Schenefeld/Itzehoe. „Ebert’s-Schütze“ Ferhat K. zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Nach der Urteilsverkündung tritt er vor Wut Tische und Stühle um.
Ferhat K. rastete nach der Urteilsverkündung aus. Der 23-Jährige brüllte vor Wut, trat Stühle und Tische im Gerichtssaal um. Zwei Justizbeamte hatten Mühe, dem Angeklagten Handschellen anzulegen. Auch zwei Freunde des Mannes im Zuschauerraum waren außer sich.
In Rage brachte das Trio das Urteil der Fünften Großen Strafkammer des Landgerichts Itzehoe: Ferhat K., der am 19. April 2015 vor dem Schenefelder Ebert’s zwei Männer durch Schüsse niederstreckte und schwer verletzte, muss dafür unter anderem wegen versuchten Totschlags fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis. Die Kammer unter Vorsitz von Richterin Isabel Hildebrandt übertraf damit den Antrag der Staatsanwältin um ein Jahr – und sie kassierte die dem Angeklagten gewährte Haftverschonung wieder ein. Der 23-Jährige wurde noch im Gerichtssaal abgeführt und in die Justizvollzugsanstalt Itzehoe gebracht.
Bereits als kurz vor Beginn der Urteilsverkündung zwei Justizbeamte den Saal betraten, war klar, dass der Tag für Ferhat K. im Gefängnis enden würden. Dessen Gelassenheit endete jäh, als die Richterin die Höhe des Urteils nannte. Bereits während der ausführlichen Urteilsbegründung beschimpfte er mehrmals das Gericht. Als die Kammer zum Abschluss die Verhaftung des
23-Jährigen anordnete, konnte der seine Wut nicht mehr bändigen.
Das Gericht geht davon aus, dass Ferhat K. in Tötungsabsicht handelte, als er um 2.16 Uhr im Eingangsbereich der Disco die halbautomatische Ceska aus dem Schulterholster zog und zwei Schüsse auf Armin B. abgab. Der Hamburger hatte zuvor im Ebert’s mit Freunden seinen 23. Geburtstag gefeiert. In der Disco feierte auch die Verlobte des Angeklagten. Zu ihrer Clique gehörte Tolga K., der von Armin B. am 22. März 2012 derart massiv zusammengeschlagen wurde, dass er seitdem erwerbsunfähig ist und unter Betreuung gestellt werden musste.
„Die beiden Männer waren seit der Gerichtsverhandlung nicht mehr auf-einandergetroffen“, so Richterin Hildebrandt. Es habe kurze Zeit später eine „kriegerische Stimmung“ zwischen beiden Gruppen geherrscht“. Daraufhin habe die Verlobte des Angeklagten gemeinsam mit ihrem Bruder die Disco verlassen wollen. Als Abholer sollte Ferhat K. fungieren, der zuvor mit Freunden in Uetersen gefeiert hatte.
Als er per Taxi vor dem Ebert’s eintraf, befanden sich auch Armin B. und seine Clique im Eingangsbereich. Mehrere Türsteher hatten sie nach draußen gebeten, weil sie eine andere Frau massiv belästigt hatten. Als sich die Verlobte des Angeklagten durch die Männergruppe drängelte, fielen mehrere Sprüche. „Der Angeklagte öffnete seine Jacke, sodass alle die Pistole im Schulterholster sahen und sagte ’Nur dass ihr Bescheid wisst’“, so die Richterin.
Während alle zurückwichen, sei Armin B. auf Ferhat K. zugegangen und habe erklärt, keine Angst zu haben. „Der Angeklagte zog die Waffe, entsicherte sie, lud sie und schoss auf das Opfer.“ Als Armin B. im Unterleib getroffen zu Boden ging, habe Ferhat K. nochmals auf ihn geschossen. Die Kugel habe ihn verfehlt und Hamed D. das Schienbein zerschmettert. „Sie haben den Tod ihres Opfers billigend in Kauf genommen“, so die Richterin. Wer aus drei bis fünf Meter Entfernung mit einer großkalibrigen Waffe zweimal auf jemanden schieße, müsse damit rechnen, dass dieser stirbt. Ferhat K. habe sich zudem einer gefährlichen sowie einer fahrlässigen Körperverletzung und eines Verstoßes gegen das Waffengesetz schuldig gemacht.
Der Angeklagte sei voll schuldfähig, es liege kein minderschwerer Fall vor. Zwar habe er sich einen Monat nach der Tat gestellt, bei der Polizei und im Prozess ein Geständnis abgelegt und sei zu jedem Verhandlungstag erschienen. Allerdings wiege seine Flucht in die Türkei unmittelbar nach den Schüssen so schwer, dass angesichts der Höhe des Urteils eine Inhaftierung alternativlos sei, so die Richterin. Verteidiger Andreas Thiel, der sich für eine Bewährungsstrafe ausgesprochen hatte, bezeichnete die Entscheidung als „unfair“ und „völlig überzogen“, zumal sein Mandant den Opfern sogar finanzielle Entschädigung angeboten habe. Er will gegen den Haftbefehl Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht und gegen das Urteil Revision beim Bundesgerichtshof einlegen. Staatsanwältin Maxi Wantzen zeigte sich zufrieden, will auf Rechtsmittel verzichten.