Halstenbek. Vor 20 Jahren brach die Dachkonstruktion des Gebäudes zusammen, 16 Monate später noch einmal. Erinnerung an die teure Blamage.

Die Nacht auf den 5. Februar 1997 ist stürmisch. Stürmisch geht es auch bei der Skatrunde zu, an der Halstenbeks Bürgermeister Bruno Egge teilnimmt. Als der Verwaltungschef spät in der Nacht zu Hause eintrifft, klingelt das Telefon. Am anderen Ende der Leitung ist ein Skatbruder, der auf dem Heimweg an der Baustelle der neuen Sporthalle vorbeigekommen ist. „Er sagte mir, das Dach sei eingestürzt. Ich habe das erst nicht ernst genommen, dachte noch, der muss betrunken sein.“

Doch am Morgen offenbart ein nüchterner Blick das ganze Ausmaß des Schadens. Die 45 Tonnen schwere Stahlnetzkuppel, die das Dach bildet, ist wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen. Schnell kreieren Spötter den Begriff „Knick-Ei“. Denn die Dreifeldhalle mit dem ellipsenförmigen Glasnetzkuppeldach ist in der Bevölkerung höchst umstritten. 1992 hat die Gemeindevertretung beschlossen, fünf Millionen D-Mark in eine neue Sporthalle zu investieren. Es folgt ein städtebaulicher Ideenwettbewerb – und es tritt der aus dem Nachbarort Rellingen stammende junge Architekt André Poitiers auf den Plan.

5. Februar 1997: Die Stahlkonstruktion ist bei einem Sturm in der Nacht eingestürzt
5. Februar 1997: Die Stahlkonstruktion ist bei einem Sturm in der Nacht eingestürzt © Gemeinde Halstenbek | Gemeinde Halstenbek

Sein futuristischer Entwurf einer zu zwei Dritteln im Boden vergrabenen Halle, überdacht mit einer eleganten gläsernen Kuppel, erregt überregional in Architektenkreisen Aufsehen. Und er elektrisiert die Kommunalpolitiker, die von einem neuen Leuchtturm im Ortskern träumen. Gegen die Stimmen der Grünen, die vor einer Kostenexplosion warnen und den Bau einer konventionellen Halle zum Preis von drei Millionen D-Mark vorschlagen, gibt die Politik 1995 grünes Licht für das Prestigeprojekt.

Montagestützen wurden zu früh entfernt

Der Beschluss sieht eine baubegleitende Planung vor. „Für uns als kleine Gemeinde war das eine Nummer zu groß“, sagt der damalige Bürgermeister. Mit der Koordination der vielen am Bau beteiligten Firmen ist das Bauamt völlig überfordert. 150 sogenannte Behinderungsschreiben, in denen sich die Unternehmen untereinander der Baubehinderung bezichtigen und finanzielle Schäden geltend machen, gehen im Rathaus ein. Je weiter die Planungen voranschreiten, desto höher werden die Kosten. Anfangs war die Rede von acht Millionen D-Mark, kurz nach dem im September 1995 erfolgten Baubeginn sind es schon 15,6 Millionen D-Mark. „Das war vergleichbar mit der Elbphilharmonie, nur natürlich eine Nummer kleiner“, sagt Bruno Egge, der bis 2007 Bürgermeister der Gemeinde blieb.

Die sucht nach dem Einsturz einen Schuldigen – und findet ihn in der Bremer Stahlbaufirma Lenderoth, die für die Errichtung der Kuppel verantwortlich ist. Ein Gutachter kommt zu dem Schluss, dass Montagestützen zu früh entfernt wurden und dadurch der Sturm die Kuppel zum Einsturz bringen konnte. Im Sommer 1997 beginnt der Wiederaufbau. Alle Beteiligten, auch die Stahlbaufirma, sind weiter dabei.

