch nicht einig sind. Uns ist es meist gelungen, gemeinsam eine Lösung zu finden, die das Beste für Schleswig-Holstein ist. Das ist für mich das Besondere an dieser Küsten-Koalition.

Sie sind auf Rang drei der Landesliste der Grünen gewählt worden, bei neun Gegenstimmen. Sind das nicht zu viele für eine Fraktionsvorsitzende?

Nein. Als Fraktionschefin muss man dafür sorgen, dass die Mehrheit stimmt. Da macht man sich an manchen Stellen unbeliebt. Man kann ja nicht jeden Wunsch der Parteibasis erfüllen. Insofern war das Ergebnis für mich als Fraktionschefin völlig ausreichend.

Warum sind die Grünen im Umfrage-Tief, bundesweit nur noch bei knapp sieben Prozent? Vor einem Jahr waren es noch doppelt so viele Anhänger.

Das hat mit der Zuspitzung auf Bundesebene zwischen SPD und CDU zu tun, die sich durch den Hype um den SPD-Spitzenkandidaten Martin Schulz entwickelt hat. Da ist es schwierig für die Grünen, mit ihren Themen durchzudringen. Der jüngste Zwischenfall im AKW Brokdorf zeigte auf alarmierende Weise aber wieder, wie aktuell unsere Themen sind und wie wichtig es ist, die Energiewende weiter voranzutreiben. Auf lange Sicht werden sich diese grünen Themen durchsetzen. Abgerechnet wird am Wahlabend. Und bis dahin wird sich die jetzige Zuspitzung von SPD und CDU wieder zu unseren Gunsten gedreht haben.

Wie stehen Sie zur Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern?

Es ist das Prinzip des Asylrechts, dass wenn Menschen kein Bleiberecht erhalten und kein Ausreisehindernis besteht, sie dann auch wieder ausreisen müssen. Wobei für uns Grüne die freiwillige Rückkehr die bessere Lösung ist. Bundesweit wurden 2016 23.715 Flüchtlinge abgeschoben, aber 51.200 sind freiwillig ausgereist, davon rund 2000 aus Schleswig-Holstein. Das Hauptproblem ist ja, dass es mit vielen Heimatländern keine Rückkehr-Abkommen gibt. Da ist dann nichts zu machen, wenn sich das Heimatland weigert, den Flüchtling wieder aufzunehmen. Ich bin dafür abzuschieben, wenn es sein muss. Mich stört aber, dass dieses Thema oft mit der Sicherheitspolitik vermengt wird. Dadurch entsteht ein falsches Bild, als ob es Gefährder nur unter Geflüchteten gebe. Aber es gibt auch deutsche und europäische Gefährder. Wir müssen alles für die Sicherheit der Bevölkerung tun. Aber wir dürfen die Flüchtlings- und Sicherheitspolitik nicht vermengen.

Gilt das auch für Flüchtlinge aus Afghanistan? Sollten die auch wieder in Ihre Heimat abgeschoben werden? In Quickborn hat sich vor kurzem ein afghanischer Flüchtling aus dem Fenster gestürzt, um der Abschiebung zu entgehen.

Ich bin komplett gegen Abschiebungen nach Afghanistan, weil ich der Meinung bin, dass es kein sicheres Land ist. Es soll dort sichere Regionen geben. Aber der Flüchtlingsrat der UNO und das Rote Kreuz sagen etwas anderes. Wir hatten bereits den Fall eines abgeschobenen Flüchtlings, der in Kabul Opfer eines Anschlags geworden ist. Es ist absurd, zu behaupten, dass Afghanistan ein sicheres Land ist. Darum ist ja auch die Bundeswehr da. Die Landesregierung hat jetzt einen Abschiebestopp nach Afghanistan für zunächst drei Monate erlassen. Wir sollten aber auch den Spurwechsel schaffen. Wer sich bereits gut integriert hat, soll auch hier bleiben dürfen. Dafür brauchen wir ein Einwanderungsgesetz.