Vor der Wahl am 28. Februar positionieren sich beide Bewerber beim Kandidatencheck zu Themen wie Verkehr, Wirtschaft und Kultur.

Claudia Wittburg

Unabhängig, transparent, familienfreundlich: So wünscht sich Claudia Wittburg ihre Heimatstadt. Mit diesen Schlagworten zieht die einzige Herausforderin von Amtsinhaber Niels Schmidt in den Wahlkampf ums Bürgermeisteramt. Die Wedelerin ist Teil einer Elterninitiative, die sich für niedrigere Kita-Kosten einsetzt. Dieser Kampf motivierte sie, sich um das Amt an der Verwaltungsspitze zu bewerben. Ihre Einstellung zur Familienpolitik ist klar, doch wie steht die Medienwirtin zur Nordumfahrung? Schätzt sie die mögliche Autofähre nach Jork als Risiko oder Chance für Wedel ein? Wie beurteilt sie die finanzielle Lage der Stadt, wofür würde sie sich einsetzen? Dieser Check soll Antworten geben.

Steckbrief

Berufserfahrung: Nach dem Abitur absolvierte sie eine Ausbildung zur Bankkauffrau bei der staatlichen Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz und arbeitete dort anschließend sechs Jahre lang. 2003 begann sie parallel dazu ein Studium der Medienwirtschaft. Seit acht Jahren arbeitet sie in der freien Wirtschaft, derzeit für eine Hamburger Agentur.

Engagiert als: Elternratsvorsitzende im Kindergarten und ehrenamtlich in der Kreiselternvertretung Pinneberg. Die ältere Tochter ist Mitglied im TSV.

Zuletzt besuchte Veranstaltung: Am 18. Dezember mit den Kindern im Puppentheater in der Ernst Barlach Schule.

Ein Tag in Wedel: Wollte sie einem Gast ihre Stadt zeigen, würde die Wedelerin zuerst die Bahnhofstraße zum Shoppen und Flanieren ansteuern. Am Nachmittag ginge es mit den Rädern an die Elbe, den Planetenlehrpfad am Deich entlang und zum Spielplatz im Hamburger Yachthafen. Dort gäbe es ein Picknick mit tollem Blick aufs Wasser. Ein Besuch des Willkomm Höft mit der Schiffsbegrüßungsanlage dürfte nicht fehlen. Am Abend stünde der Besuch des Roland an. Der Tag würde in einem der schönen Wedeler Restaurants ausklingen.

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Verkehr

Die Mobilität in Wedel ist ein Schlüsselfaktor, der jeden betrifft. Hier muss schnellstens etwas passieren. Die Variante 1 der Nordumgehung in Kombination mit der S-Bahn-Unterführung im Autal ist meine favorisierte Variante. Eingriffe in die Wedeler Au und die damit verbundenen Mehrkosten halte ich für nicht gerechtfertigt.

Die Radwege müssen ausgebaut werden. Wie in den Entscheidungen gegen einen Ausbau der Mühlenstraße und des Jörg-Balack-Weges wieder zu sehen war, sind Klagen Betroffener nicht gehört worden. Ich setze mich explizit für sichere Schulwege ein.

Von der geplanten Autofähre hat man lange nichts mehr gehört. Es stellt sich die Frage, ob das Projekt überhaupt weiterverfolgt wird. Zumal der Anleger nahe dem Ammoniaklager des Kohlekraftwerkes liegt und dort kein hoher Publikumsverkehr sein darf.

Die Ausdehnung des Zehn-Minuten-Takts der S-Bahn nach Wedel ist wichtig, gerade abends ist die Bahn voll. Zudem braucht Wedel eine zweite S-Bahnstation, einen regelmäßigen Shuttle nach Pinneberg, mehr Park-and-ride-Möglichkeiten und bessere Busverbindungen, auch in die Neubaugebiete.

Wirtschaft/Finanzen

Ich sehe durch den Businesspark eine echte Chance für Wedel. Hier muss jedoch deutlich am Konzept gefeilt werden. Denn Anwohner und Bürgerinitiativen stehen in den Startlöchern und drohen mit einer Klagewelle. Die Klage Wedels gegen Hamburg wegen des Bebauungsplans 11 im benachbarten Rissen ist nur der Auftakt. Eine Gegenklage Hamburgs vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig wurde angekündigt. Das schreckt potenzielle Interessenten ab. Es muss ein geeignetes Konzept mit allen Beteiligten erarbeitet werden.