Am 29. August 1998, 15 Monate nach dem ursprünglich geplanten Termin für die Fertigstellung, soll die Halle eingeweiht werden. Doch dazu kommt es nicht. Am Mittag des 26. Juni 1998 bildet sich eine Delle in der Stahlkonstruktion des Daches. Sie wird größer und größer, dann fällt die tonnenschwere Konstruktion abermals in sich zusammen. Zum Glück wird niemand verletzt. Im nahe gelegenen Rathaus bleibt das Desaster unbemerkt. Der Bürgermeister ist auf einem Seminar, der Bauamtsleiter im Urlaub. Erst ein zufällig vorbeikommender Standesbeamter bemerkt den zweiten Kuppel-Einsturz und schlägt Alarm.

Über Debakel ist Architekt bis heute nicht hinweggekommen

Architekt André Poitiers darf sich auf Anweisung der Gemeinde nicht mehr zu dem von ihm entworfenen Projekt äußern
Architekt André Poitiers darf sich auf Anweisung der Gemeinde nicht mehr zu dem von ihm entworfenen Projekt äußern © picture alliance / rtn - radio t | dpa Picture-Alliance / rtn, patrick becher

Die Verantwortlichen indes waren bereits Monate zuvor alarmiert. Schon im Herbst 1997 ergaben Untersuchungen, dass es bei der Montage der Glaskuppel zu erheblichen und irreparablen Abweichungen gekommen ist. Als Folge hätte die Stahlkonstruktion demontiert werden müssen.

Um einen weiteren Prestigeverlust zu vermeiden, werden stattdessen sieben Horizontalseile eingebaut. Diese sollen die Ungenauigkeiten ausgleichen. Hallen-Architekt André Poitiers hat die Änderung untersagt. Weil aber der Ideengeber des Projekts von der Gemeinde nach den ersten Pannen aus der Verantwortung entlassen worden ist, setzt man sich darüber hinweg.

Über das Debakel seines ersten großen Projekts ist Poitiers, der inzwischen den Jungfernstieg neu gestaltet sowie die „Neue Mitte Altona“ entworfen hat, auch 20 Jahre später nicht hinweggekommen. Er verweist auf telefonische Anfrage vom Hamburger Abendblatt darauf, dass die Gemeinde es ihm untersagt habe, sich zu dem Projekt zu äußern.

2001 beschließt die Gemeindevertretung, dass man einen neuen Anlauf unternimmt, die Kuppel ein drittes Mal neu aufzubauen – in einer veränderten Form mit neuen, unbelasteten Firmen. Ein Bürgerentscheid gegen dieses Votum wird initiiert, zunächst jedoch von der Kommunalaufsicht für unzulässig erklärt. Das Verwaltungsgericht in Schleswig erlaubt die Abstimmung. Am 22. September 2002 stimmen 50,7 Prozent der Halstenbeker für die Fertigstellung, 49,3 Prozent dagegen.

Sieben Millionen Euro Verlust für die Gemeinde

Doch vollendet wird die Sporthalle in dieser Form nie. 2004 erschrecken die Politiker geschätzte Kosten für den Wiederaufbau der Kuppel von 4,2 Millionen Euro. Die Ruine gammelt vor sich hin, bald sprießen Pilze aus dem teuren Sportboden. Am 11. Dezember 2005 entscheiden sich 71 Prozent der Halstenbeker in einem zweiten Bürgerentscheid gegen den Wiederaufbau. Daraufhin beginnt Anfang 2007 der Abriss.

Nach einem langwierigen Gerichtsverfahren erhält die Gemeinde von der Statikfirma, deren fehlerhafte Berechnungen laut Gutachtern hauptursächlich für das Desaster waren, schließlich 2,3 Millionen Euro Schadenersatz. Bleiben unter dem Strich mehr als sieben Millionen Euro Verlust für die Gemeinde. „Das Geld hätten wir in Halstenbek gut für andere Dinge gebrauchen können“, sagt Linda Hoß-Rickmann, die 2007 das Bürgermeisteramt übernommen hat.