Holm. Gärtnermeister Jan Ladiges hat ist mit seinem besonderen Stil Erfolg. Dafür wird er nun mit dem Holmer Kulturpreis ausgezeichnet.
Jan Ladiges ist ein ruhiger, gelassener, die Worte abwägender Mann mit einem feinen Humor. Schwer vorstellbar, dass der Holmer auf der Bühne steht und mit seinen Gedichten das Publikum begeistert. Mit Poesie hat sein Vortrag allerdings nichts zu tun. Jan Ladiges ist Poetry Slammer, und seine Reime verfasst er auf Plattdeutsch. Für sein Werk wird er demnächst von der Heimatgemeinde mit dem Kulturpreis ausgezeichnet.
Ladiges ist mit 55 Jahren nicht nur deutlich älter als seine Mitbewerber. Er ist auch keine „Rampensau“, wie so viele der erfolgreichen Poetry Slammer. Die inszenieren sich und ihren Auftritt meist lautstark, beziehen das Publikum mit ein. Er sei dagegen authentisch, sagt Ladiges.
Das hebt ihn ab beim Poetry Slam, der mit Dichterwettstreit oder Dichterschlacht übersetzt wird und 1986 in Chicago entstand. Die deutsche Slam-Szene gilt übrigens als die weltweit zweitgrößte nach der der USA.
Mehrere Zufälle waren nötig, um den Holmer auf die Bühne zu hieven. Etwa sein 50. Geburtstag. Den feierte er in großem Rahmen, und einige Gäste hatten für ihn Geschichten, Reime und Lieder getextet. Das beeindruckte ihn, und er fing an, eigene Texte zu schreiben. Jeden Donnerstag traf er sich damals mit Freunden zum „Herrenabend“ im Bier- und Wein-Comptoir (BWC) in Wedel. Die Kumpels sollten den Text hören. Der Zufall wollte es, dass an einem dieser Abende im Oktober 2012 Sven Kamin den ersten „Schädel Poetry Slam“ organisierte. Das Urgestein der Szene ging von Tisch zu Tisch und animierte die Gäste zum Mitmachen. „Ich wollte nicht feige sein“, so Ladiges. Er habe „ziemlich schlecht vorgelesen“ — und doch von zehn Teilnehmern den 4. Platz belegt.
Die Leidenschaft für das Reimen war geboren. Jeden dritten Donnerstag im Monat wird im BWC ein Poetry Slam von Sven Kamin („mein Mentor“) organisiert. Im Februar 2013 holte Jan Ladiges zum ersten Mal den Siegerpokal, einen Kunststoff-Schädel aus dem Dekorationsbedarf.
Viele seiner Kollegen tragen Geschichten vor. Und wer von den Poetry Slammern Gedichte verfasst, hält sich selten an das Versmaß. Dies ist die Sache von Jan Ladiges nicht. Bei ihm haben die Gedichte Struktur, und die Verse reimen sich. Thematisch lässt er sich von seiner ländlichen Umgebung und ihren Menschen inspirieren. Der Gärtnermeister, der im Hauptberuf einen Landschafts- und Gartenbaubetrieb leitet, verfasste „Riemels“ über die Bohnenstange, De Minibagger, Mien Muddersprook oder den FI-Schutzschalter.
„Op Platt“ dichtet er, um die alte Sprache zu pflegen und sie an jüngere Menschen weiterzugeben. Musik ist eine wichtige Quelle der Inspiration. „Meine guten Stücke haben Rhythmus“, sagt Jan Ladiges. Sie seien „Rap-ähnlich“. Anfangs war es sein Bemühen, sich nicht zu blamieren. Heute ist Jan Ladiges sein größer Kritiker. Das Lampenfieber der ersten Auftritte habe sich leider nicht gelegt, gesteht er.
Literarische Inspiration aus dem Familien- und Freundeskreis erfuhr Jan Ladiges nie. Allerdings hat der Spätberufene in jungen Jahren viel gelesen. Vor allem Krimis und die deutsche Literatur der 1920-Jahre hatten es ihm angetan. Mit dem Erwachsenwerden, dem Beruf und der Familie schlief die Begeisterung fürs Buch jedoch ein.
Weitere Preise sind seit dem Wedeler Schädel hinzugekommen und zeugen von seiner sich fortentwickelnden Klasse. So gewann er zweimal den NDR-Abend „Poetry op Platt“. Eine CD („Rap-Snuten“) wurde aufgenommen, eine zweite ist in Vorbereitung. Demnächst soll ein Buch mit seinen Texten folgen. 30 Auftritte pro Jahr absolviert Ladiges heute.
Mit seinen Gedichten, Textversuchen und Ideen sind drei große Aktenordner gefüllt. Mit 30 Stücken ist Jan Ladiges derzeit unterwegs. An drei, vier Werken arbeitet er derzeit. Dazu gehört der Text, den er während der Verleihung des Homer Kulturpreises vortragen wird. Druck beim Dichten kennt Ladiges nicht. „Wenn der Druck sich verdichtet, verdrückt sich die Dichtung.“
Bedauerliche Absage vom Bayerischen Rundfunk
In ganz Norddeutschland tritt der Slammer auf. Häufig sind es die kleinen Orte mit heimeligen Veranstaltungsstätten, in denen er die beste Resonanz bekommt. Schwierig können für ihn etablierte Wettbewerbe in der Großstadt werden. „Da gibt es immer Menschen, die das Plattdeutsche nicht mögen“, sagt er. Und das schlägt sich in den Bewertungen durch das Publikum nieder.
Geld lässt sich mit seinem Hobby nicht verdienen. Der NDR zahlt zwar Honorar, aber bei vielen Slams gibt es nur Freigetränke und manchmal die Fahrtkosten ersetzt. „Einnahmen gleich Ausgaben“, sagt Jan Ladiges.
Eine Karriere mit TV-Auftritten und Solo-Shows strebt der Reimeschmied nicht an. Er möchte einfach, dass alles so bleibt, wie es ist: Weiter Texte verfassen und sie vortragen. Einen sehnlichen Wunsch hegte der Hobbypoet, doch musste er ihn schweren Herzens abschreiben. Er hätte so gern im Dritten Programm des Bayerischen Fernsehens in der Sendung „Vereinsheim Schwabing“ vorgetragen. Dort treten in typischer Wirtshausatmosphäre Kabarettisten, Comedians, Musiker, Geschichtenerzähler und Poetry Slammer auf. In dem Absageschreiben argumentierte der Redakteur, dass die bayerischen Zuschauer den Norddeutschen nicht verstehen würden. Bedauerlich findet es Jan Ladiges, dass es im NDR-Fernsehen nichts Vergleichbares gibt.
Der Kulturpreis der Gemeinde Holm wird Jan Ladiges am Freitag, 28. Oktober, von 18.30 Uhr an im Dörpshus, Im Sande 1, verliehen.