Uetersen. Schüler des Uetersener Ludwig-Meyn-Gymnasiums diskutieren mit Experten über brisantes Thema. Vor allem junge Menschen sind gefährdet.
Die Schlagzeilen über die zunehmende Verbreitung des teils militanten Salafismus in Europa sorgen für Nachdenken, gerade unter den Schülern. Am Uetersener Ludwig-Meyn-Gymnasium (LMG) haben Schüler der 11. Klasse gemeinsam mit dem Lehrer Sönke Zankel eine Podiumsdiskussion in der Schule organisiert, an der etwa 150 Schüler sowie Experten teilnahmen.
Die Fakten sind brisant. 677 Salafisten seien aus Deutschland zuletzt laut Bundeskriminalamt ins Ausland ausgewandert, um dort gegen Ungläubige und für eine aus ihrer Sicht gerechte Sache zu kämpfen, so Tobias Meilicke von der Türkischen Gemeinde in Schleswig-Holstein. Meilicke berät das Innenministerium zum Thema Islam und Salafismus. Sein Bericht sorgt für nachdenkliche Blicke unter den Schülern.
Die Medien spielten bei den Salafisten eine enorme Rolle, sagt er. Mit Youtube, Facebook und anderen populären sozialen Netzwerken gebe es eine große Plattform für die Verbreitung der radikalen Ideologie der Salafisten, die ihren Ursprung im staatlich geprägten Wahabismus Saudi Arabiens haben. Seit 2006 nutzten Salafisten die Medien gezielt, um insbesondere junge Menschen unter 25 Jahre für sich zu rekrutieren.
Die Plattformen hierfür seien hochprofessionell eingerichtet und transportierten scheinbar einfache Antworten auf komplexe Fragen psychologisch und medial wirksam in die Köpfe vor allem junger Menschen. Das bestätigt Benjamin Rose von der Muslimischen Gemeinde in Uetersen, der vor Jahren konvertiert ist. Auch im Kreis habe es Salafisten gegeben, die etwa Facebook genutzt hätten, um Jugendliche erfolgreich für ihre Ansichten zu gewinnen. Doch unter den meisten Anhängern des Salafismus spiele Religiosität überraschenderweise keine herausragende Rolle. „Die wenigsten, die sich anschließen, kennen den Koran. Dieses Nichtwissen wird gnadenlos missbraucht“, sagt Schüler Tobias Landmann, der sich eingehend mit dem Phänomen Salafismus beschäftigt hat. Meilicke stimmt zu. Es gehe den meisten, die sich anschließen, um Protest gegen eine Gesellschaft, von der sie sich nicht verstanden und integriert fühlen.
Eine besondere Rolle spiele der Opferdiskurs. Junge Menschen, die sich von der Gesellschaft ausgegrenzt fühlten, seien anfällig für Extremisten wie Salafisten oder Neonazis. „Es werden einfache Antworten geboten, es ist jemand da, der zuhört“, sagt Meilicke. Das schaffe ein Geborgenheits- und Zugehörigkeitsgefühl, Akzeptanz und öffne junge Menschen für die gezielte Indoktrination. So werde in Deutschland aufgewachsenen Muslimen beständig ihr Deutschsein öffentlich abgesprochen. „Das ist bekloppt“, sagt Meilicke. In Sachen Integration sei einiges in Deutschland schief gelaufen. Es müsse nachgebessert werden. Das fange in der Schule an. Offenheit für andere zeigen, Gespräche suchen, Schüler nicht ausschließen, sondern einbinden. Wer einen Halt im Leben finde, wer Freunde in der Schule habe, sei weniger gefährdet.
Aber wie, so die Schüler, solle mit der medialen Präsenz umgegangen werden? Sollten sich Schüler Webseiten von Salafisten anschauen, um einen Eindruck von der Gefahr zu bekommen? „Definitiv, aber nur in Gruppen und nur wenn man im Unterricht es behandelt“, sagt Meilicke. Sein Rat: „Seid kritisch, hinterfragt Dinge. Glaubt nicht den einfachen Antworten“. Und insbesondere sollte aufeinander geachtet werden. Wenn ein Schüler plötzlich sein Verhalten stark ändere, Mädchen etwa nicht mehr die Hand reiche, sei Vorsicht geboten.