Seestermühe. Der Lehrer brachte 91 Werke des Malers Emil Nolde bei Seestermüher Bauern unter. Ein Historiker arbeitet die spannende Geschichte auf.

In einem Schuppen in Seestermühe haben 91 Bilder des von den Nationalsozialisten als entartet verfemten Künstlers Emil Nolde das Dritte Reich schadlos überstanden. Zu verdanken ist dies auch einem Elmshorner Pädagogen, den eine Freundschaft mit dem Expressionisten verband. Alfred Heuer (1883-1947) dürfte selbst geschichtlich interessierten Menschen unbekannt sein. Das will Rainer Adomat, Mitarbeiter des historischen Jahrbuches für den Kreis Pinneberg, ändern. „Alfred Heuer war ein Kunstkenner, Künstlerfreund und ein herausragender Pädagoge“, sagt er.

Emil Nolde, Tropensonne, Gemälde von 1914
Emil Nolde, Tropensonne, Gemälde von 1914 © HA | Nolde Stiftung Seebüll

Mit seinem Unterrichtsstil an der Bismarckschule soll Heuer Eigeninitiative und das offene Denken gefördert haben. Privat suchte Heuer den Kontakt zu den damals aktuellen Künstlern. Dabei pflegte der gebürtige Plöner mehr den Brief- und persönlichen Kontakt, war weniger Teil der Künstlerzirkel. „Er kannte praktisch alle großen Expressionisten Norddeutschlands wie Nolde, Christian Rohlfs und Ernst Barlach“, sagt Adomat. Die Verehrung für den in Wedel geborenen Bildhauer brachte Heuer dazu, einem seiner drei Söhne den Vornamen Barlach zu geben.

Praktisch alle Künstler, die mit Heuer bekannt waren, galten später unter den Nazis als entartet. „Die Briefe von Nolde an Heuer wurden nach 1933 immer vertrauter“, weiß Adomat aus dem Nachlass des Elmshorners, der ihm von dessen drei Söhnen zur Verfügung gestellt wurde. Sie leben heute als betagte Herren in London, Paris und München.

Vortrag und Ausstellungen

Seine Rechercheergebnisse will Rainer Adomat während eines Vortrags am Donnerstag, 4. Februar, vorstellen. Der studierte Historiker wird über „Alfred Heuer und die Rettung der Nolde-Bilder in Seestermühe“ von 19.30 Uhr an in der Aula der Bismarckschule, Bismarckstraße 2, in Elmshorn referieren.

Bilder des Expressionisten sind noch bis zum 10. Februar in der Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall 5, zu sehen. Titel der Ausstellung: Nolde in Hamburg.

Die Nolde-Stiftung präsentiert von 1. März an in Neukirchen, Seebüll 31, nahe der deutsch-dänischen Grenze das Spätwerk des Künstlers. Mit der Ausstellung wird auch das 60-jährige Bestehen der Stiftung begangen. pö

1/3

Emil Nolde reagierte auf den Nazi-Bann, in dem er von 1937 an seine Bilder über persönliche Kontakte an verschiedenen Orten in Deutschland verstecken ließ. Mit einem Brief vom 18. September 1939, wenige Tage nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, bat der Maler den Studienrat um Hilfe. Die 91 Bilder waren noch 1937 ausgestellt worden. Auf Anordnung der Nazis musste die Ausstellung nach drei Tagen geschlossen werden, die Werke lagerten danach in Holzkisten bei Noldes Galeristen Rudolf Probst in Mannheim.

Heuer fand mit der Scheune des Seestermüher Bauern Franz Breckwoldt an der Dorfstraße das ideale Versteck. Es stand voller Sammlerstücke, und die Kisten fielen gar nicht auf. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurden die Werke ins Versteck gebracht.

Heuer und Breckwoldt kannten sich aus der Arbeit für das Elmshorner Heimatmuseum. Der Seestermüher ging zudem auf die Bismarckschule. Er galt als passionierte Sammler. Dem Heimatmuseum konnte er eine Sammlung von volkskundlichen Exponaten und landwirtschaftlichen Geräten vermachen. Als junger Mann hat Adomat Breckwoldt noch als charismatischen Geschichtenerzähler kennen gelernt.

„Es ist nicht sicher, ob Breckwoldt wirklich wusste, was er da versteckt hat“, sagt Adomat. Breckwoldt und Nolde haben sich übrigens nur ein einziges Mal gesehen, und zwar als der Künstler seine Bilder 1947 abholte.