Kreis Pinneberg. Polizei veröffentlicht sieben Belästigungen in fünf Monaten. Frauenverbände befürworten Änderung des Sexualstrafrechts.

Pinneberg, 2. Mai: Kurz vor Mitternacht wird eine 44-Jährige von einem schwarzhaarigen Mann vor der Kita am Christiansenweg bedrängt. Schenefeld, 23. April: Eine junge Frau steht morgens um 4 Uhr an der Bushaltestelle der Linie 186 am Schenefelder Platz und wartet auf den Bus. Zwei Männer ausländischen Aussehens berühren sie unsittlich, versuchen sie zu entkleiden.

Wedel, 12. April: Eine 20-Jährige wird beim Joggen am Yachthafen von drei Männern zu Boden geworfen und teilweise entkleidet. Sie kann entkommen. Pinneberg, 30. März: Ein 23-Jähriger aus Jemen soll am Osterweg eine 44-Jährige im Brustbereich unsittlich berührt haben. Er bestreitet das. Elmshorn, 4. Februar: Ein 24-Jähriger aus Mazedonien onaniert im Zug vor vier jungen Frauen. Der Mann ist Asylbewerber und in der Flüchtlingsaufnahmestelle in Boostedt untergebracht. In Neumünster nimmt die Polizei ihn fest. Uetersen, 29. Januar: Ein älterer Mann belästigt eine 17-Jährige an der Chemnitzstraße und bietet ihr Geld für Sex an. Schenefeld, 21. Januar: Zwei Männer „arabischer Abstammung“ attackieren eine 75-Jährige.

Diese sieben Meldungen von sexuellen Übergriffen auf Frauen hat die Polizei in den vergangenen fünf Monaten öffentlich gemacht. Am Pfingstsonntag soll es zudem zu einem Fall gekommen sein, bei dem ein Mann nach einer Belästigung in der S 1 in Wedel festgenommen wurde. Hierzu gab es aber bei Redaktionsschluss noch keine Bestätigung von offizieller Seite.

Für viele Deutsche sind die Vorfälle aus der jüngeren Vergangenheit ein Beleg, dass mit der Flüchtlingskrise auch die Kriminalität in Deutschland steigt. Doch ist das wirklich der Fall? Die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei werde insbesondere nach den Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Hamburg und Köln gerade in Bezug auf sexuelle Bezüge „offensiv und transparent“ gestaltet, sagt Polizeisprecherin Sandra Mohr. Das könne zu dem subjektiven Eindruck führen, dass es mehr sexuelle Übergriffe auf Frauen im Kreis Pinneberg gebe. Die Statistik würde dies aber nicht bestätigten. „Auf die Vorjahreszeiträume Bezug genommen, sind die statistischen Zahlen nicht dazu geeignet, die gefühlte Sicht zu unterstreichen“, sagt sie. „Es ist keine ansteigende Entwicklung zu erkennen.“

Sandra Mohr, Sprecherin Polizei Kreis Pinneberg
Sandra Mohr, Sprecherin Polizei Kreis Pinneberg © HA | Anne Dewitz

Die Hintergründe zu den Taten bleiben häufig unklar. Zu den von der Polizei vermeldeten „Fällen in Pinneberg, Schenefeld, Wedel und Uetersen gibt es bislang keine Tatverdächtigen“, sagt Mohr. Die Ermittlungen dauerten an. Auch in dem Fall vom 30. März in Pinneberg, bei dem ein 23-jähriger Mann aus dem Jemen beschuldigt wurde, ließ sich der Tatverdacht noch nicht sicher erhärten, so Mohr.

Krisenberater im Kreis Pinneberg, die Opfern helfen, verzeichnen ebenfalls keinen Anstieg. „Wir haben bislang keine Häufung von betroffenen Frauen, die sexuelle Belästigung erfahren haben“, sagt Peter Wieruch, zweiter Vorsitzender des Weißen Rings im Kreis. Dabei würde nach Silvester offensiver mit dem Thema sexuelle Übergriffe umgegangen. Die Hemmschwelle bei Frauen, eine derartige Attacke öffentlich zu machen, sei gesunken.

Auch in der Frauenberatungsstelle Frauentreff Elmshorn hat man bislang keinen Anstieg von Übergriffen auf Frauen, wie sie in der Silvesternacht vorkamen, registriert. Allerdings besagt die Statistik, dass unabhängig davon, beinahe jede dritte Frau schon einmal körperliche, sexuelle oder psychische Gewalt erlebt hat – zu Hause, am Arbeitsplatz, im Internet. Ein gesamtgesellschaftliches Problem also.

Die Frauenberatungsstellen im Kreis Pinneberg unterstützen deshalb die Forderungen ihres Bundesverbandes nach einem zeitgemäßen Sexualstrafrecht und begrüßen den Vorstoß des Bundestages, das Sexualstrafrecht zu reformieren. Die Strafbarkeit dürfe nicht von der Anwendung von Gewalt oder von der Gegenwehr der Betroffenen abhängig gemacht werden. Vielmehr soll künftig das fehlende Einverständnis der Betroffenen ausreichen – im Sinne eines Nein-heißt-Nein.