Gross Nordende. Nächtliche Ernte, Straßenverschmutzung, Düngung: Immer mehr Bürger sind genervt von Landwirten. Der Kreisbauernverband will aufklären.

„Das Verständnis für die Landwirtschaft ist gesunken“, sagt Georg Kleinwort, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes. Zwar gebe es viele Menschen, die die Arbeit der Bauern positiv sehen. Doch seine Kollegen und er seien immer öfter Kritik ausgesetzt – bis hin zu Aggressionen wie die Attacke auf einen Treckerfahrer Mitte August in Hemdingen (wir berichteten). Der Angreifer zertrümmerte mit einem Hammer die Tür des Treckers.

Nach Auskunft der Polizeipressestelle der Polizei wurden die Ermittlungen in diesem Fall inzwischen abgeschlossen. Einen Täter konnten die Beamten nicht ermitteln.

Die „konfrontären Situationen“ nähmen zu, bestätigt Michael Lohse, Pressesprecher des Deutschen Bauernverbandes (DBV). Oft würden Landwirte von Spaziergängern oder Radfahrern aggressiv angegangen, wenn sie zum Beispiel auf den Feldern spritzten. Ihnen werde pauschal vorgeworfen, sie setzten Gift ein, sagt Lohse. Mit Unverständnis reagierten viele Hundebesitzer auf Schilder, die ihren Lieblingen verbieten, auf die Felder zu laufen. „Dort werden doch Lebensmittel produziert“, so Lohse mit Blick auf die Hinterlassenschaften der Hunde.

Andrea Münster zeigt eine von einem Wutbürger demolierte Scheibe
Andrea Münster zeigt eine von einem Wutbürger demolierte Scheibe © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Eine Zunahme der Beschwerden über die Erntearbeit oder gar Attacken ähnlich der in Hemdingen kann Nicola Kabel, Pressesprecherin des Landwirtschaftsministeriums in Kiel, nicht bestätigen. Statistisches Material gebe es dazu nicht. Allerdings habe sich der Stellenwert der Landwirtschaft geändert. „Immer weniger Menschen wissen, wie Landwirtschaft funktioniert.“ Das berge ein Potenzial an Konflikten in sich. So gebe es etwa über den Neubau von Ställen heute mehr Diskussion als früher. Nicola Kabel plädiert dafür, sich jeden einzelnen Fall anzuschauen und zu bewerten.

Nun beginnt die Maisernte – neues Konfliktpotenzial. „Wir haben nur drei Wochen von Ende September bis Mitte Oktober Zeit“, sagt Kreisgeschäftsführer Peer Jensen-Nissen. Regne es, könne der Mais nicht abgeerntet werden. Morgentau wirke sich ebenfalls ungünstig aus, sodass häufig erst am späten Vormittag mit der Ernte begonnen werden könne.

Rechtlich ist der Erntebetrieb auch nachts sowie an Sonn- und Feiertagen möglich. Jensen-Nissen gibt zu bedenken: „Wir haben auch keinen Spaß daran, nachts zu arbeiten.“ Die Bauern versuchten, nur bis 22 Uhr und in den Abendstunden vor allem auf Feldern abseits der Wohnbebauung zu ernten.

6000 Hektar Mais

Auf 6000 Hektar wächst im Kreis Pinneberg Mais.

34.000 Hektar beträgt die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche.

Drei Viertel des Maises werden verfüttert. Der Rest geht in Biogasanlagen.

Energieerzeugung aus Mais hat im übrigen Land eine weitaus größere Bedeutung.

Für die Maisernte werden hierzulande praktisch ausschließlich Lohnunternehmer engagiert.

Ein modernes Erntegespann kostet rund eine Millionen Euro. Für Bauern zu teuer.

Fünf große Lohnunternehmen sind im Kreis tätig.

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Ein weiteres Streitthema ist die sogenannte Bauernglätte, wie die Erde vom Feld genannt wird, die die Trecker auf der Straße hinterlassen. Diesen Dreck müssen die Landwirte beseitigen. Schilder mit dem Hinweis „Achtung Schleudergefahr“ warnen vor Verschmutzungen. Der Kreisgeschäftsführer des Bauernverbands weist darauf hin, dass sich die Landwirte freiwillig beschränkt haben, innerorts nur Tempo 30 zu fahren, um die Belastungen für die Bürger zu minimieren. Sollte es zu Verschmutzungen gekommen sein, richtet Jensen-Nissen den Appell an die Mitmenschen, erst das Gespräch mit dem Landwirt zu suchen, bevor sie sich an die Polizei wenden.

Mit den meisten Bürgern gebe es keine Probleme, sagt Andrea Münster, Ehefrau des Lohnunternehmers Harald Münster, dessen Treckerfahrer im August angegriffen wurde. Einige Menschen versuchten jedoch, die Arbeit zu behindern und die Mitarbeiter zu schikanieren. Sie stellten zum Beispiel Autos auf die Straße, sodass Trecker mit Anhänger nicht mehr passieren können.

Klaus-Hermann von Döhren, ein Maisbauer und Kuhhalter in Groß Nordende, hat einst mit drei Hektar Mais angefangen. Für die Ernte brauchte er damals einen Tag. Heute schafft ein Lohnunternehmer diese Fläche in einer Stunde. Von Döhren sagt: „Die Bürger wollen, dass die Landwirtschaft wie vor 100 Jahren betrieben wird. Dabei nutzen sie selbst modernste Technik, zum Beispiel Smartphones und Tablets.“