Rellingen. Kaum jemand weiß, dass der Konzern Apple in der kleinen Gemeinde eine Niederlassung hat. Auch Yamaha, Crown, Hansa & Co zahlen dort Steuern.

Roter Backstein. Ein paar Lieferwagen auf dem Hof. Das Rauschen der nahen Autobahn ist zu hören. Hier, im kleinen Rellinger Gewerbegebiet am Halstenbeker Weg, lässt wenig aufs ganz große Geschäft schließen. Was nahezu unbekannt ist: Im biederen Ambiente des Hofs, der viele kleine Firmen beheimatet, sitzt ein Weltmarktriese. Der US-Konzern Apple betreibt eine Dependance, um die ein Geheimnis gemacht wird. Nicht mal im Rellinger Rathaus ist bekannt, was hinter der Tür am Halstenbeker Weg entwickelt wird. Klar ist hingegen, dass Jahr für Jahr erhebliche Summen aufs Gemeindekonto fließen. Apple zählt zu den fünf großen Gewerbesteuerzahlern im Ort. Ein Apfel macht Rellingen reich. Doch kaum jemand weiß davon.

Firmen-Ikone Steve Jobs soll selbst in Rellingen gewesen sein

Der Megakonzern Apple im kleinen Rellingen – diese Geschichte geht auf das Jahr 2002 zurück. Seinerzeit hatte Firmenchef Steve Jobs entschieden, das 1992 in der Gemeinde am Rande Hamburgs gegründete Unternehmen Emagic aufzukaufen. Zuvor hatte sich Emagic als Hersteller von für Musikaufnahmen benötigte Hard- und Software einen Namen gemacht. Auch das Betriebssystem Windows wurde damals bedient. Nachdem Jobs zugeschlagen hatte, konzentrierte man sich auf Software für Apple Macintosh. Es geht das Gerücht, dass die 2011 verstorbene Unternehmer-Ikone im September 2002 selbst in Rellingen gewesen sein soll. Im Internet kursiert ein Foto, das Jobs mit einem Kaffeebecher in der Hand zeigt – angeblich entstanden in den Räumen am Halstenbeker Weg.

Das in Kalifornien beheimatete Unternehmen Apple ist bekannt dafür, sehr zurückhaltend mit Informationen zu seinen Firmenstandorten zu sein. Immerhin gibt es in Rellingen ein kleines weißes Firmenschild mit dem Apfellogo. Von der Straße aus ist es allerdings nicht zu sehen. Rellingens Bürgermeister Marc Trampe weiß wenig. Er habe den Betrieb bislang weder besuchen können, noch habe ihm Vorgängerin

Anja Radtke berichten können, was hinter den Türen geschehe. Radtke hatte nicht mal auf ihre postalischen Weihnachtsgrüße Antworten aus dem Halstenbeker Weg erhalten.

Auch Rellingens Wirtschaftsförderer Harald Poppner hat sich schon den Kopf gestoßen. „Ich wollte mich nach meinem Amtsantritt vor zwei Jahren vorstellen, habe aber keine Antwort erhalten.“ Das gelte es zu akzeptieren: „Meine Dienstleistung wird eben nicht benötigt“, sagt Poppner nüchtern. Er kann es verschmerzen. Denn während immer wieder berichtet wird, dass Apple sich nur zu gern den Fängen des Fiskus zu entziehen suche, gilt das in Rellingen nicht. „Sie zahlen Steuern. Und das nicht wenig“, so Poppner. Und noch etwas weiß der Wirtschaftsförderer. Apple habe am Halstenbeker Weg einen langfristigen Mietvertrag.

Zahlen zur Gewerbesteuer werden im Rellinger Rathaus gehütet wie ein Bankgeheimnis. Doch es fällt nicht schwer, sich einiges zusammenzureimen. Satte 17,7 Millionen Euro nahm die Gemeinde 2016 ein – für das 14.000 Einwohner zählende Rellingen ein Rekordergebnis, mit dem man die benachbarte Kreisstadt Pinneberg mit ihren 42.000 Einwohnern hinter sich lässt. Apple gehört in Rellingen zu den fünf Unternehmen, die nach Recherchen des Abendblatts allein 27 Prozent vom gesamten Aufkommen abdecken. Die jährliche Überweisung an die Gemeindekasse dürfte am siebenstelligen Bereich kratzen.

