Wedel/Rissen. Polizei erklärt, weshalb die Mutter der getöteten Kinder erst nach zwei Tagen gefunden wurde. Vater soll bei Airbus gearbeitet haben.

Es ist das zweite Mal innerhalb von drei Tagen, dass ein silberfarbener Leichenwagen vor dem Grundstück am Wedeler Kiefernweg hält. Am Dienstagmittag ist damit für die wartenden Reporter und die Anwohner der kleinen Sackgasse am Stadtrand von Wedel klar, dass die Polizei Ximena V. (37) – die Mutter der beiden ermordeten Kinder – gefunden hat – und dass sie ebenfalls tot ist. Die Leiche von Ximena V. wird heute in der Hamburger Rechtsmedizin obduziert.

Immer wahrscheinlicher wird damit auch, dass Andreas R. ein drei­facher Mörder ist. Dass der 49 Jahre alte Familienvater erst seine Frau tötete, dann am Sonnabend den zwei Jahre alten Sohn und die fünf Jahre alte Tochter ertränkte, bevor er sich am Sonntagmorgen durch einen Sprung von einem Hochhaus in Rissen das Leben nahm. „Ob das so gewesen ist, müssen jetzt die weiteren Ermittlungen klären“, sagt Merle Neufeld, Sprecherin der Mordkommission in Itzehoe.

Polizei rechtfertigt sich für späten Fund

Sie ist nach dem jüngsten Leichenfund nach Wedel gekommen, um der Öffentlichkeit das eigentlich unfass­bare Geschehen zumindest ansatzweise zu erklären. Und sie wird immer wieder mit der Frage konfrontiert, warum die Polizei zwei Tage brauchte, um die vermisste 37-Jährige zu finden, obwohl deren Leiche fast vor den Füßen der Ermittler lag. „Wir hatten keinen Hinweis, wo genau wir noch suchen sollten“, sagt die Polizeisprecherin. Mehrere umfangreiche Suchaktionen, auch mit Diensthunden, seien zuvor ebenso erfolglos geblieben wie die Befragung von Verwandten, Freunden und Nachbarn der Vermissten.

Aus diesem Grund hätten die Ermittler am Dienstag nochmals Haus und Grundstück in Wedel untersucht. „Das ist alles, was wir hatten. Wir mussten jeden Grashalm wenden.“ Auch Leichenspürhunde kamen zum Einsatz. Sie führten die Beamten zu dem schmalen, zugewucherten Streifen, der zwischen dem Grundstück der Familie und dem Auweidenweg – einem Spazierweg – liegt. Ein alter Holzzaun trennt das Grundstück von dem Niemandsland, zum Wanderweg dient ein löchriger Drahtzaun als Abgrenzung.

Grundstück wird zu Gedenkstätte

Über eine Pforte war ein direkter Zugang vom Grundstück zu dem Wildwuchsstreifen möglich. An diesem Tor hat die Polizei ein Schild angebracht, das den Bereich als Tatort ausweist. „Betreten verboten“, heißt es dort unmissverständlich. Auch der Bungalow ist nach wie vor als Tatort abgeriegelt, ein Flatterband der Polizei versperrt die Zufahrt zum Grundstück. Auf der Grundstücksmauer sind einige Trauerkerzen und Blumen abgelegt worden. An das Absperrband haben Trauernde einen handgeschriebenen Zettel geklebt: „Wir beten für euch und hoffen, dass ihr es dort besser habt, wo ihr jetzt als Engel gelandet seid“, heißt es da.

Nachbarn hatten nur Gutes über die Familie berichtet, die erst seit wenigen Jahren am Kiefernweg lebte. Die Eltern seien stets liebevoll mit den Kindern umgegangen, hieß es. Wie es wirklich hinter den Mauern des Hauses aussah, müssen nun die Ermittler herausfinden. „Wir wissen, dass es familiäre Probleme gab“, sagt Neufeld.

Vater soll bei Airbus gearbeitet haben

Berichten zufolge habe Andreas R. zu cholerischen Reaktionen geneigt. Dafür würde auch sprechen, dass die Leiche seiner Frau nach Angaben aus Polizeikreisen übel zugerichtet gewesen sein soll. Offiziell bestätigen wollte die Polizei dies aber nicht. Laut Neufeld seien ihre Kollegen dabei, beschlagnahmte Gegenstände wie Handys, Computer und mehrere Aktenordner voller Papiere auszuwerten. Dabei suchen sie offenbar auch nach einem Abschiedsbrief des Mannes. Und sie werden sich einen Überblick über die finanzielle Situation der Familie verschaffen.

Andreas R. soll längere Zeit bei Airbus gearbeitet haben, zuletzt aber laut Nachbarn keiner Tätigkeit mehr nachgegangen sein. Berichte mehrerer Medien über eine Erkrankung des Mannes weist Neufeld zurück. „Nur weil jemand nicht arbeitet, muss er nicht schwer krank sein.“

Mutter unterrichtete Spanisch

Ximena V., die aus Bolivien stammt und mehr als zwölf Jahre in Deutschland lebte, war laut ihrem Xing-Profil als Entwicklungsingenieurin für eine Firma in Hamburg tätig, soll jedoch laut Nachbarn zuletzt Hausfrau gewesen sein. Andere Nachbarn berichteten, sie sei oft tagelang weg gewesen. Im Dozentenverzeichnis der Familienbildung Wedel wird die Frau als Spanischlehrerin geführt.

„Wir kannten die Familie und sind tief betroffen“, sagt Meike Förster-Bläsi von der Familienbildung Wedel. Ob ihre Kollegen etwas über die familiären Hintergründe oder etwas über ein mögliches Motiv für die Tragödie von Wedel wissen? Dazu möchte man sich bei der Familienbildung nicht äußern. „Darüber Auskünfte zu geben verbietet einfach die Situation“, sagt Meike Förster-Bläsi.