Wedel. Polizei entdeckt zufällig Cannabis-Aufzuchtanlage in der Wohnung des Angeklagten. 32-Jähriger zeigt Reue, Komplize ist untergetaucht.

Als zwei Polizisten einen Tag vor Silvester an der Wohnungstür des Wedelers Timo R. klingeln, wollen sie ihm eigentlich nur ein Schreiben des Gerichts aushändigen. Doch als der heute 32-Jährige die Beamten rein bittet, fällt denen sofort der süßliche Geruch auf, der aus den Räumen dringt.

Der richtige Riecher der Polizisten brachte Timo R. am Mittwoch einen Platz auf der Anklagebank des Schöffengerichts Pinneberg ein. Unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge lautete der Anklagevorwurf. Denn als die Beamten dem Geruch auf den Grund gingen, entdeckten sie im Zimmer von Timo R.s Mitbewohner eine Cannabisaufzuchtanlage, die sich in einem Zelt befand. Eine Absauganlage, deren Schlauch durch das Fenster führte, sollte eigentlich den Großteil des Geruchs ableiten.

Funktioniert hat es nicht. Und gelitten hat auch die Freundschaft der beiden Mitbewohner. „Wir haben seit dieser Sache keinen Kontakt mehr“, räumt Timo R. vor Gericht ein. Wo sich sein einstiger Freund aufhält, weiß er nicht. „Der letzte Stand war: bei seinem Bruder in Hamburg.“ Weil die Polizei den aktuellen Aufenthaltsort des Mannes nicht ermitteln kann, sitzt der 32-Jährige allein auf der Anklagebank.

Und nutzte die Gelegenheit, um reinen Tisch zu machen. Der Wedeler räumte sofort ein, die Aufzuchtanlage gemeinsam mit seinem einstigen Mitbewohner betrieben und sich die Ernte geteilt zu haben. Sie beide hätten damit ihren Eigenbedarf gedeckt. „Mein Vater ist in dem Jahr gestorben, ich habe quasi die Flucht ins Marihuana gesucht. Das war ein Fehlschlag“, so der Angeklagte.

Das Ergebnis sind Schulden von mehr als 20.000 Euro, eine zerbrochene Freundschaft – und eine Erkenntnis: „Für mich war das ein einschneidendes Erlebnis, als plötzlich die Polizei im Türrahmen stand.“ Eineinhalb Jahre nach der Entdeckung der Indoor-Plantage hat sich der 32-Jährige wieder mit seiner Ex-Freundin versöhnt, einen neuen Job im IT-Bereich angetreten und ein Insolvenzverfahren in Aussicht. „Mir ist sehr daran gelegen, alles wieder in geregelte Bahnen zu lenken“, sagte der 32-Jährige, der wegen Betrugs vorbestraft ist.

Die Reue des Angeklagten überzeugte auch Staatsanwalt Christian Irmer-Tiedt: „Ich nehme Ihnen ab, dass diese Sache einen Wandel in ihrem Leben ausgelöst hat.“ Der Ankläger billigte dem Wedeler einen minderschweren Fall zu, forderte eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 25 Euro. Verteidiger Sascha Böttner regte eine Verurteilung zur Mindeststrafe von 90 Tagessätzen ein. Das Gericht unter Vorsitz von Jens Woywod entschied schließlich auf eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 25 Euro, die in Raten von monatlich 30 Euro gezahlt werden darf. Woywod: „Den Angeklagten drücken Schulden in erheblicher Höhe. Wir wollen seinen weiteren Lebensweg nicht gefährden, haben einen Abschlag miteinberechnet.“