Spurensuche vor Ort: Zwei bärtige junge Männer stehen vor dem kleinen Firmenschild. Sie rauchen, tippen etwas in ihre Smartphones. Die Frage nach Steve Jobs zaubert ihnen ein Lächeln ins Gesicht. Könne wohl sein, dass der mal in Rellingen vorbeigeschaut habe. Die Frage, wie viele Mitarbeiter in dem unscheinbaren Backsteinbau arbeiten, beantworten sie noch. Rund 70 seien es. Bei der Frage, was denn am Standort so entwickelt werde, werden sie unsicher. Gespräch beendet. Die beiden schließen die mit einem Code gesicherte Tür hinter sich. Ein paar Minuten später kommt der Chef raus. Man möge sich an die Deutschlandzentrale in München wenden. Gesagt, getan.

Was wird in Rellingen entwickelt? Wie viele Menschen arbeiten am Halstenbeker Weg? Welche Pläne gibt es für die Zukunft? Drei Fragen, die der für Presseanfragen zuständigen Apple-Abteilung in München zugehen. Antwort gibt es nur eine: „Wir geben keine Auskunft zu einzelnen Standorten“, lässt Unternehmenssprecher Tobias Fröhlich vernehmen. Er hoffe auf Verständnis. Ein Besuch in der Dependance in Rellingen sei nicht möglich.

Geht es um große Player in der Wirtschaft, zeigt das kleine Rellingen den Nachbarn in der Region gern mal die Hacken – auch der nahen Hansestadt. Die Europazentrale des Unternehmens Yamaha etwa sitzt an der Siemensstraße. Und ist ebenfalls einer der Top-Gewerbesteuerzahler. Hinzu kommen erfolgreiche Unternehmen wie der Metallbetrieb Gawron, der Automatenhersteller Crown und der Getränkeriese Hansa-Heemann, der erst kürzlich die Übernahme der Fürst Bismarck Quelle und somit weiteres Firmenwachstum verkünden konnte.

Wirtschaftsförderer Harald Poppner kennt Gründe, die große Unternehmen am Standort festhalten lassen: Der mit 320 Punkten vergleichsweise niedrige Hebesatz bei der Gewerbesteuer sei nur einer davon. Das nahe Pinneberg etwa langt mit einem Hebesatz von 390 Punkten weit heftiger zu. „Wir profitieren von unserer für Unternehmer attraktiven Nähe zur Metropole Hamburg“, weist Poppner auf einen weiteren Vorzug Rellingens hin. Die Autobahnnähe – ein weiteres großes Plus.

Rellingen startet Umfrage unter allen 1600 Betrieben im Ort

Doch es gebe auch Felder, auf denen noch etwas getan werden müsse. „Unser Ziel muss es sein, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“, so Poppner, der im vergangenen Jahr 27 größere Unternehmen ansiedeln konnte, während nur 13 Rellingen den Rücken kehrten. Zudem müsse die Kinderbetreuung im Ort auf ein sicheres Fundament gestellt werden. In ihre Schulen investiert die Gemeinde in den kommenden Jahren massiv – und das passt zur Strategie des Wirt-
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derers: „Wir wollen die Menschen zum Leben nach Rellingen holen, nicht nur zum Arbeiten“, sagt er. Um herauszufinden, was die in der Gemeinde verorteten Unternehmer wirklich wollen, plant Poppner derzeit eine Umfrage. Sämtliche 1600 in Rellingen beheimateten Betriebe können mit Post rechnen. „Uns geht es um ein Stimmungsbild, wir wollen Bedarfe erfragen“, erklärt der Wirtschaftsförderer.

Dem Glauben, dass er auch die Entscheidungen eines Weltkonzerns wie Apple beeinflussen kann, gibt sich Poppner allerdings gar nicht erst hin. „Die können morgen weg sein, das ist klar.“ Dass ein solcher Abschied der Gemeinde wehtun würde, sei unbestritten. Aber auch dann gingen nicht gleich die Lichter aus. Schließlich zählten nicht allein die großen Steuerzahler: „Wir haben bei uns einen soliden Mittelstand, und ich bin ein Verfechter von langfristiger Bindung an die Gemeinde“, sagt Poppner, der kürzlich zur Abwechslung mal eine Abwanderung verzeichnen musste. Die ebenfalls am Halstenbeker Weg beheimatete Prologistik zieht nach Pinneberg. Eine finanzielle Lücke reiße das jedoch nicht. Die Firma habe in Rellingen bislang keine Gewerbesteuer gezahlt.

Anders als Apple, Yamaha, Crown & Co, die mit ihren Abgaben auch anstehende Investitionen im Bereich des Schulbaus absichern. „Wir planen solide“, so Poppner. Schließlich sei das Steueraufkommen nur dank des Wirtschaftsbooms so hoch. Das könne sich schnell ändern.