Die Wirtschaft fördern möchte ich, indem etwa der Umzug nach Wedel honoriert wird, beispielsweise über zeitlich begrenzte steuerliche Anreize. Auch muss das Netzwerk der Kammern aus Hamburg und Schleswig-Holstein genutzt werden. Dies gilt auch für Firmengründungen. Das Know-how der gut ausgebildeten Ingenieure der Fachhochschule Wedel müssen wir in Wedel halten und Existenzgründungen entsprechend fördern. Wir müssen proaktiv auf die Unternehmen zugehen. Das wurde in der Vergangenheit versäumt.

Der Zuwachs der Schulden ist dem Wegfall der Steuereinnahmen geschuldet. Zudem wurde schlecht gewirtschaftet, in guten Zeiten wurden nicht genügend Rücklagen geschaffen. Großprojekte wie der Schulauer Hafen kosten die Wedeler Millionen, zugleich wird massiv gespart. Angenommen, es gebe unerwartet hohe Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer, würde ich sie teils zum Schuldenabbau nutzen, teils in sinnvolle und langfristige Wirtschaftsförderung investieren.

Soziales

Wir müssen die Vereine in Wedel stärken, auch in Zeiten einer schwachen Haushaltslage. Sport sollte für niemanden zum Luxusgut werden. Familien und Senioren müssen in Wedel an dieser Stelle entlastet werden. Die Angebote müssen ausgebaut werden, auch in Hinblick auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wedel muss die Anliegen seiner älteren Bürger ernst nehmen. Barrierefreiheit unter anderem am Elbwanderweg ist nur ein wichtiger Punkt.

Es gibt einige Frauenparkplätze. Ich möchte das gern erweitern: Wie wäre es mit Familienparkplätzen? Für Familien mit kleinen Kindern und Senioren, die schwer zu Fuß unterwegs sind.

Wedel steht an der Spitze mit Betreuungskosten von bis zu 700 Euro für einen Zehn-Stunden-Krippenplatz. Die Kinderbetreuungskosten müssen gesenkt werden. Es müssen flexible Betreuungssysteme gefördert werden, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen und stärken. Dazu gehören für mich die Wahlmöglichkeit zwischen Tagespflege und Kita sowie ein günstiges Angebot für Früh- und Spätdienste. Hamburg macht es uns vor. Wedel packt das auch. Der Kitaausbau wird vom Bund und Land mit hohen Summen gefördert. Diese Mittel kommen bei den Eltern nicht an. Das werde ich ändern.

Verwaltung

Der Bürgermeister muss die vermittelnde und leitende Kraft zwischen den Bürgern, der Politik und der Verwaltung sein. Als erste unabhängige Bürgermeisterin setze ich mich jedoch zuerst für eine bürgernahe und transparente Politik ein. Ich möchte das Vertrauen der Wedeler gewinnen und sie ermutigen, ihre politische Selbstbestimmung stärker zu leben. Bürgerbeteiligung bedeutet: Von Anfang an beteiligen und nicht heimliche Beschlussvorlagen erarbeiten. In Wedel darf sich nicht immer mehr eine Klagekultur ausbreiten. Eine Verwaltung darf auch nicht davon ausgehen, sie sei im Recht, sofern keine Klagen vorliegen (Findlingsdiskussion).

Wohnen

Leider ist Wedel auch in Sachen bezahlbarer Wohnraum in den letzten Jahren nicht sehr bürgernah gewesen. Luxuswohnungen und Prestigebauten hat Wedel jetzt genug. Ich werde dafür sorgen, dass in Wedel, natürlich in Absprache mit der Politik, nur mit Investoren gearbeitet wird, die entsprechend „sozial“ bauen wollen. Dabei geht es nicht nur um Sozialwohnungen, sondern gleichermaßen um Wohnraum für Familien; seien es Alleinerziehende, junge Familien oder ältere Menschen. Hier werde ich Gespräche mit Land und Bund aufnehmen, damit die Rahmenbedingungen in Wedel verändert werden.

