Wedel. Feuerwehr, Polizei und DRK evakuieren 500 Menschen. Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg werden bei älteren Anwohnern wach.

Vor 73 Jahren sei er als 13-Jähriger mit seinem Großvater vor der Bombardierung aus Hamburg-Barmbek geflohen, nun habe er sich vor einer einzigen Bombe in Sicherheit bringen müssen. Rainer Döhning war die Aufregung am Sonnabend anzusehen. Die Bombenentschärfung in Wedel rief in ihm die Erinnerung an die Schrecken des Krieges wach. „Damals sah ich Menschen brennen“, sagte der 86-Jährige.

Mit seinem Sohn Sven und der Nachbarin Britta Eckert war er jetzt in die Mensa der Gebrüder-Humboldt-Schule gekommen. Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) versorgten dort die Menschen, die für die Zeit der Evakuierung sich nicht woanders aufhalten konnten.

„Wir können die Situation ein bisschen lockerer sehen als mein Vater“, sagte Sven Döhning, der nach einer Operation an Krücken lief und schon aus diesem Grund gern zu Hause geblieben wäre. Während er nur seinen Ausweis dabei hatte, bestand sein Vater Rainer darauf, auch noch Rentenbescheide und Versicherungsunterlagen einzupacken.

Ein geöffnetes Fenster sorgte für eine kurze Verzögerung

Um den 250-Kilo-Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg zu entschärfen, war eine Sperrzone mit einem Radius von 500 Metern um den Fundort am Tinsdaler Weg eingerichtet worden. Unweit vom Fundort hatte früher eine Raffinerie gestanden. 500 Menschen mussten bis Sonnabend, 12 Uhr, ihre Wohnungen verlassen. Feuerwehr, Polizei und das DRK waren mit rund 100 Kräften im Einsatz.

Ein geöffnetes Fenster im Brombeerweg sorgte für Verzögerung. Die Einsatzkräfte klopften sicherheitshalber noch mal an die Türen. „Es gab außerdem zwei, drei Bewohner, die ihre Wohnung zunächst nicht verlassen wollten“, sagte Dennis Renk, Sprecher der Kreisfeuerwehr Pinneberg. Ansonsten sei die Evakuierung ohne größere Zwischenfälle abgelaufen.

Der US-Sprengkörper aus dem Zweiten Weltkrieg war am Mittwoch bei routinemäßigen Bodenuntersuchungen der KMB Kampfmittelbergung GmbH auf einer Baustelle im Industriegebiet nahe dem früheren Kraftwerksgelände gefunden worden. „Im Straßenbau und vor einem Hausbau werden Luftbilder der Alliierten ausgewertet und die Bomben mit Metalldetektoren im Boden aufgespürt“, erklärte Benjamin Baumgart, Einsatzleiter für Schleswig-Holstein bei KMB.

Menschen, die Hilfe beim Verlassen Ihrer Wohnung benötigten, erhielten entsprechende Transportmöglichkeiten vom DRK. In der Mensa waren vorsorglich Feldbetten aufgestellt worden, die aber nicht in Anspruch genommen wurden. Während die 14 ehrenamtlichen Helfer des DRK die Evakuierten mit Erbsensuppe und Getränken versorgten, machte sich Sprengmeister Oliver Kienast vom Landeskampfmittelräumdienst gegen 13 Uhr an seine gefährliche Arbeit: Das Detonationsrisiko galt durch Rostbefall nach mehr als 70 Jahren im Erdboden als erhöht. Je älter eine Bombe ist, desto unberechenbarer werde sie.

Doch gegen 14 Uhr konnte Kienast mit einer grünen Leuchtrakete Entwarnung geben. „Ich konnte die Bombe ohne Kraftaufwand problemlos entschärfen“, sagte er. Kurz darauf wurden die Straßensperren wieder aufgehoben, und die Menschen konnten wieder in ihre Wohnungen zurückkehren.

Währenddessen kamen viele der Einsatzkräfte an den Rand der Baugrube, um einen Blick auf den Sprengkörper werfen. Sprengmeister Kienast nahm sich die Zeit, um seine Arbeit zu erläutern, präsentierte den Sprengkopf und beantwortete geduldig Fragen. Ob das Wetter bei der Entschärfung eine Rolle spiele? „Bei Schneefall friert man dabei mehr“, antwortete Kienast lachend. Anschließend wurde die entschärfte Bombe mit einem Bagger angehoben und in einen Lkw verladen, um sie später als Sondermüll fachgerecht entsorgen zu lassen.

Für Kienast und seine Kollegen ging es gleich weiter nach Kiel. Dort mussten die Experten des Kampfmittelräumdienstes am Sonntag im Stadtteil Ellerbek eine britische Fliegerbombe entschärfen. Dafür mussten rund 5000 Menschen ihre Häuser verlassen.