Kreis Pinneberg. Stadt Pinneberg will Urteil des Bundesverwaltungsgerichts künftig konsequenter umsetzen. Nachbarn in der Region spielen auf Zeit.

Etwas länger schlafen, anschließend entspannt und ohne die an Werktagen typische Hektik einkaufen gehen – dieses Sonntagsvergnügen, das Menschen im Kreis Pinneberg mehrmals im Jahr genießen, ist in Gefahr. Nach mehreren erfolgreichen Klagen der Gewerkschaft Ver.di, die sich gegen sonntägliche Ladenöffnung wendet, schwenkt das Ordnungsamt in
Pinneberg
auf einen härteren Kurs ein.

Zwei der vier für 2017 ins Auge gefassten Termine könnten platzen, weil es an den Tagen keine Großveranstaltungen als Anlass gibt. „In den vergangenen Jahren haben die Kommunen oft ein Auge zugedrückt, wir werden ab sofort genauer hinsehen“, sagt Petra Jelinek, die im Pinneberger Rathaus Genehmigungen ausspricht. Schließlich wolle man nicht riskieren, von Ver.di verklagt zu werden.

Für 2017 war ursprünglich geplant, den Einzelhändlern in der Kreisstadt am 2. April anlässlich des sogenannten Fahrradfrühlings die Öffnung ihrer Geschäfte zu gestatten. In den vergangenen Jahren gab es Infos rund um Rad, der ADFC engagierte sich. Dass das künftig nicht mehr ausreicht, um einen verkaufsoffenen Sonntag zu rechtfertigen, daran lässt die Frau aus dem Ordnungsamt keinen Zweifel. Die Organisatoren seien jetzt gefragt. „Sie versuchen, das Konzept auszubauen“, so Jelinek.

Gelingt das nicht, gibt’s keine Genehmigung. Das gilt auch für die für den 5. November geplante Ladenöffnung. An dem Tag sollte ein Laternenumzug als Anlass herhalten. Der jedoch startet erst am Abend. „Das reicht nicht für eine Genehmigung“, sagt Jelinek. Eine Veranstaltung von der Größe des Pinneberger Kleinkunst- oder des Summerjazzfestivals sollte es schon sein.

Laut einem Urteil des Bundes­verwaltungsgerichts vom 11. November 2015 ist die Sonntagsöffnung von Verkaufsstellen mit uneingeschränktem Warenangebot nur im Zusammenhang mit einer weiteren Veranstaltung zulässig, wenn die prägende Wirkung des Festes oder Marktes gegenüber der „typisch werktäglichen Geschäftigkeit der Ladenöffnung“ überwiegt.

Die Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland kritisiert das Vorgehen von Ver.di. Die Kampagne gegen verkaufsoffene Sonntage nutze nur dem Internethandel, da sie den stationären Handel, der wohl den meisten Mitgliedern von Ver.di Arbeitsplätze biete, zusätzlich schwäche, heißt es in einem Schreiben. „In Zeiten der Möglichkeit zum 24-Stunden-Einkauf an sieben Tagen der Woche ist das gerichtliche Vorgehen gegen die sehr beliebten Sonntagsöffnungen für uns völlig unverständlich und kontraproduktiv für die Entwicklung der Innenstädte“, kritisiert Jürgen Block, Geschäftsführer der des Marketing-Dachverbands.

Auch die bisher in Pinneberg angewandte Praxis, allen Geschäften im Stadtgebiet das Öffnen zu erlauben, widerspricht dem Gerichtsurteil. „Gibt es etwa ein Straßenfest im Gewerbegebiet an der Flensburger Straße, muss sich der verkaufsoffene Sonntag auf diesen Bereich beschränken“, bestätigt Jelinek. Die Richter hielten es zudem für unerlässlich, dass eine als Anlass gewählte Festveranstaltung für sich genommen einen beträchtlichen Besucherstrom anzieht, der die bei einer alleinigen Öffnung der Verkaufsstellen zu erwartende Zahl der Ladenbesucher übersteige.

In Halstenbek sind vier verkaufsoffene Sonntage für 2017 genehmigt worden, an denen alle Verkaufsstellen öffnen dürfen. Der erste Termin findet bereits am 8. Januar statt. Anlass der Öffnung: der Wohnmeilen-Schnäppchen-Verkauf unter dem Motto „Elbphänomenal“ zur Eröffnung der Hamburger Elbphilharmonie – und die ist mehr als 18 Kilometer entfernt.

