Rellingen. Mitglieder der Männervereinigung Allschlaraffia treffen sich als Ritter und Knappen. Das klingt ernst, ist aber ein humorvoller Verein.

„Lulu“, ruft Ritter Regie-Sir, der eigentlich Andres von Plessen heißt. „Lulu“, das heißt in seiner Sprache „Hallo“. Ritterhelme und altertümliche Wappen umgeben ihn hier in der Rellinger Rosenburg, in der ein Besucher sich fühlt, als tauche er in eine mittelalterliche Welt ein. Dabei ist es das 21. Jahrhundert, und der Rittersaal befindet sich in einem von außen unscheinbar wirkenden Haus an der Tangstedter Chaussee 26: die Rosenburg, Treffpunkt der Pinneberger Schlaraffen.

Hier kommen regelmäßig einmal pro Woche 44 Knappen, Junker und Ritter zu Treffen, sogenannten Sippungen, zusammen. Die Männer sind Mitglieder der Allschlaraffia, eine weltweit vertretenen Männerverbindung, gegründet 1889 in Prag. Von Schauspielern ursprünglich ins Leben gerufen, um die Verdrängung der deutschen Sprache aufzuhalten, hat sie heutzutage knapp 11.000 Mitglieder.

Die deutschsprachige Vereinigung hat sich zur Aufgabe gemacht, Humor und Kunst sowie die deutsche Sprache zu pflegen. Alles verpackt in ein mittelalterliches Ritterspiel mit wöchentlichen Treffen, bei denen jedes Mitglied Kreatives und Humorvolles vortragen kann.

Einer der Rellinger Schlaraffen ist Ritter Regie-Sir. Der 74-Jährige ist Schlaraffe seit 37 Jahren, kam durch einen Arbeitskollegen in die Verbindung. „Meist kommen alle über persönliche Beziehungen zu den Schlaraffen. Das wollen wir aber ändern“, sagt er. Er selbst fing als Knappe in Braunschweig an und arbeitete sich in der Rangliste der Schlaraffen über den Junker bis hin zum Ritterschlag zwei Jahre später hoch. Sein Rittername ist abgeleitet von seiner Vorliebe, Theaterstücke für die Schlaraffen zu entwickeln. Im „Reych Rellingen“ ist er derzeit Sprengelvorsitzender, zuständig für alle Orte, in denen in Norddeutschland „Schlaraffenreyche“ sind. Außerdem bildet Andres von Plessen mit elf anderen Vorsitzenden den Vorstand des Landesverbands der Schlaraffen Deutschlands. In der Rellinger Rosenburg ist er auch noch Zeremoniemeister, übergibt bei Ehrungen Orden. Zu tun hat er, früher im Verlagswesen tätig, immer genug.

Das Durchschnittsalter der Pinneberger Schlaraffen beträgt 66 Jahre. „Aber wie Udo Jürgens schon gesungen hat: Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an!“ sagt Ritter Regie-Sir, lacht und erklärt, dass auch fortgeschrittenes Alter keinen der Schlaraffen beeinträchtige. „Bei uns gibt es keine Vergreisung. Durch die geistige Beschäftigung und die fröhliche Gesellschaft leben Schlaraffen alle circa fünf Jahre länger als der Durchschnitt.“ Und er fügt ironisch hinzu: „Dann sterben wir also zeitgleich mit unseren Frauen.“ Das Kreative und der Humor, verbunden mit der Freundschaft, bilden die Hauptthemen der wöchentlichen Sippungen der Schlaraffen. Auch in Rellingen ist das der Fall: Die Pinneberger Knappen, Junker und Ritter unterhalten den Verein zur Förderung der Kunst und Kultur Pinneberg. Sippungsabende werden geleitet von drei Oberschlaraffen, die außerhalb der Rosenburg die Berufe Kapitän, Arzt und Landwirt ausüben. Die Sippung ist aufgeteilt in einen amtlichen Teil und den darauf folgenden kreativ-lustigen Teil. Bei Letzterem können alle Schlaraffen etwas selbst Entwickeltes zu einem vorgeschriebenen Thema vortragen.

Eine wichtige Grundregel aller Schlaraffen ist dabei das Trennen von Spiel und Realität: Ritter Regie-Sir erläutert: „Man sollte offen für alles sein, Themen wie Politik, Beruf oder Sexualität spielen bei uns keine Rolle.“ Ironisch verpackt, ist das Verwenden der Themen in manchen Situationen in Ordnung. Eine Regel der Schlaraffen ist aber, dabei keinen zu verletzen, das würde nicht die Freundschaft im Motto der Schlaraffen unterstützen, so Andres von Plessen. „Man weiß meist nicht, was andere politisch und beruflich machen, das ist Teil des Spiels“, erklärt er. Außerdem bekommt jeder Schlaraffe einen neuen Namen. „Wir streifen das profane Leben ab. Jeder ist gleich. Sogar der Vorsitzende unterscheidet sich nicht von den anderen Schlaraffen!“ Bei den Schlaraffen gebe es keine beruflichen oder finanziellen Barrieren.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Männervereinigung ist das Schlaraffenlatein, eine eigene Sprache, die bei Sippungen und weiteren Treffen genutzt wird. Charakteristisch für das Schlaraffenlatein ist weltweit die deutsche Sprache, die durch altertümlich klingende Ausdrücke und Begriffe abgeändert ist. So begrüßt Ritter Regie-Sir den hereinkommenden Ritter Colibri, der außerhalb der Schlaraffen Farbenberechner ist und Peter Schweim heißt, wieder mit einem „Lulu“.

Dadurch, dass Deutsch die Einheitssprache der Vereinigung ist, besteht laut Andres von Plessen immer die Möglichkeit, auf der ganzen Welt leicht Kontakte zuknöpfen: „Auf einer Reise nach Miami wurden meine Frau und ich auf dem Highway überfallen, die dortigen Schlaraffen haben uns aber geholfen. Da ist man wie zu Hause. Man kann Schlaraffia eigentlich nur erleben, nicht erzählen.“ Spricht’s und macht sich fertig für das nächste Rittertreffen.