Elmshorn. Neue Sicherheitsverordnung könnte das Aus für Traditionsschiffe in Norddeutschland wie den 120 Jahre alten Ewer bedeuten.

Die Traditionsschifffahrt in Norddeutschland bangt um ihre Existenz. Die neue Schiffssicherheitsverordnung, die Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) trotz großer Proteste aus den Küstenländern in Kraft setzen will, „bedeutet das Aus für viele Traditionsschiffe“, heißt es in einer Erklärung der Dachverbände der deutschen Traditionsschiffe und Museumshäfen, die die 110 historischen Fracht-, Fahrgast- und Segelschiffe, Eisbrecher, Schlepper sowie die Feuer- und Lotsenversetzschiffe vertreten. Sie fordern den Minister auf, „endlich an den Verhandlungstisch zu kommen“.

Von diesen 110 Schiffen müssten wohl 90 abgewrackt und verschrottet werden, schätzt Ulrich Grobe vom Eigentümerverein des Ewers „Gloria“, der dann auch nicht mehr als Traditionsschiff zu betreiben sei. „Diese irrsinnige Verordnung muss weg. Wir würden unser ganzes maritimes Erbe auf den Müllhaufen der Geschichte werfen“, sagt der Vorsitzende des Vereins der Freunde des Ewers „Gloria“.

Auf 140 Seiten beschreibt die neue Sicherheitsverordnung detailliert, welche Umbauten und Sicherheitsvorkehrungen an den historischen Segelschiffen vorzunehmen seien und was die Crew zu beachten hätte, damit sie weiterhin als Traditionsschiff auf Elbe oder Nordsee fahren könnten. Grobe: „Der Ewer Gloria wäre dann kein Ewer mehr, sondern eine Missgeburt.“

So müsste der Verein ein zusätzliches drittes Schott in das 15 Meter lange Segelschiff einbauen. Dafür müssten die Längsverbindungen getrennt, müsste die neue Wand eingezogen und dann alles wieder verschweißt werden. „Das erhöht die Stabilität des Schifffes mit Sicherheit nicht“, sagt Grobe. Zudem müssten in das 120 Jahre alte und 30 Tonnen schwere Schiff zwei jeweils 80 Kilogramm schwere Anker mit 160 Meter langen Kette eingebaut werden, beschreibt er eine weitere dieser „unsinnigen Vorschriften“. Das hätte zur Folge, dass niemand mehr den Anker über die Reling hieven könnte und der den Bug so sehr ins Wasser drückte, dass hinten der Propeller aus dem Wasser ragte.

Auch die Reling müsste von jetzt 50 und 80 Zentimeter auf einen Meter erhöht werden. Für ein Rettungsboot wären zwei sogenannte Davit-Halterungen nötig, die das Segeln unmöglich machten, nennt Grobe eine weitere Auswirkung der Verordnung auf sein Schiff. Die Holztreppe müsste einer Stahltreppe weichen. Und der Motor bräuchte einen doppelten Ölfilter, damit einer im laufenden Betrieb ab- und der andere zugeschaltet werden könne. „Einen solchen Ölfilter gibt es für den Ewer ,Gloria‘ nicht.“

Außerdem habe der Schiffsführer Atlantik-tauglich zu sein. Für die medizinische Versorgung der Menschen an Bord müsste so gesorgt sein, dass sogar eine schwangere Mitfahrerin auf dem Schiff entbinden könnte, sagt Grobe: „Das ist doch völlig irrsinnig.“

40 Segeltörns mit 600 Mitseglern pro Jahr

Der Ewer Gloria wurde als Ein-Mast-Frachtsegler 1898 gebaut und beförderte rund 20 Jahre lang Getreide zu einer Mühle an der Lühe auf der südlichen Elbseite.

Bis dahin war das Lastschiff ein reines Segelschiff. Erst der zweite Eigentümer, ein Frachtschiffer aus Finkenwerder, baute einen Motor in den Ewer ein.

2002 - 2004 wurde der Ewer vom Elmshorner Förderverein aufwendig restauriert, der jedes Jahr etwa 600 Menschen bei 40 Segeltörns auf der Elbe befördert.

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In einer Stellungnahme zu der Verordnung hat die Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Museumshäfen vorgerechnet, dass sich für den Betreiber eines Traditionsschiffes durch die Auflagen die jährlichen Kosten auf 65.000 Euro verdoppeln würden. „Das steht in keinem Verhältnis zu den jährlichen Einnahmen der Traditionsschiffe.“

Für den Ewer-Gloria-Verein mit seinen 70 Mitgliedern seien diese Ausgaben nicht zu leisten, sagt Grobe. Die Begründung des Ministeriums, die Verordnung sei notwendig, um Unfälle zu vermeiden, entbehre jeder Grundlage. Seit Bestehen der jetzt gültigen Richtlinie habe es auf den 110 Traditionsschiffen acht Unfälle gegeben, die alle mit den neuen Vorschriften nicht verhindert worden wären. Keiner war tödlich.

Für den Ewer-„Gloria“-Chef Grobe steht fest, dass sein Museumsschiff nicht so verschandelt werden soll. Der alte Lastensegler würde dann zu einem Sportboot erklärt, für das diese Vorschriften ohnehin nicht gelten. Dann könnte der Verein zwar keinen Eintritt mehr nehmen, dafür aber Spenden kassieren. Er habe aber noch die „leise Hoffnung, dass nach der Bundestagswahl im September diese Verordnung wieder gekippt wird“, sagt Grobe.

Den SPD-Bundestagsabgeordneten Ernst Dieter Rossmann hat der Schiffer auf seiner Seite. Rossmann: „Bei dieser Hartleibigkeit kann man fast glauben, bei Dobrindt gilt nur als Tradition, was einen Trachtenhut aufhat.“