Rissen/Wedel. Zwei Kinder und ihr Vater sind tot: Nach jetzigen Erkenntnissen geht die Polizei von einem Tötungsdelikt mit Anschluss-Suizid aus.
Vor dem weißen Bungalow steht eine Holzbank, im Garten hängen zwei Schaukeln am Baum. Es ist eine ruhige, beschauliche Wohnstraße, in der sich am Wochenende offenbar ein Familiendrama ereignet hat. Polizisten entdeckten am Sonntagvormittag in einem Einfamilienhaus in Wedel bei Hamburg zwei tote Kinder.
Schnell wurde ein Zusammenhang mit einem Freitod in Hamburg hergestellt: Im Stadtteil Rissen hatte sich am Morgen ein Mann von einem Hochhaus gestürzt. Es war der Vater (49) der Kinder. Die 37 Jahre alte Mutter ist verschwunden. Umfangreiche Suchmaßnahmen blieben zunächst erfolglos.
In Wedel sperrten die Beamten sperrten den Kiefernweg, der in einem gutbürgerlichen Wohnviertel nahe der Rissener Landstraße liegt, mit Flatterband ab. Polizeiwagen fuhren vor. Beamte der Spurensicherung und eine Rettungshundestaffel rückten an. In dem Gebäude mit der Hausnummer 7 waren am Sonntagmorgen die beiden toten Kinder, ein zwei Jahre alter Junge und seine fünf Jahre alte Schwester, entdeckt worden. Ihre Großeltern waren um 10.30 Uhr auf die Kinderleichen gestoßen. Sie sollten die Kinder zu einem verabredeten Ausflug abholen.
Der Vater der Kinder wählte den Freitod
Wie die Kinder ums Leben kamen, blieb unklar. Sie wiesen offenbar keine Anzeichen von Gewalteinwirkung auf. Wo sie in dem eingeschossigen Einfamilienhaus mit Spitzdach gefunden wurden, wollte die Polizei nicht sagen. Erst am frühen Sonntagabend, kurz vor 18 Uhr, wurden die beiden toten Kinder in einem silberfarbenen Leichenwagen weggefahren. Durch eine Obduktion soll nun geklärt werden, woran die Geschwister starben und wann genau sie zu Tode kamen.
Schon um 8.30 Uhr hatte es am Sonntagvormittag im nahen Hamburger Stadtteil Rissen einen Polizeieinsatz gegeben. Nur rund zwei Kilometer vom Kiefernweg entfernt war ein Toter vor einem Hochhaus entdeckt worden. Der Mann hatte sich vom Dach des achtgeschossigen Gebäudes gestürzt.
Es handelt sich um den 49 Jahre alten Vater der in Wedel tot aufgefundenen Kinder. Auch in Rissen rückte die Polizei an, um Spuren zu sichern. Schnell war auch klar, dass es eine besondere Beziehung zu dem Hochhaus gab: Dort soll die Mutter mit den beiden Kindern zeitweise gewohnt haben. Die Wohnung ist bereits von einem neuen Mieter bezogen worden.
Die Mutter der Kinder ist verschwunden
In Polizeikreisen hieß es, dass „der Verdacht eines Tötungsdeliktes mit Anschlusssuizid“ bestehe. Das heißt: Es wird vermutet, dass der Vater erst die Kinder umbrachte und sich dann selbst das Leben nahm. Zudem befürchten Ermittler, dass er auch seine Frau auf dem Gewissen haben könnte. Die Polizei versuchte sie mit technischen Möglichkeiten wie einer Handy-Ortung zu finden. Am Nachmittag rückte die Suchhundestaffel aus Pinneberg an. Dabei wurde auch ein sogenannter Mantrailer eingesetzt, ein Hund, der darauf trainiert ist, mit seiner feinen Nase die Geruchsspur eines Menschen über Kilometer zu verfolgen.
„Der Hund hat eine Spur aufgenommen. Sie führte jedoch nicht zum Auffinden der Vermissten“, so Polizeisprecher Kai Hädicke-Schories. Der letzte Kontakt zu der 37-Jährigen sei laut Angehörigen bereits mehrere Tage her. Hädicke-Schories bestätigte, dass die Ermittler auf dem Grundstück frische Erdbewegungen entdeckt haben. Dort habe jedoch kein Hund angeschlagen. „Wir gehen nicht davon aus, dass dort jemand vergraben wurde.“ Die Nachbarschaft steht unter Schock.
Das Familienleben des 49-Jährigen, seiner Frau und der Kinder habe auf ihn „harmonisch“ gewirkt, sagt ein Nachbar in Wedel. Nichts habe darauf hingedeutet, dass es Probleme gab. „Die Kinder waren immer so fröhlich“, berichtet eine andere Nachbarin. Die Großeltern seien häufig dagewesen und hätten sich wie die Eltern liebevoll um die Geschwister gekümmert.
Sie berichtet, ebenso wie andere Nachbarn, von einer Tragödie, die sich 1982 in demselben Haus ereignet hatte. Danach hatte ein 72 Jahre alter Kiefernorthopäde seinen Sohn (33) und seine 70-jährige Frau erschossen. Anschließend nahm sich der Mediziner das Leben. Er soll verzweifelt über das Desinteresse seines Sohnes an dessen beruflichem Werdegang gewesen sein. Das Haus stand laut Nachbarn lange leer, sei dann später verkauft worden. Die jetzigen Eigentümer sollen dort etwa drei Jahre gewohnt haben.
Kriminologen haben immer wieder Familientragödien untersucht, bei denen sich der Täter anschließend selbst richtete. Sie sprechen von einem „erweiterten Suizid“. Wolf-Reinhard Kemper von der Leuphana Universität in Lüneburg zufolge sind es vor allem Männer, die für solche Familientragödien verantwortlich sind. Dabei stehen zwei Motive im Vordergrund: Entweder ist die finanzielle Situation der Familie katastrophal, oder es ist gibt Beziehungsprobleme.