Helgoland. Ein Streit um die Nutzung von Kaminen entzweit die Insulaner. Der Bürgerentscheid Ofen-Verbot steht am 6. November an.

Philipp Fischer und Ingeborg Bussmann haben es sich vor ihrem Kaminofen gemütlich gemacht. Während draußen der Wind die Wellen rund um Helgoland aufpeitscht, lodern im Wohnzimmer die Holzscheite. Das Feuer strahlt eine mollige Wärme aus. Doch bald schon könnte der Ofen, einer von etwa 80 Exemplaren auf der Nordseeinsel, kalt bleiben.

Die Helgoländer stimmen am 6. November per Bürgerentscheid über die Nutzung von Kaminen auf Deutschlands einziger Hochseeinsel ab. Hintergrund ist eine 2014 beschlossene Änderung der Fernwärmesatzung, in der Kamine und Öfen nach einer Übergangszeit zum 1. Juli verboten wurden. Die Initiative der „Ofen-Freunde“, zu der auch Philipp Fischer und Ingeborg Bussmann zählen, hatte gegen das Verbot ein Bürgerbegehren gestartet und mehr als 400 Unterschriften gesammelt. Weil die Gemeindeversammlung jedoch bei ihrer Haltung blieb, kommt es nun zu einem Bürgerentscheid. Es ist das erste Mal, dass ein Bürgerbegehren gegen einen Beschluss der Gemeindevertretung gestartet wurde. Die Gemeinde droht, sich an dem Kaminstreit zu entzweien.

Ringen um gute Luft

Der „jod- und sauerstoffreichste Ort der Bundesrepublik“ zu sein, so wirbt Helgoland für sich. Laut Messungen sollen die Staubpartikel-Werte zehnmal so niedrig sein wie auf der Zugspitze. Das ziehe insbesondere auch Menschen mit Atemwegserkrankungen auf die Insel, sagt Ulrike Riepenhusen. Die 48-Jährige gehört dem Lager „Freunde der reinen Luft“ an. Sie leidet selbst unter Asthma und ist auf Helgoland Ansprechpartnerin des Deutschen Allergie- und Asthmabundes. „Ich bekomme zunehmend Beschwerden von Kurgästen, die sich von den rauchenden Schornsteinen gestört fühlen“, sagt sie. In der kalten Jahreszeit leide auch sie regelmäßig unter Atemnot. „Ich wohne auf dem Oberland, und bei der engen Bebauung zieht der Rauch aus den Schornsteinen unweigerlich in mein Fenster.“ Die Gesundheit des Menschen sei ein höheres Gut als die Behaglichkeit eines Kaminfeuers, argumentiert sie.

Der Blick vom Oberland auf das Unterland mit der Düne im Hintergrund zeigt die enge Bebauung auf Helgoland
Der Blick vom Oberland auf das Unterland mit der Düne im Hintergrund zeigt die enge Bebauung auf Helgoland © Klaus Bodig | Klaus Bodig

Auf der Nordseeinsel verfolgt die Gemeindevertretung ehrgeizige Ziele. Helgoland soll bis 2020 CO2-neutral sein. Das lässt Ingeborg Bussmann als Argument der Kamingegner allerdings nicht gelten. „Wir verwenden unbehandeltes Kaminholz. Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, also ein biogener Brennstoff und damit CO2-neutral – ganz im Gegensatz zum Verbrennen von Erdöl für die Fernwärme“, sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Biologischen Anstalt Helgoland.

"Eingriff in die Lebensqualität"

Die von Helgolands Gemeindevertretung mehrheitlich beschlossene Fernwärmesatzung beruht auf dem Solidarprinzip. Ofen-Gegner führen dies ebenfalls als Argument an und kritisieren, Kaminbesitzer würden sich unsolidarisch zeigen. Sie wehre sich nicht gegen den Anschluss- und Benutzerzwang an das öffentliche Fernwärmenetz, hält Ofen-Befürworterin Ingeborg Bussmann dagegen. Die Öfen würden ja nicht als primäre Wärmequelle genutzt. „Ich zahle Gebühren und Fernwärmeverbrauch“, sagt sie. Das Kamin-Verbot wertet sie als unrechtmäßigen Eingriff in ihre Lebensqualität. Das Inselleben werde durch mehr und mehr Verbote nicht attraktiver. „Was kommt als nächstes? Verbietet die Gemeinde im Sommer das Grillen?“

Die Gemeindevertretung argumentiert, Gesundheit gehöre zu den wichtigsten Grundwerten für das Gemeinwohl auf der Insel. Touristen verbänden ihren Urlaub auf Helgoland mit sauberer und reiner Luft. Auch für Kamingegnerin Ulrike Riepenhusen steht fest: Jeder Ofen produziert Feinstaub und gefährdet den Gesundheits-Tourismus.

Besondere Insel

Helgoland liegt 70 Kilometer von der Küste entfernt in der Deutschen Bucht und gehört mit seinen 1400 Einwohnern zum Kreis Pinneberg.

Die Nordseeinsel hat eine Größe von vier Quadratkilometern Fläche. Das entspricht 333 Einwohner je Quadratkilometer.

1720 wurde die natürliche Verbindung zwischen Hauptinsel und Düne durch eine Sturmflut zerstört.

Zolltechnisch gilt die Insel als Ausland und unterliegt nicht dem EU-Steuerrecht.

1/4

Helgolands Tourismusdirektor Klaus Furtmeier sieht im verantwortungsvollen Umgang mit Öfen keine negativen Auswirkungen für die seit Jahren nachweislich sehr gute Luftqualität und den Tourismus auf der Insel. „Die turnusmäßigen, auch im Winter durchgeführten Luftmessungen auf Helgoland, die unter anderem für den Erhalt des Prädikates Nordseeheilbad vorgeschrieben sind, haben seit vielen Jahren immer sehr gute Werte ergeben.“

Die Debatte sei sehr emotional geworden und spalte die Gemeinde, wie schon vor einigen Jahren beim Bürgerentscheid Landgewinnung, so Ulrike Riepenhusen. Es habe sogar schon zu Parteiaustritten geführt, und manch Kaufmann habe dadurch bereits Kunden verloren. Einen Kompromissvorschlag der Kaminfreunde, dass nicht alle Kaminbesitzer gleichzeitig die Öfen befeuern, hält sie für nicht umsetzbar: „Wer will kontrollieren, ob der eine nur donnerstags und der nächste nur montags seinen Ofen anmacht?“

Die Kaminbetreiber wollen notfalls durch die Instanzen gehen. Denn: „Der gelegentliche Betrieb von einigen ordnungsgemäß geprüften Kaminen auf einer windumtosten Insel, auf der an über 200 Tagen pro Jahr Windstärken über sechs Beaufort gemessen werden, erscheint daher kaum geeignet zu einer nennenswerten Feinstaubbelastung zu führen...“, heißt es in einer Stellungnahme der Initiative.

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch der für Helgoland zuständige Schornsteinfegermeister Björn Dannenmann. Er geht von einer verschwindend geringen Feinstaubbelastung aus und kann die Diskussion nicht nachvollziehen.