Kreis Pinneberg. „Pinneberger Erklärung“: Zahlreiche Organisationen und Vermieter schließen Bündnis, um für Menschen mit Behinderung zu handeln.

Die fünf größten Wohnungsbauunternehmen im Kreis Pinneberg haben mit den Behindertenorganisationen einen Pakt geschlossen, der für mehr Wohnraum für behinderte Menschen sorgen soll, die selbstständig leben können. Der Kreis-Behindertenbeauftragte Axel Vogt hat die Verbände zusammengebracht, um sie zu dieser „Pinneberger Erklärung“ zu verpflichten. Eine Arbeitsgruppe der Vertragsparteien, die sich erstmals am 22. Juni trifft, soll nun „die konkrete Nachfrage erarbeiten, für die wir dann ein Angebot schaffen, dem wir uns alle verpflichtet sehen“, kündigt Kai Lorenz von der Neuen GeWoGe an. Zusammen mit den Wohnungsbaugenossenschaften Adlershorst, Neue Lübecker und Eigenheim sowie dem Bauunternehmen Semmelhaack verfügen sie über etwa 15.000 Mietwohnungen im Kreis.

Ein solches Bündnis sei überfällig, sagt Hans-Peter Stahl von der Awo. „Bezahlbarer Wohnraum ist ohnehin knapp. Wir erleben es tagtäglich, dass unsere Behinderten große Schwierigkeiten haben, außerhalb der stationären Einrichtungen einen Vermieter zu finden.“ Da ihr bislang Ansprechpartner auf Seiten der Wohnungswirtschaft fehlten, könne sie weder vermitteln noch Wartelisten erstellen, ergänzt Nadine Haartje von der Lebenshilfe. Insofern biete die Kooperation die Chance, Angebote gemeinsam zu erarbeiten.

Versäumnisse habe es auf beiden Seiten gegeben, die zu dieser Misere geführt hätten, betonen die Vertragspartner. So fehle den Wohnungsunternehmen das Know-how, welchen Bedarf sie für diese Klientel abdecken müssten und welche Auswirkungen es auf die Hausgemeinschaften haben kann, wenn schwerstbehinderte Menschen einzögen.

Deren Zahl schätzt Vogt auf rund 30.000 im Kreis Pinneberg. „Das ist für uns Neuland“, sagt Lorenz. Zugleich hätten die Behindertenverbände zu lange auf die rein stationäre Unterbringung der Menschen mit einem Handicap gesetzt, sagte Evelyn Jungermann von der Lebenshilfe.

Auch die Kommunen, Politiker und Bauämter seien in der Pflicht, die Schaffung von barrierefreien Wohnungen zu fördern, meint Ingo Worm von der Stiftung „Wir helfen uns selbst“. Diese müssten Grundstücke zur Verfügung stellen und Bauleitpläne so gestalten, dass Menschen mit und ohne Behinderung zusammen in Quartieren leben könnten. Die UN-Konvention, die Deutschland dazu verpflichte, allen Bevölkerungsgruppen eine ungehinderte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, müsse den Behinderten Wohnungen bieten, die mitten in den Orten liegen, fordert Worm.

Das dürfe aber nicht allein der Wohnungswirtschaft aufgebürdet werden, sagt Uwe Wirries von Adlershorst. So habe seine Genossenschaft, der 9000 Mitglieder angehörten, in Wedel für nicht mobile Menschen Wohnungen geplant. Die seien der Stadt aber zu weit vom Zentrum entfernt gewesen, sodass sie Grundstücke getauscht worden seien. Das habe die Stadt sich zusätzlich vergüten lassen wollen. Insofern dürften die Ansprüche nicht so weit steigen, dass hinterher Wohnungspreise entstünden, die Sylter Verhältnissen entsprächen, und die Wohnungen nicht mehr als sozial gebunden gefördert werden könnten. Wirries: „Wir müssen die Kirche im Dorf lassen.“

Wie diese Kooperation der Verbände auf die Wünsche der Behinderten eingehen könnte, zeigt das Beispiel aus Lübeck, das Jörg Boden von der Neuen Lübecker anführt. Dort hätten die drei größten Wohnungsbaugesellschaften jetzt zwölf Berater eingestellt, die konkret adäquaten Wohnraum für Behinderte suchen und sie auch über mögliche Förderungsmöglichkeiten informieren.

So weit wolle er mit seinem Bündnis jetzt noch nicht gehen, erklärt der Behindertenbeauftragte Vogt. Die Arbeitsgruppen sollten jetzt zunächst gemeinsam möglichst schnell den Bedarf und das Angebot zusammenführen, „damit mehr Menschen als bisher zum Zuge kommen, eine Wohnung zu finden. Das wollen wir erreichen“. Alles andere würde die Arbeit der junge Allianz unnötig erschweren.