Niels Schmidt

Weil es um Wedel geht!“: Mit diesem Slogan geht Niels Schmidt ins Rennen um das Amt an Wedels Verwaltungsspitze. Ein Job, mit dem sich der 55-Jährige auskennt. Immerhin hat der Wedeler Diplom-Verwaltungswirt den Posten seit zwölf Jahren inne. Schmidt tritt wie Konkurrentin Wittburg als parteiloser Kandidat an. Unterstützung haben ihm CDU und FDP ausgesprochen. Für was Schmidt steht, wie er sich zur Nordumfahrung positioniert, ob er die mögliche Autofähre nach Jork als Risiko oder Chance für Wedel beurteilt und wie er die Wirtschaft stärken will, darauf gibt er hier Antworten.

Steckbrief

Berufserfahrung: ein fachbezogenes Studium, die Qualifizierung für den höheren Verwaltungsdienst, mehr als 30 Jahre Berufserfahrung in verschiedenen Bereichen, gute Vernetzung bis zu Entscheidern auf Bundesebene und zwölf Jahre Erfahrung als Bürgermeister und Verwaltungschef in Wedel

Engagiert im: Förderverein der Feuerwehr und des SC Rist Wedel sowie passives Mitglied im TSV Wedel. Zudem engagiert er sich im Vorstand von Wedel-Marketing.

Zuletzt besuchte Veranstaltung: Premiere von „Die Nadel der Kleopatra“ im Theater Wedel

Ein Tag in Wedel: Ein Tag reicht Schmidt fast nicht aus, um einem Gast sein Wedel mit der Altstadt samt Roland, Kirche, Reepschlägerhaus und dem Klövensteen zu zeigen. Beginnen würde er mit einem Sparziergang durch die Bahnhofstraße zur Elbe, erst einmal auf dem Ponton Willkomm Höft oder der neuen Quermole am Schulauer Hafen Schiffe und Möwen gucken – „ein Gefühl, als ob man mitten in der Elbe steht“, so Schmidt. Dann folgt ein Kaffee oder ein Wein. Vor einem leckeren Essen geht’s ins Barlach-Museum. Danach Kult, Kultur und Stimmung auf der Batavia oder das aktuelle Theater-Wedel-Stück oder doch SC Rist-Basketball. . .

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Verkehr

Insbesondere die Ortsdurchfahrt in der Altstadt ist ein Nadelöhr. „Kleinteilige“ Maßnahmen konnten das Problem nicht lösen. Deshalb hatte sich die politische Mehrheit nach langer Diskussion und Bürgerbeteiligung für die Nordumfahrung entschieden. Auch wenn die komplette Verlegung der Bundesstraße zur Zeit nicht finanzierbar erscheint, sollten die realisierbaren Trassenteile Stück für Stück umgesetzt werden. Darin kann die Lösung für die Erschließung von Wedel-Nord liegen.

Das Radwegekonzept ist wegen gesunkener Steuereinnahmen etwas unter die Räder gekommen. Da besteht Nachholbedarf. Wedel hat kein Konzept-, sondern eher ein Umsetzungsproblem.

Die geplante Autofähre über die Elbe bietet eher Chancen als Risiken. Die Bedingungen sind aber klar: Kein Geld aus der Stadtkasse und die Sicherung der Zukunft der Lühe-Schulau-Fähre gehören dazu. Jetzt sind die Projektentwickler am Zug.

Wirtschaft/Finanzen

Die trotz aller Steuereinbrüche im Vergleich zu anderen Kommunen noch gute Situation belegt, dass Wedel ein starker Wirtschaftsstandort ist. Die Vielfalt der Wirtschaft mit Vernetzungsmöglichkeiten, viele Fachkräfte, erträgliche Gewerbesteuersätze und die Fachhochschule Wedel sind positive Faktoren, aber auch die gute Betreuung der Unternehmen durch unsere Wirtschaftsförderung und vielleicht ein bisschen mein persönlicher Einsatz tragen dazu bei. Wir kümmern uns. Angesichts des prognostizierten Gewerbeflächenbedarfs im Hamburger Umland mache ich mir keine Sorgen um die Vermarktung des Businessparks. Ein erstes Projekt ist auf dem Weg. Wir haben keinen Druck, die Flächen schnell verkaufen zu müssen. Denn wir haben dort kein kreditäres Kapital gebunden.

