Kreis Pinneberg. Sonderzone soll Polizei bei Jagd nach Einbrechern helfen. Piratenfraktion kritisiert Ausweisung und fehlende öffentliche Ankündigung.
Voraussichtlich ab Oktober wird der gesamte Kreis Pinneberg wieder zum Gefahrengebiet erklärt. Die Ausweisung einer solchen Sonderzone ermöglicht es der Polizei, anlasslose Kontrollen vorzunehmen. Bereits seit Ende April ist dies im Umfeld des Elmshorner Bahnhofs sowie im angrenzenden Steindammpark möglich. Die Polizei hat dieses Gebiet als gefährlichen Ort eingestuft – ohne die Öffentlichkeit darüber zu informieren.
Das teilte das Innenministerium in Kiel auf eine Anfrage des Piraten-Abgeordneten Patrick Breyer mit. Dieser kritisiert das Vorgehen der Polizei scharf. „Mit dieser Einstufung konnten beliebige dort angetroffene Personen vorsorglich durchsucht werden, auch wenn sie unverdächtig sind. Das betrifft potenziell sehr viele Menschen. Wenn die Polizei solche Sonderrechte in Anspruch nehmen will, dann sollte sie dies auch öffentlich ankündigen und rechtfertigen. Zumal eine solche Ankündigung auch der Abschreckung von Straftätern dient.“
Menschen in Elmshorn sollten nicht verunsichert werden
Die Polizei hatte vor dem Beginn der Aktion im April in Pressemeldungen verstärkte Kontrollen im Bahnhofsumfeld angekündigt. „Auf den Begriff ,Gefährlicher Ort’ wurde dabei ausdrücklich verzichtet, um eine Verunsicherung der im bezeichneten Gefahrenbereich wohnenden Bevölkerung zu verhindern“, heißt es in der Antwort des Ministeriums auf die Anfrage der Piratenfraktion. Weiter heißt es, dass die Umgebung des Bahnhofs seit Jahren einen Schwerpunkt von Körperverletzungs-, Eigentums- und Drogendelikten darstelle. Bei mehr als 400 solcher Delikte pro Jahr habe die Gefahr bestanden, dass sich diese Strukturen verfestigen.
Einbrüche im Kreis Pinneberg 2015
Laut Innenministerium war die Ausweisung des Bahnhofsumfelds als gefährlicher Ort gerechtfertigt. Die Polizei vermeldete ihrerseits in den vergangenen Wochen mehrfach Drogenfunde, die die verstärkten Kontrollen erbracht hätten. Auch mehrere Waffen seien entdeckt worden, darunter auch ein „durchgeladener und unregistrierter Revolver 357 Magnum“. Außerdem habe es Ende Juli ein versuchtes Tötungsdelikt in einer Gaststätte im Umfeld des Haltepunkts gegeben. Aufgrund der Ergebnisse, so heißt es aus dem Ministerium weiter, sei die bis Ende August geltende Einstufung bis zum 30. September verlängert worden, um weitere Kontrollen zu ermöglichen.
Ab Oktober soll laut Auskunft des Ministeriums dann der gesamte Kreis Pinneberg zum Gefahrengebiet erklärt werden. Dieses Einstufung hat es seit 2010 bereits mehrfach gegeben. Sie soll der Polizei ermöglichen, gezielt Jagd auf Einbrecherbanden machen zu können. Die Beamten haben in einem Gefahrengebiet die Möglichkeit, ohne konkreten Verdacht Taschen und Rucksäcke von Personen zu kontrollieren, Fahrzeuge anzuhalten und diese sowie ihre Insassen zu durchsuchen. Laut Landesgesetzgebung kann eine Polizeidirektion eine solche Maßnahme in Ausnahmefällen für eine Dauer von 28 Tagen anordnen und sie zweimal um je 28 Tage verlängern. Eine weitere Verlängerung bedarf einer richterlichen Genehmigung.
Für den Kreis Pinneberg ist die Polizeidirektion Bad Segeberg zuständig. Sie nutzt dieses Instrument regelmäßig im Winterhalbjahr, wenn Einbrecherbanden Hochkonjunktur haben. Die Öffentlichkeit wird darüber nicht informiert. So war etwa im Winterhalbjahr 2015/16 der gesamte Bereich der Polizeidirektion – also die Kreise Pinneberg und Segeberg – durchgehend vom 9. Oktober 2015 bis zum 31. März 2016 als Gefahrengebiet eingestuft. Für den Zeitraum von Oktober bis Ende Dezember reichte die Anordnung durch die Polizeidirektion, von Januar bis Ende März genehmigte das Amtsgericht Bad Segeberg den Sonderstatus.
Laut Auskunft des Innenministeriums soll der Sonderstatus ab Oktober in den Kreisen Pinneberg und Segeberg zunächst für 28 Tage wieder in Kraft gesetzt werden. Eine Anordnung der Polizeidirektion Bad Segeberg dazu sei in Vorbereitung, heißt es weiter. Patrick Breyer, Innenexperte der Piraten, kritisiert diese Maßnahme als „hilfloses Stochern im Nebel“. Die Polizei stelle damit jeden Autofahrer unter Generalverdacht.
„Das Innenministerium konnte mir bis heute keinen einzigen Einbrecher nennen, der bei einer verdachtslosen Sichtkontrolle gestellt worden wäre. Es ist bezeichnend, dass in Lübeck ohne Gefahrengebiet auch nicht weniger Wohnungseinbrüche aufgeklärt werden.“ Laut Breyer vermitteln verdachtslose Kontrollen lediglich eine bloße Illusion von Sicherheit und vergeuden polizeiliche Arbeitskapazitäten, die an anderer Stelle besser eingesetzt wären.
Aus Sicht der Piratenfraktion verstößt das Gesetz, das die Ausweisung derartiger Gefahrengebiete ermöglicht, gegen die Grundrechte unverdächtiger Bürger. „Wir Piraten fordern die unverzügliche Abschaffung“, so Breyer. Ein wirksamer Schutz gegen die zunehmenden Wohnungseinbrüche sehe anders aus.
Rechtsgrundlage
Wohnungen müssten technisch gesichert werden, längere Abwesenheiten der Bewohner dürften nach außen nicht erkennbar sein. Außerdem müsse Hinweisen auf Täter gezielter als bisher nachgegangen werden. „Polizeiliche Präsenz ist gut, aber bitte nicht zur Kontrolle unverdächtiger Bürger“, sagt Breyer. „Gerade weil Wohnungseinbrüche oft schwerwiegende Folgen für die Betroffenen haben, ist ein hilfloses Stochern im Nebel nicht zielführend und als Simulation von Sicherheit potenziell kontraproduktiv.“
Die Polizeidirektion Bad Segeberg war am Wochenende für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Die Pressestelle, die für derartige Anfragen und die Information der Öffentlichkeit mit aktuellen Lagemeldungen zuständig ist, ist seit Mitte 2015 nur montags bis freitags erreichbar. Der Dienst am Sonntag wurde aus Personalmangel eingestellt.