Wedel. Michael Berg bringt alten Bundeswehr-Laster nach Gambia. Dort wird der zur rollenden Zahnarztpraxis. Harburger Künstler hat ihn bemalt.

Anfang November erhielt Gerrit Fischer ungewöhnliche Post. In einer Mail wurde der Hamburger Urban-Art-Künstler – besser bekannt unter seinem Pseudonym „Brozilla“ – gebeten, einen ausgemusterten Unimog der Bundeswehr von seinem „Tarnkleid“ zu befreien. Das hat er am 5. Dezember, dem Internationalen Tag des Ehrenamtes, auch gemacht. Und ist damit Teil eines Abenteuers geworden, das zwei andere Hamburger Mitte März nächsten Jahres 7500 Kilometer weit bis nach Gambia führen wird.

„Als die Bitte an mich herangetragen wurde, habe ich keinen Augenblick gezögert“, sagt der 37-Jährige: „Als Pazifist bin ich schnell dafür zu begeistern, ein Kriegsgerät in ein Fahrzeug zu verwandeln, das Menschen hilft. Wenn es ginge, würde ich das jeden Tag tun.“

Der Unimog soll mit Fischers Unterstützung schon bald seine zweite Karriere starten. Und zwar als rollende Zahnarztpraxis der ASB-Klinik in Serekunda westlich der gambischen Hauptstadt Banjul. So fuhr Fischer also in eine Dependance des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) nach Hamburg-Rissen, um dort dem knuffigen 7,5-Tonner einen neuen Anstrich zu verpassen. Denn nur so kann das Hamburger Team der Charity Rallye 2017 des Vereins „Drive to Help“ sein Gefährt ausführen. Und innerhalb von drei Wochen durch sieben Länder, zwei Kontinente und die Sahara bis an die Westküste Afrikas bringen.

Drive to Help

Der Verein wurde 2014 von den Freunden Sebastian Starke und Alexander Gössel gegründet. Im März 2011 hatte Starke an der Charity-Rallye „Dresden-Dakar-Banjul“ teilgenommen. Daraus entstand die Idee, eine eigene Spendenfahrt zu organisieren.

Die ASB Health Clinic in Serekunda wird unterstützt. Versorgt werden pro Jahr 36.000 Patienten.

Der Schwerpunkt liegt in der Behandlung von HIV- und Malaria- Patienten.

Weitere Infos unter www.drive-to-help.de und unter www.asb-gambia.info.

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„Leichter wäre es ja gewesen, die Kiste einfach zu verschiffen. Nur leider passt sie in keinen genormten Container. Und das hätte die Frachtkosten um ein Vielfaches teurer gemacht“, erklärt Michael Berg. Der 49 Jahre alte Exportkaufmann aus Wedel hat sich deshalb bereit erklärt, den Unimog auf dem Landweg nach Gambia zu fahren: „Ist doch ein faszinierendes Projekt. Und allemal besser, als irgendwo sinnlos am Strand zu liegen.“

So sieht es auch seine Co-Pilotin Inke Maleen Beese. Sie ist Freiwilligen-Koordinatorin beim ASB-Ortsverband Hamburg-Mitte und auch ehrenamtliche Projektkoordinatorin für die Gambia-Hilfe. „Ich war bereits 2004 das erste Mal in Serekunda und 2014, während der Ebola-Krise, noch einmal. Das waren prägende Erfahrungen für mich, die manch Ärger und Verdruss im reichen Deutschland deutlich relativiert haben“, sagt die 32 Jahre alte Speditionskauffrau.

Seit Jahren mangele es in dem kleinen Land am Fluss Gambia nicht nur an ausreichend Lebensmitteln, sondern auch an einer adäquaten medizinischen Versorgung. „Armut und Hoffnungslosigkeit sind groß dort. Aus diesem Grund begeben sich in jedem Jahr auch viele Gambier auf den lebensgefährlichen Weg durch die Wüste und übers Mittelmeer. Und viele kommen dabei um“, sagt Beese.

Angesicht des wachsenden Flüchtlingsstroms entschloss sich der in Waldkirch nahe Freiburg im Breisgau ansässige Verein „Drive to Help“ Anfang des Jahres, die zweite Spendenfahrt nach 2014 zur ASB Health Clinic in Serekunda zu organisieren. „Steigende Preise für Elektrizität, Medikamente und Wasser haben die Finanzierung der Klinik deutlich erschwert“, sagt der erste Vorsitzende Alexander Gössel.

Die Rallye 2017

Am Start Mitte März werden diesmal neun Teams aus ganz Deutschland sein. Bei der ersten Spendenfahrt 2014 waren es sieben Teams. Das Gros der Geldspenden realisieren die Teams aus dem Verkauf der Autos, mit denen sie nach Gambia aufbrechen.

In Banjul werden die Autos unter staatlicher Aufsicht versteigert. Bislang wurden zudem Medikamente und Sachspenden im Wert von 13.000 Euro eingeworben.

Sponsoren werden auf der Homepage des Vereins erwähnt, Firmen erscheinen mit ihrem Logo.

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Aus diesem Grund wurden im Vorfeld in ganz Deutschland Fahrzeuge akquiriert, die dann in Gambia zugunsten der Klinik verkauft werden. Auf dem Weg nach Afrika sind sie mit zahlreichen Hilfsgütern wie Medikamenten, Verbandszeug und nützlichen Sachspenden bepackt. Bei der ersten Charity Rallye 2014 konnten Spenden im Gesamtwert von rund 36.000 Euro an den ASB Gambia übergeben werden.

„Ich finde dieses Projekt großartig“, sagt der Heimfelder „Brozilla“. Es zeige eindrucksvoll, dass Helfen „keine Einbahnstraße“ sein muss. Mit der Spendenfahrt „Drive to Help“ werde eine karitative Aktion mit Abenteuerlust verbunden, mit der Suche nach neuen Erfahrungen jenseits des zumeist wohlgeordneten und behüteten Alltags in Deutschland: „Deshalb war es mir ein inneres Bedürfnis, mit meiner künstlerischen Arbeit etwas zum Gelingen dieses Projekts beizutragen.“

Mit der Arbeit Fischers hat das Hamburger ASB-Rallyeteam nicht nur rund 5000 Euro an Lackierungskosten gespart. Dank seines neuen Anstrichs wird der Unimog nun als rollendes Kunstwerk unterwegs sein – und als lebendige Werbung für Solidarität und Mitmenschlichkeit.

„Brozilla“ selbst wird den Tross bei seiner Ankunft in Gambia in Empfang nehmen – und gleich wieder zum Pinsel greifen: Er will die Fassade der Health-Klinik verschönern. Passend zum Unimog.