Kreis Pinneberg . 669 Beschwerden gegen den Flugzeuglärm sind im Jahr 2015 aus dem Kreis eingegangen. Das sagt ein Pilot mit 40 Jahren Erfahrung dazu.
Die Menschen im Kreis Pinneberg sind es gewohnt, Flugzeuge von unten zu sehen. Fast 66.000 Maschinen starteten oder landeten im Vorjahr von oder auf der nordwestlichen der vier Bahnen des Hamburg Airport. Für viele Menschen im Kreis ist das ein Ärgernis, vor allem im vom Fluglärm besonders betroffenen Bereich Hasloh/Quickborn. 669 Beschwerden aus dem gesamten Kreisgebiet wurden im Jahr 2015 von der Hamburger Behörde für Umwelt und Energie registriert. Insgesamt wurden 9340 Beschwerden gezählt.
Den Kreis Pinneberg von oben sieht kaum jemand so häufig wie Flugkapitän Raimund F. Neuhold. Seit 40 Jahren startet und landet er Flugzeuge in seiner Heimatstadt Hamburg. Wie beurteilt der 59 Jahre alte Pilot, der auch Fluglehrer, Sachverständiger und Ausbilder ist, die Lärmdebatte?
„Über allem steht die Sicherheit“, sagt der Mann, der von Berufs wegen eine andere Perspektive auf die Dinge hat. „Generell ist in der Fliegerei das Wetter entscheidend und die Windrichtung“, sagt Neuhold. Bei aller technischen Weiterentwicklung gelte das heute genauso wie zu Zeiten der Flugpioniere vor einem Jahrhundert. „Je mehr Wind auf der Nase, desto besser“, sagt der Pilot, der heute auf der Langstrecke unterwegs ist und häufig zwischen Deutschland und Nordamerika pendelt.
Nach den aktuellen Wetterdaten definiere die Deutsche Flugsicherung (DFS) – die Kontrollzentrale für Hamburg-Fuhlsbüttel ist in Bremen – die Start- und Landebahnen. Neben der Sicherheit werden auch Pünktlichkeit und Umweltschutz berücksichtigt. Der Bahnzustand – trocken, nass oder sogar verschneit – spiele eine Rolle. Zudem gebe es teilweise große Unterschiede zwischen Höhen- und Bodenwinden.
„Die letzte Entscheidung liegt beim Flugzeugführer“, sagt Raimund Neuhold, „er kann auch eine andere Bahn wählen und beantragen.“ Diese möglichst große Flexibilität sei für eine jederzeit sichere Landung wichtig. Ein wichtiges Kriterium ist dabei die maximale Seitenwindkomponente. „Dieser Wert ist für jeden Flugzeugtyp anders“, sagt der Pilot. Wird die Grenze überschritten, ist eine Landung aus der jeweiligen Richtung nicht mehr erlaubt.
Bürgerinitiativen
In Hamburg unterstützt ein Instrumentenlandesystem (ILS) die Piloten vom Boden aus in den letzten Phasen vor der Landung. Zwei Leitstrahlen legen Richtung und Höhe über Grund fest und werden von einem speziellen ILS-Empfänger angezeigt. „Wichtig ist ein stabiler Endanflug“, sagt Kapitän Neuhold. Spätestens bei 1000 Fuß (300 Meter) Höhe müsse die Endkonfiguration erreicht sein. Das bedeutet, Klappen und Fahrwerk sind ausgefahren.
Da die Windrichtung das wichtigste Kriterium bei allen Starts und Landungen ist, geht für Neuhold auch die Kritik ins Leere, der Hamburger Flughafen sei ungünstig gelegen.In Richtung Quickborn wurden auch im Jahr 2015 wieder die meisten Flugbewegungen gezählt. Der Anteil lag bei 42 Prozent. Als Grund gibt die Flughafen Hamburg GmbH die „eher dünne“ Besiedlung des Ohmoores an.
Bürgerinitiativen bemängeln die aus ihrer Sicht häufig nicht nachvollziehbare Wahl der Bahnen sowie Umwege der Flugzeuge, da 90 Prozent aller Ziele nach ihren Recherchen südlich von Hamburg liegen, aber 75 Prozent aller Flüge über den Nordosten und Nordwesten abgewickelt werden. „Die Lage der Ziele ist vollkommen egal“, sagt Neuhold, „es werden immer Schleifen geflogen.“ Das sei auch bei anderen Städten so. Physikalische Grundregeln könne man nicht außer Kraft setzen.
Ähnlich verhalte es sich mit der Forderung, um dichter besiedelte Gebiete einen Bogen zu machen. Dafür seien die Flugzeuge einfach zu schnell unterwegs. „Das geht so schnell, da sind keine ständigen Kursänderungen möglich“, sagt Neuhold.
Der Hamburger Flughafen lege viel Wert auf Umweltschutz. „Die Abteilung arbeitet vorbildlich, die Mitarbeiter gehen aktiv auf die Crews zu“, sagt der Pilot, der Hunderte Airports kennt. Das gelte auch für den Lärmschutz, der im Vergleich zu anderen Ländern viel mehr Gewicht habe. Neuhold: „Man unternimmt schon viel, aber das ist für alle Beteiligten ein langer Prozess.“