Den Schuldenstand muss man differenziert betrachten. Entscheidend ist die Entwicklung des Eigenkapitals, denn mit den aufgenommenen Krediten wurden Investitionen finanziert, wurde also Vermögen geschaffen, übrigens im hohen Maße im Schulbau. Die gigantischen Steuerausfälle haben einen erheblichen Eigenkapitalverzehr verursacht, was Sorgen macht. Das müssen wir durch Überschüsse in den Jahresabschlüssen in Ordnung bringen. Unser Weg: die Zeitachse. Wir müssen dauerhaft die laufenden Ausgaben unterhalb der laufenden Einnahmen halten. Die Verwaltung macht Vorschläge – die Politik hat das letzte Wort.

Eine unerwartet hohe Steuernachzahlung sollte für die Wiederauffüllung des Eigenkapitals verwendet werden.

Soziales

Seniorenmobil, Unterstützung der Tagesstätten und mehr gibt es schon, wir passen die soziale Infrastruktur immer wieder der Bevölkerungsentwicklung an. Aber wir verzeichnen auch viele Zuzüge von jüngeren Leuten – für alle muss es Angebote geben.

Zwischen Hamburg und Wedel gibt es in Sachen Kitas einen grundsätzlichen Unterschied, der sich fundamental auswirkt: Hamburg ist nicht nur Stadt, sondern auch Bundesland. Wedel ist nur Stadt, Bundesland ist Schleswig-Holstein. Das Bundesland Hamburg finanziert gebührenfreie Kita-Plätze – das Bundesland Schleswig-Holstein nicht, obwohl die Landesregierung es versprochen hat. Für eine Entlastung der Eltern aus dem städtischen Haushalt heraus haben wir keine Mittel, wenn nicht an anderer Stelle eingespart werden kann. Wir geben für die Kita-Versorgung schon jetzt rund acht Millionen Euro im Jahr aus für die Subventionierung der Plätze, für Sozialpädagogen und mehr. Ganz klar: Das Land ist am Zug!

Verwaltung

Eine gute Führungskraft muss Menschen mögen und vertrauen können. Sie muss authentisch sein, und eine gute Portion Lebenserfahrung ist wichtig. Außerdem: die Bereitschaft, Entscheidungen zu treffen, auch wenn sie nicht allen gefallen. In Gesprächen mit Bürgern höre ich, dass unser Rathaus-Team einen guten Job macht; gerade im Vergleich mit anderen Behörden. Wir arbeiten transparent: intensive Information der Medien, Bürgerbeteiligungen, Info-Veranstaltungen und mehr. Seit Jahren stehe ich bei Bürgersprechstunden auf den Wochenmärkten, und jeder kann bei mir einen Gesprächstermin bekommen.

Wichtig ist, aus Fehlern zu lernen. Beispiel: Die Entwicklung beim Bau der Mensa am Johann-Rist-Gymnasium zeigte Schwächen auf, die mich geärgert haben. Konsequenz: Ich habe die Stabsstelle Prüfdienste eingeschaltet. Der Prüfungsbericht bietet eine solide Grundlage für notwendige organisatorische und personelle Veränderungen, die bis Jahresende umgesetzt werden.

Wohnen

Die Strategie heißt zunächst: Verdichtung statt in großem Stil unbebaute Flächen zu versiegeln. Doch auch Erweiterung muss es geben, insbesondere für junge Familien, die Wohneigentum schaffen wollen, wie die vergleichsweise günstigen Reihenhäuser an der Holmer Straße. Eine deutliche Entlastung des Wohnungsmarktes könnte durch Wedel-Nord erfolgen. Vor der Entscheidung muss es aber Klarheit über Folgekosten und die Lösung der Verkehrsfragen geben.

Die vom Rat beschlossene 30-Prozent-Regel für den Neubau von Sozialwohnungen bei Neubau-Quartieren ist ein richtiges Signal, denn Sozialbindungen bei älteren Beständen laufen aus. Dabei muss man kompromissbereit sein, weil bei Überforderung der Investoren Stillstand droht und vielleicht keine neuen Wohnungen entstehen. Alles, was den Wohnungsmarkt entlastet, sollte ermöglicht werden.