Wedel/Hamburg . Partikelregen aus Wedeler Kraftwerk in Hamburg Thema. Infos gegen Gebühren: Initiative kritisiert Behörde

Bei Kerstin Lueckow klingelt ständig das Telefon. Die Wedelerin ist für viele Anwohner zur Ansprechpartnerin Nummer Eins geworden, wenn es mal wieder Ärger und Probleme mit dem alten Steinkohlekraftwerk gibt. Das erzeugt seit mehr als 60 Jahren in unmittelbarer Nachbarschaft zum Wohngebiet Strom und Wärme. Weil die Anlage in die Jahre gekommen ist, macht sie dabei zunehmend auf sich aufmerksam. Mal gibt es Lärmprobleme. Mal spuckt es ätzende Partikel aus dem Schornstein, die sich über Terrassen, Gärten und Autos der Nachbarn verteilen. Wer kommt für die Schäden auf? An wen soll man sich wenden? Wie kann man sich dagegen wehren? Sind die Partikel gefährlich? Lueckow als Sprecherin der hiesigen Bürgerinitiative ist dann sehr gefragt.

Die Partikelausstöße fotografieren und dokumentieren, Beweisfotos sichern: All das machen die Anwohner. Die gesammelten Informationen schicken sie an die zuständige Aufsichtsbehörde in Flintbek, das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR). Deren Aufgabe ist es, die Interessen der Anwohner gegenüber dem Kraftwerksbetreiber Vattenfall zu vertreten. Klingt so als müssten sich Anwohner und Aufsichtsbehörde fantastisch verstehen. Das Gegenteil ist der Fall. Das Verhältnis ist so schlecht wie nie, wie ein offener Brief der Bürgerinitiative ans Kieler Umweltministerium beweist. Die darin erhobenen Vorwürfe wiegen schwer.

Meldungen von Partikelniederschlägen würden von der Aufsichtsbehörde ignoriert oder negiert. Das LLUR würde auf die Beschwerden nicht angemessen reagieren, mit zweierlei Maß messen und einfach Antworten des Kraftwerksbetreibers weiterleiten.

„Für solche Aussagen haben wir kein Verständnis, weil wir ernsthaft bemüht sind, jede Anfrage angemessen zu beantworten“, hält Martin Schmidt, Sprecher des LLUR, entgegen. Vattenfall-Daten würden nicht Eins zu Eins weitergeleitet, sondern auf ihre Plausibilität hin geprüft. Das koste Zeit. Angesichts der Vielzahl an Anfragen der Anwohner müsse das Amt sehen, dass es überhaupt arbeitsfähig bleibe. Beim Landesamt kam der offenen Brief deshalb überhaupt nicht gut an. Schon seit Monaten knirscht es zwischen BI und den Beamten der Aufsichtsbehörde.

Was die Bürgerinitiative besonders verärgert: Seit kurzem stellt die Aufsichtsbehörde Auskünfte in Rechnung. 608 Euro kamen so in den vergangenen Wochen zusammen. „Die Anwohner zahlen die Zeche“, ärgert sich Lueckow. Hinzukommen Anwaltskosten. Denn die BI korrespondiert nur per Anwalt mit dem Landesamt. Laut Lueckow weil die Anwohner sonst keine Antworten auf ihre Fragen erhielten.

LLUR-Sprecher Schmidt weist das von sich. Mit Blick auf den Kostenvorwurf verweist er auf das Informationszugangsgesetz, das solche Gebühren vorsehe. Warum es zuvor keine Rechnungen gab? „Es gibt einen gewissen Ermessensspielraum“, erklärt Schmidt. „Die letzten Anfragen waren sehr umfangreich.“ Aufgrund des hohen Bearbeitungsaufwandes seien nun Gebühren erhoben worden.

So schlagen bei einem Stundensatz von 62 Euro für Mitarbeiter der Laufbahngruppe 2 gleich 144 Euro für die Beantwortung der Frage zu Buche, über welche gemeldeten Partikelausstöße man seit Juli 2016 Rede. „Es ging nur darum, ob unsere Meldungen das Amt erreicht haben“, erklärt Lueckow. Als Antwort erhielt die BI ein Schreiben mit den von Vattenfall gemeldeten „möglichen“ Partikelauswürfen und der Quittung über 2,25 Stunden. „Sollten die Daten einer Aufsichtsbehörde nicht vorliegen?“, fragt sich Lueckow.

Vattenfall stellt Konzept gegen Partikelregen vor

Klar ist: Drei Vorfälle sind durch Messungen des LLUR im Juli und des TÜV Nord im Oktober und November bestätigt. Die BI summiert insgesamt 13 Vorfälle, Betreiber Vattenfall kommt nur auf sechs „mögliche“ Auswürfe. Unklar ist bis heute die Ursache für den Ascheregen. Gestritten wird zudem über die Gesundheitsgefahr, die von den ätzenden Partikeln ausgeht.

Etwas Klarheit dürfte die Sitzung des Hamburger Energiebeirates am Donnerstag, 19. Januar, bringen. Erwartet wird Christian Tebert, der für die BI ein kritisches Gutachten zum Partikelregen angefertigt hat. Zudem werden Mitarbeiter der Kieler Aufsichtsbehörde und von Vattenfall zur Sitzung im Konferenzzentrum der Behörde für Umwelt und Energie erwartet. Das Energieunternehmen wird das vierseitige Maßnahmenkonzept zur Behebung des Ascheregens vorstellen. Laut Abendblatt-Informationen wurden drei mögliche Ursachen ausgemacht, drei Maßnahmen sollen schnellstmöglich ergriffen werden. Eine davon möglichst noch im Januar. Die öffentliche Sitzung beginnt um 17 Uhr.