Bilsen. Wir stellen die jeweils ältesten Gebäude der Kommunen vor. Hinter der Adresse Beim Denkmal 2 verbirgt sich Bilsener Dorfgeschichte.
Felder auf der einen Seite, Lagerhallen auf der anderen. Die Umgebung dieses Gebäudes an der Bundesstraße 4 in Bilsen ist so abwechslungsreich wie dessen Geschichte. Das Strohdachhaus an der Ecke zur Straße „Beim Denkmal“ ist das älteste noch bestehende Haus der heute etwa 600 Hektar umfassenden Gemeinde. „Es wurde vor gut 300 bis 400 Jahren gebaut“, sagt Ehrenbürgermeister Rainer Ute Harms. Eine genauere Zahl kann er nicht nennen.
Ein weißes Schild wurde an den roten Ziegeln befestigt. „Wilhelm Mohr Versicherungsschäden“ ist in dunkelgrünen Lettern darauf zu lesen. Doch auch die Besitzer des Hauses, das Ehepaar Wilhelm und Hella Mohr, wissen das genaue Baujahr nicht. „Es steht leider auf keinem der Balken eine Jahreszahl“, sagt Hella Mohr. Rainer Ute Harms ist sich aber sicher, dass das Gebäude „auf jeden Fall vor 1826 erbaut wurde“.
Früher befand sich in dem Gebäude eine Gaststätte
Seit Mitte der 1920er-Jahre befindet sich das Strohdachhaus im Besitz der Familie von Wilhelm Mohr. Seine Großeltern Iddelt und Talle Marie Peters hatten das Haus damals erworben. „Vorher war dort eine Gastwirtschaft“, sagt Hella Mohr. Bis 1960 habe das Ehepaar Peters selbst noch auf dem Hof gelebt und gearbeitet, ehe Wilhelm und Hella Mohr nach ihrer Hochzeit im November den Betrieb übernahmen. Zunächst konzentrierten sich die beiden sieben Jahre lang ausschließlich auf die Landwirtschaft. Unter anderem bauten sie Gurken und Kartoffeln an, hatten aber auch Schweine. Diese fütterte Wilhelm Mohr damals mit Bananen, was ihm den Spitznamen „Bananen Willi“ eingebracht hat. Über den Importeur der Bananen gelangte der Bilsener Landwirt in Kontakt mit der Firma Vogler & Trummer. Diese reinigte Schiffe, Schuten und Barkassen, welche Fischmehl transportierten. Von da an wurden seine Tiere zusätzlich zu den Bananen auch mit Fischmehl gefüttert, damit sie das nötige Eiweiß bekamen.
Da Vogler & Trummer auch Schiffe ausräumte, auf denen es gebrannt hatte, erhielt Wilhelm Mohr nicht nur Fischmehl, sondern vereinzelt auch vom Löschwasser nasse Socken, die seine Frau dann neben den Kartoffeln auf dem Hof verkaufte.
Sieben Lagerhallen grenzen mittlerweile an das Haus
1972 habe es dann in Großbritannien einen Hafenarbeiterstreik gegeben. Die für dort bestimmten Schiffe lagen auf der Reede in Hamburg. Zwei dieser Schiffe hatten Feuer gefangen und wurden von der Firma V&T ausgeräumt. Wilhelm Mohr stellte auch seine Lastwagen für den Transport zur Verfügung. Eingelagert wurden die Waren erst einmal in einem Hamburger Lager. Doch die letzten zwei Ladungen konnten dort nicht mehr untergebracht werden. Also wurde die Ware Wilhelm Mohr überlassen. Seine Frau könne sie auf dem Hof neben den Kartoffeln mitverkaufen. In diesem Moment begann die Geschichte des Wilhelm Mohr als Händler von Waren aus Versicherungsschäden.
Auf 6000 Quadratmetern Verkaufsfläche werden heute in den sieben Lagerhallen, die an das Strohdachhaus angrenzen, unter anderem Kleidungsstücke, Lebensmittel und Elektrowaren verkauft. „Dabei fing alles ganz klein an“, sagt Hella Mohr. Anfangs fand der Verkauf der ersten Waren nämlich noch auf dem Flur und in der Diele des ehemaligen Wohnhauses statt. Doch nach und nach wurden an das Gebäude die heutigen Lagerhallen angebaut.
Eröffnet wurde die erste vor fast auf den Tag genau 40 Jahren, am 23. September 1976. Auf etwa 800 Quadratmetern befinden sich heute die zum Verkauf angebotenen Kleidungsstücke und Schuhe. Zwei Jahre später begann der Bau der nächsten Halle, in der sich mittlerweile die Kassen befinden. „Wilhelm Mohr ist der wahrscheinlich größte Schadenspartiehändler Europas“, so Rainer Ute Harms.
Heute dient das Strohdachhaus nur noch als Büro und nicht mehr wie früher auch als Wohnhaus. Hella und Wilhelm Mohr sind bereits 1976 aus dem Gebäude ausgezogen, um es für das Geschäft zu nutzen.
Während all dieser Jahre verlor das Haus nie seinen Charme. Verändert habe sich auch nicht viel. „Soweit ich mich erinnere, sieht es schon immer so aus wie heute“, sagt Harms. Und auch Hella Mohr bestätigt das. Lediglich die Haustür und die Fenster mussten zwischendurch erneuert werden. „Wir haben aber extra welche ausgesucht“, berichtet Mohr, „die zum Rest des alten Gebäudes passen, damit der Charme erhalten bleibt.“