Am 5. März sollen die Geschäfte anlässlich der Familientage öffnen dürfen, am 24. September dient ein Oktoberfest als Grund, und am 29. Oktober heißt der Anlass Goldenes Herbstfest und Halloween. „Für uns ist das in Ordnung“, sagt Elisa Schröder vom Ordnungsamt. Aber auch Schröder liegt ein Rundschreiben aus Kiel vor, in dem die Kommunen aufgefordert werden, in Zukunft bei den Anlässen für einen Sonntagsverkauf noch genauer hinzusehen. „Wir werden uns, was 2018 angeht, damit auseinandersetzen.“

Maximal vier

Gemeinden in Schleswig- Holstein müssen weitgehend mit vier verkaufsoffenen Sonntagen auskommen.

Für touristisch relevante Regionen gelten Ausnahmen. So darf in Seebädern etwa an bis zu 40 Wochenenden im Jahr eingekauft werden.

Die Kommunen müssen dafür sorgen, dass die Öffnungszeiten nicht in Zeiten des Gottesdienstes fallen. Auch der Verkauf an Adventssonntagen ist nicht gestattet.

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Auch in Schenefeld können am 8. Januar alle Geschäfte öffnen. Als Anlass dient der dritte Schenefelder Winterzauber. „Das Stadtzentrum wird sich in eine Winterlandschaft inklusive einer Eisbahn verwandeln“, sagt der zuständige Fachbereichsleiter Axel Hedergott. Hedergott: „Das ist kein an den Haaren herbeigezogener Anlass, sondern hat Hand und Fuß.“ Weitere Anträge lägen im Rathaus noch nicht vor. Hedergott rechnet aber damit, etwa zum Schenefelder Stadtfest oder anlässlich des Oktoberfestes. Zu beiden Anlässen habe die Stadt in der Vergangenheit bereits mehrfach Sonntagsöffnungen gestattet.

In Elmshorn stehen die vier Termine für die verkaufsoffenen Sonntage für 2017 fest, wie Stadtmarketing-Chefin Manuela Kase bestätigte. Los geht es am 29. Januar, weitere folgen am 2. April, 3. September sowie am 5. November. „Bislang hat die Abstimmung der Termine immer reibungslos geklappt“, sagt sie. Die Sonderverkaufstage würden allerdings auch immer durch ein umfangreiches Programm begleitet.

Marktstände und Gastronomie werden vor der St.-Nikolai-Kirche aufgebaut, ebenso Infostände von Vereinen und Verbänden. Für Kinder gebe es auf dem Holstenplatz kostenlose Spielangebote und ein Karussell. „Die verkaufsoffenen Sonntage sind für den Einzelhandel außerordentlich wichtig, insbesondere in Hinblick auf Einbußen durch den wachsenden Onlinehandel“, sagt Kase.

Die Rosenstadt Uetersen sieht bislang keine Probleme hinsichtlich der künftigen Gestaltung der verkaufsoffenen Sonntage im Stadtgebiet. Victor Delva, Leiter des Ordnungsamtes, sagt, dass die Stadt verkaufsoffene Sonntage zwar ermögliche, der Schwerpunkt bei allen Veranstaltungen aber schon jetzt deutlich auf dem Festcharakter liegen müsse.

„Die verkaufsoffenen Sonntage werden von uns im Rahmen einer geltenden Stadtverordnung zugelassen“, sagt Delva. „Wenn darüber hinaus Anfragen bestehen, wird von uns geprüft, ob die Anfragen den Anforderungen, beispielsweise dem vorwiegenden Festcharakter, entsprechen.“ In Uetersen sind unter anderem das Rosenfest, das Apfelfest und die Hochzeitsmesse mit verkaufsoffenen Sonntagen kombiniert worden.

Hermann Kunstmann betreibt ein Bekleidungsgeschäft in Pinneberg. Er wünscht sich eine einheitliche Regelung, die dem regionalen Handel mehr entgegenkommt. „Im Internet kann
24 Stunden am Tag eingekauft werden, es darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden.“ Für seine Branche seien verkaufsoffene Sonntage eine gute Sache. „Man sollte das nicht an hohe Auflagen knüpfen“, sagt Kunstmann, der auch Vorsitzender der Pinneberger Wirtschaftsgemeinschaft ist.